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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem europäischen insbesondere.
es, nicht in Rücksicht eines menschlichen Obern, sondern
der von den Völkern selbst sich auferlegten Gesetze. Das
historische wird es endlich zuweilen genant, weil es da-
bey nicht sowohl auf Vernunftschlüsse, als auf Thatsa-
chen ankomt, die aus der Geschichte beigebracht werden
müssen.

*] Sa Majeste [Britanique] heißt es in der Grosbritanni-
schen Antwort vom 1sten April 1780 auf die Russische
Declaration vom 28sten Febr. in Betref der bewafneten
Neutralität, a regle sa conduite envers les puissances
amies et neutres, d' apres la leur a son egard, la con-
formant aux principes les plus clairs et les plus gene-
ralement reconnus du droit des gens qui est la seule
loi entre les nations qui n'ont point de traite, et a la
teneur de ses differens engagemens avec d'autres puis-
sances, lesquels engagemens ont varie cette loi primi-
tive
par des stipulations mutuelles et l' ont varie de
beaucoup, de manieres differentes selon la volonte et
la convenance
des parties contractantes. ----
**] Wolf, Vattel und Andere zählen zu dem positiven oder
wilkührlichen Völkerrechte auch das freiwillige, weil es
eine vermeintliche Einwilligung [consensum praesumtum]
der Völker voraussetze. Dieser Meinung kan ich iedoch,
wie schon aus dem Vorhergehenden erhellet, nicht beitre-
ten, da nach meinen Begriffen das wilkührliche oder posi-
tive Völkerrecht ein Gegensatz des natürlichen ist. Unter
diesem verstehe ich nämlich dieienigen Grundsätze, welche
aus einer algemeinen Quelle durch natürliche und vernünf-
tige Schlusfolgen sich herleiten lassen; unter ienem solche
Gesetze, deren iedes einer besondern Publikation durch
Thathandlungen erfordert. Aus erstern, nicht aus leztern
fließt obgedachtermaaßen das freiwillige Völkerrecht, ob
dessen Verbindlichkeit gleich den freiwilligen Beitrit zur
Völkergeselschaft voraussezt.
§. 8.

und dem europaͤiſchen insbeſondere.
es, nicht in Ruͤckſicht eines menſchlichen Obern, ſondern
der von den Voͤlkern ſelbſt ſich auferlegten Geſetze. Das
hiſtoriſche wird es endlich zuweilen genant, weil es da-
bey nicht ſowohl auf Vernunftſchluͤſſe, als auf Thatſa-
chen ankomt, die aus der Geſchichte beigebracht werden
muͤſſen.

*] Sa Majeſté [Britanique] heißt es in der Grosbritanni-
ſchen Antwort vom 1ſten April 1780 auf die Ruſſiſche
Declaration vom 28ſten Febr. in Betref der bewafneten
Neutralitaͤt, a réglé ſa conduite envers les puisſances
amies et neutres, d’ après la leur à ſon égard, la con-
formant aux principes les plus clairs et les plus géné-
ralement reconnus du droit des gens qui eſt la ſeule
loi entre les nations qui n’ont point de traité, et à la
teneur de ſes differens engagemens avec d’autres puis-
ſances, lesquels engagemens ont varié cette loi primi-
tive
par des ſtipulations mutuelles et l’ ont varié de
beaucoup, de manières differentes ſelon la volonté et
la convenance
des parties contractantes. ——
**] Wolf, Vattel und Andere zaͤhlen zu dem poſitiven oder
wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechte auch das freiwillige, weil es
eine vermeintliche Einwilligung [conſenſum praeſumtum]
der Voͤlker vorausſetze. Dieſer Meinung kan ich iedoch,
wie ſchon aus dem Vorhergehenden erhellet, nicht beitre-
ten, da nach meinen Begriffen das wilkuͤhrliche oder poſi-
tive Voͤlkerrecht ein Gegenſatz des natuͤrlichen iſt. Unter
dieſem verſtehe ich naͤmlich dieienigen Grundſaͤtze, welche
aus einer algemeinen Quelle durch natuͤrliche und vernuͤnf-
tige Schlusfolgen ſich herleiten laſſen; unter ienem ſolche
Geſetze, deren iedes einer beſondern Publikation durch
Thathandlungen erfordert. Aus erſtern, nicht aus leztern
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deſſen Verbindlichkeit gleich den freiwilligen Beitrit zur
Voͤlkergeſelſchaft vorausſezt.
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[15/0041] und dem europaͤiſchen insbeſondere. es, nicht in Ruͤckſicht eines menſchlichen Obern, ſondern der von den Voͤlkern ſelbſt ſich auferlegten Geſetze. Das hiſtoriſche wird es endlich zuweilen genant, weil es da- bey nicht ſowohl auf Vernunftſchluͤſſe, als auf Thatſa- chen ankomt, die aus der Geſchichte beigebracht werden muͤſſen. *] Sa Majeſté [Britanique] heißt es in der Grosbritanni- ſchen Antwort vom 1ſten April 1780 auf die Ruſſiſche Declaration vom 28ſten Febr. in Betref der bewafneten Neutralitaͤt, a réglé ſa conduite envers les puisſances amies et neutres, d’ après la leur à ſon égard, la con- formant aux principes les plus clairs et les plus géné- ralement reconnus du droit des gens qui eſt la ſeule loi entre les nations qui n’ont point de traité, et à la teneur de ſes differens engagemens avec d’autres puis- ſances, lesquels engagemens ont varié cette loi primi- tive par des ſtipulations mutuelles et l’ ont varié de beaucoup, de manières differentes ſelon la volonté et la convenance des parties contractantes. —— **] Wolf, Vattel und Andere zaͤhlen zu dem poſitiven oder wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechte auch das freiwillige, weil es eine vermeintliche Einwilligung [conſenſum praeſumtum] der Voͤlker vorausſetze. Dieſer Meinung kan ich iedoch, wie ſchon aus dem Vorhergehenden erhellet, nicht beitre- ten, da nach meinen Begriffen das wilkuͤhrliche oder poſi- tive Voͤlkerrecht ein Gegenſatz des natuͤrlichen iſt. Unter dieſem verſtehe ich naͤmlich dieienigen Grundſaͤtze, welche aus einer algemeinen Quelle durch natuͤrliche und vernuͤnf- tige Schlusfolgen ſich herleiten laſſen; unter ienem ſolche Geſetze, deren iedes einer beſondern Publikation durch Thathandlungen erfordert. Aus erſtern, nicht aus leztern fließt obgedachtermaaßen das freiwillige Voͤlkerrecht, ob deſſen Verbindlichkeit gleich den freiwilligen Beitrit zur Voͤlkergeſelſchaft vorausſezt. §. 8.

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/41>, abgerufen am 19.04.2024.