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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

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kleinen Fuß aufstampfen und sagen: Hatte ihm denn der Kuß, den ich ihm in der Einsiedelei auf die Lippen drückte, nicht mein ganzes Leben zur Verwahrung gegeben? Althing! Es war nicht Kälte, es war Empfindung, tiefster Schmerz, Liebe, als Du mir, Geliebtester, beim Abschied zuflüstertest: Ich besuche Sie niemals! So rechnet man nicht mit dem Himmel ab! So stiehlt man sich nicht von der Tafel der Götter! Mein Einziger! Was soll mir Dein: Es darf nicht sein! Finden Sie sich, liebe Gräfin! Die Verhältnisse werden Alles erleichtern! Haha! lachte sie und schlang ihre Arme in die Luft, glaubend, sie hielte Ottomar umfangen.

Welche Verhältnisse denn? konnte sie auch ruhiger für sich in ihrem selbstgeschaffenen Kerker ausrufen. Geldverhältnisse etwa? Pah, lieber Junge, ich kann darben! Glaub' mir's, ich kann in einer Dachstube wohnen! Ich schwöre Dir's, der Kreisrichter von Inowraclaw soll mich niemals um Pasteten jammern hören! Erdbeeren, die Milch von einer treuen Kuh - so lebten auch die Sylvien und Miranden einer romantischen Zeit. Ihr haltet ja den Shakespeare so hoch. Sollte der seine Leute nicht richtig ernährt haben? Da lachte sie dann. Sie sah sich um. Was hatten diese Möbel nicht schon Alles belauscht! Da lagen die Bücher, die jener Gesellschaft angerühmt zu werden pflegen: "Was sich der Wald

kleinen Fuß aufstampfen und sagen: Hatte ihm denn der Kuß, den ich ihm in der Einsiedelei auf die Lippen drückte, nicht mein ganzes Leben zur Verwahrung gegeben? Althing! Es war nicht Kälte, es war Empfindung, tiefster Schmerz, Liebe, als Du mir, Geliebtester, beim Abschied zuflüstertest: Ich besuche Sie niemals! So rechnet man nicht mit dem Himmel ab! So stiehlt man sich nicht von der Tafel der Götter! Mein Einziger! Was soll mir Dein: Es darf nicht sein! Finden Sie sich, liebe Gräfin! Die Verhältnisse werden Alles erleichtern! Haha! lachte sie und schlang ihre Arme in die Luft, glaubend, sie hielte Ottomar umfangen.

Welche Verhältnisse denn? konnte sie auch ruhiger für sich in ihrem selbstgeschaffenen Kerker ausrufen. Geldverhältnisse etwa? Pah, lieber Junge, ich kann darben! Glaub’ mir’s, ich kann in einer Dachstube wohnen! Ich schwöre Dir’s, der Kreisrichter von Inowraclaw soll mich niemals um Pasteten jammern hören! Erdbeeren, die Milch von einer treuen Kuh – so lebten auch die Sylvien und Miranden einer romantischen Zeit. Ihr haltet ja den Shakespeare so hoch. Sollte der seine Leute nicht richtig ernährt haben? Da lachte sie dann. Sie sah sich um. Was hatten diese Möbel nicht schon Alles belauscht! Da lagen die Bücher, die jener Gesellschaft angerühmt zu werden pflegen: „Was sich der Wald

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[162/0168] kleinen Fuß aufstampfen und sagen: Hatte ihm denn der Kuß, den ich ihm in der Einsiedelei auf die Lippen drückte, nicht mein ganzes Leben zur Verwahrung gegeben? Althing! Es war nicht Kälte, es war Empfindung, tiefster Schmerz, Liebe, als Du mir, Geliebtester, beim Abschied zuflüstertest: Ich besuche Sie niemals! So rechnet man nicht mit dem Himmel ab! So stiehlt man sich nicht von der Tafel der Götter! Mein Einziger! Was soll mir Dein: Es darf nicht sein! Finden Sie sich, liebe Gräfin! Die Verhältnisse werden Alles erleichtern! Haha! lachte sie und schlang ihre Arme in die Luft, glaubend, sie hielte Ottomar umfangen. Welche Verhältnisse denn? konnte sie auch ruhiger für sich in ihrem selbstgeschaffenen Kerker ausrufen. Geldverhältnisse etwa? Pah, lieber Junge, ich kann darben! Glaub’ mir’s, ich kann in einer Dachstube wohnen! Ich schwöre Dir’s, der Kreisrichter von Inowraclaw soll mich niemals um Pasteten jammern hören! Erdbeeren, die Milch von einer treuen Kuh – so lebten auch die Sylvien und Miranden einer romantischen Zeit. Ihr haltet ja den Shakespeare so hoch. Sollte der seine Leute nicht richtig ernährt haben? Da lachte sie dann. Sie sah sich um. Was hatten diese Möbel nicht schon Alles belauscht! Da lagen die Bücher, die jener Gesellschaft angerühmt zu werden pflegen: „Was sich der Wald

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/168>, abgerufen am 20.04.2024.