Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

sagt er: Siehst Du, Jenny, wenn ich aufstehen will, sehe ich die Alte! Sie drückt mich nieder. Er meint das Gespenst seiner Mutter, Ihrer trefflichen Gabriele!

Ja, ja, sagte Wolny ernst, da seht Ihr's, Ihr braucht nicht an Gott zu glauben! Das könnte verbraucht herauskommen. Aber glaubt nur an das Causalitätsgesetz! Das regiert denn doch die Welt!

Raimund Ehlerdt schwieg. Er schien bewegt. Allmälig sah er sich um, räusperte sich und drückte dann offen wie sein alter Freund und Leibtrabant Mahlo die Trockenheit seiner Kehle durch völlige Heiserkeit aus, worauf ein tonloses: Darf ich mir ein kleines Frühstück hier heraufbestellen? Mich friert! erfolgte.

Das Zimmer war geheizt. Aber mit Freuden! sagte Wolny, an den Klingelzug tretend. Entschuldigen Sie nur, daß ich das nicht sogleich angeordnet hatte!

O wie wohl that Raimund diese Freundlichkeit! Ach, er war dem schönen, aber mit Schuld und Schulden überhäuften Mädchen verlobt - aber Töne aus der Tiefe des Gemüths hatte er lange nicht, weder von ihr, noch ihren Umgebungen, am wenigsten von den verzweifelnden Verwaltungsräthen gehört. Edwinas hatte sich ein Va banque wie gegen die ganze Menschheit bemächtigt. Wozu? Was nützt Alles? "Pflücke den Tag!"

sagt er: Siehst Du, Jenny, wenn ich aufstehen will, sehe ich die Alte! Sie drückt mich nieder. Er meint das Gespenst seiner Mutter, Ihrer trefflichen Gabriele!

Ja, ja, sagte Wolny ernst, da seht Ihr’s, Ihr braucht nicht an Gott zu glauben! Das könnte verbraucht herauskommen. Aber glaubt nur an das Causalitätsgesetz! Das regiert denn doch die Welt!

Raimund Ehlerdt schwieg. Er schien bewegt. Allmälig sah er sich um, räusperte sich und drückte dann offen wie sein alter Freund und Leibtrabant Mahlo die Trockenheit seiner Kehle durch völlige Heiserkeit aus, worauf ein tonloses: Darf ich mir ein kleines Frühstück hier heraufbestellen? Mich friert! erfolgte.

Das Zimmer war geheizt. Aber mit Freuden! sagte Wolny, an den Klingelzug tretend. Entschuldigen Sie nur, daß ich das nicht sogleich angeordnet hatte!

O wie wohl that Raimund diese Freundlichkeit! Ach, er war dem schönen, aber mit Schuld und Schulden überhäuften Mädchen verlobt – aber Töne aus der Tiefe des Gemüths hatte er lange nicht, weder von ihr, noch ihren Umgebungen, am wenigsten von den verzweifelnden Verwaltungsräthen gehört. Edwinas hatte sich ein Va banque wie gegen die ganze Menschheit bemächtigt. Wozu? Was nützt Alles? „Pflücke den Tag!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0223" n="217"/>
sagt er: Siehst Du, Jenny, wenn ich aufstehen will, sehe ich die Alte! Sie drückt mich nieder. Er meint das Gespenst seiner Mutter, Ihrer trefflichen Gabriele!</p>
        <p>Ja, ja, sagte Wolny ernst, da seht Ihr&#x2019;s, Ihr braucht nicht an Gott zu glauben! Das könnte verbraucht herauskommen. Aber glaubt nur an das Causalitätsgesetz! Das regiert denn doch die Welt!</p>
        <p>Raimund Ehlerdt schwieg. Er schien bewegt. Allmälig sah er sich um, räusperte sich und drückte dann offen wie sein alter Freund und Leibtrabant Mahlo die Trockenheit seiner Kehle durch völlige Heiserkeit aus, worauf ein tonloses: Darf ich mir ein kleines Frühstück hier heraufbestellen? Mich friert! erfolgte.</p>
        <p>Das Zimmer war geheizt. Aber mit Freuden! sagte Wolny, an den Klingelzug tretend. Entschuldigen Sie nur, daß ich das nicht sogleich angeordnet hatte!</p>
        <p>O wie wohl that Raimund diese Freundlichkeit! Ach, er war dem schönen, aber mit Schuld und Schulden überhäuften Mädchen verlobt &#x2013; aber Töne aus der Tiefe des Gemüths hatte er lange nicht, weder von ihr, noch ihren Umgebungen, am wenigsten von den verzweifelnden Verwaltungsräthen gehört. Edwinas hatte sich ein <hi rendition="#aq">Va banque</hi> wie gegen die ganze Menschheit bemächtigt. Wozu? Was nützt Alles? &#x201E;Pflücke den Tag!&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0223] sagt er: Siehst Du, Jenny, wenn ich aufstehen will, sehe ich die Alte! Sie drückt mich nieder. Er meint das Gespenst seiner Mutter, Ihrer trefflichen Gabriele! Ja, ja, sagte Wolny ernst, da seht Ihr’s, Ihr braucht nicht an Gott zu glauben! Das könnte verbraucht herauskommen. Aber glaubt nur an das Causalitätsgesetz! Das regiert denn doch die Welt! Raimund Ehlerdt schwieg. Er schien bewegt. Allmälig sah er sich um, räusperte sich und drückte dann offen wie sein alter Freund und Leibtrabant Mahlo die Trockenheit seiner Kehle durch völlige Heiserkeit aus, worauf ein tonloses: Darf ich mir ein kleines Frühstück hier heraufbestellen? Mich friert! erfolgte. Das Zimmer war geheizt. Aber mit Freuden! sagte Wolny, an den Klingelzug tretend. Entschuldigen Sie nur, daß ich das nicht sogleich angeordnet hatte! O wie wohl that Raimund diese Freundlichkeit! Ach, er war dem schönen, aber mit Schuld und Schulden überhäuften Mädchen verlobt – aber Töne aus der Tiefe des Gemüths hatte er lange nicht, weder von ihr, noch ihren Umgebungen, am wenigsten von den verzweifelnden Verwaltungsräthen gehört. Edwinas hatte sich ein Va banque wie gegen die ganze Menschheit bemächtigt. Wozu? Was nützt Alles? „Pflücke den Tag!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/223
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/223>, abgerufen am 28.03.2024.