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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von dem Völkerrechte überhaupt,
b] Ern. Aug. Bertling diß. de jure gentium voluntario
Götting.
1745. 4.
*] Die Rechtsgelehrten haben so mancherley zum Theil wi-
dersprechende Begriffe von dieser Gattung des Völkerrechts,
daß deren Anführung und Auseinandersetzung hier zuviel
Platz wegnehmen würde. Ich merke daher nur folgen-
des an:
I] Die hergebrachte Benennung: jus gentium vo-
luntarium
wird im Teutschen, wiewohl sehr unschick-
lich, meistens durch wilkührliches Völkerrecht über-
sezt; da doch, wie der Freyherr von Ompteda in
der Litteratur des Völkerrechts §. 94. not. d. sehr
richtig bemerkt, der Wilkühr der Völker durchaus
nichts dabey überlassen ist, [ausser dem Eintritt in
die Völkergeselschaft]. Er nent es daher das mo-
difizirte natürliche Völkerrecht
, weil durch das-
selbe theils die ursprünglichen Gesetze des natürlichen
Völkerrechts erweitert oder eingeschränkt, theils die
Härte von dessen Grundregeln und Verwilligungen in
vielen Stücken gemildert würden. Mir scheint iedoch
der Ausdruck: freiwilliges, iener lateinischen ein-
mal fast durchgängig angenommenen Benennung am
meisten zu entsprechen. Uebrigens ist nicht zu leug-
nen, daß der vom Grotius und Wolf gewählte et-
was zweideutige Name des juris gentium volunta-
rii
zu vielen Misverständnissen Anlas gegeben hat.
II] Die Quellen des freiwilligen Völkerrechts will ich
zuerst mit den eignen Worten der drey Hauptlehrer
des Völkerrechts hersetzen. Grotius schreibt [Pro-
leg.
§. 17.] also davon: Sicut cuiusque ciuitatis
jura vtilitatem suae civitatis respiciunt; ita inter
civitates aut omnes aut plerasque ex consensu
jura quaedam nasci potuerunt et nata apparet,
quae vtilitatem respicerent non coetuum singu-

Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt,
b] Ern. Aug. Bertling diß. de jure gentium voluntario
Götting.
1745. 4.
*] Die Rechtsgelehrten haben ſo mancherley zum Theil wi-
derſprechende Begriffe von dieſer Gattung des Voͤlkerrechts,
daß deren Anfuͤhrung und Auseinanderſetzung hier zuviel
Platz wegnehmen wuͤrde. Ich merke daher nur folgen-
des an:
I] Die hergebrachte Benennung: jus gentium vo-
luntarium
wird im Teutſchen, wiewohl ſehr unſchick-
lich, meiſtens durch wilkuͤhrliches Voͤlkerrecht uͤber-
ſezt; da doch, wie der Freyherr von Ompteda in
der Litteratur des Voͤlkerrechts §. 94. not. d. ſehr
richtig bemerkt, der Wilkuͤhr der Voͤlker durchaus
nichts dabey uͤberlaſſen iſt, [auſſer dem Eintritt in
die Voͤlkergeſelſchaft]. Er nent es daher das mo-
difizirte natuͤrliche Voͤlkerrecht
, weil durch daſ-
ſelbe theils die urſpruͤnglichen Geſetze des natuͤrlichen
Voͤlkerrechts erweitert oder eingeſchraͤnkt, theils die
Haͤrte von deſſen Grundregeln und Verwilligungen in
vielen Stuͤcken gemildert wuͤrden. Mir ſcheint iedoch
der Ausdruck: freiwilliges, iener lateiniſchen ein-
mal faſt durchgaͤngig angenommenen Benennung am
meiſten zu entſprechen. Uebrigens iſt nicht zu leug-
nen, daß der vom Grotius und Wolf gewaͤhlte et-
was zweideutige Name des juris gentium volunta-
rii
zu vielen Misverſtaͤndniſſen Anlas gegeben hat.
II] Die Quellen des freiwilligen Voͤlkerrechts will ich
zuerſt mit den eignen Worten der drey Hauptlehrer
des Voͤlkerrechts herſetzen. Grotius ſchreibt [Pro-
leg.
§. 17.] alſo davon: Sicut cuiusque ciuitatis
jura vtilitatem ſuae civitatis reſpiciunt; ita inter
civitates aut omnes aut plerasque ex conſenſu
jura quaedam naſci potuerunt et nata apparet,
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[6/0032] Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt, b] Ern. Aug. Bertling diß. de jure gentium voluntario Götting. 1745. 4. *] Die Rechtsgelehrten haben ſo mancherley zum Theil wi- derſprechende Begriffe von dieſer Gattung des Voͤlkerrechts, daß deren Anfuͤhrung und Auseinanderſetzung hier zuviel Platz wegnehmen wuͤrde. Ich merke daher nur folgen- des an: I] Die hergebrachte Benennung: jus gentium vo- luntarium wird im Teutſchen, wiewohl ſehr unſchick- lich, meiſtens durch wilkuͤhrliches Voͤlkerrecht uͤber- ſezt; da doch, wie der Freyherr von Ompteda in der Litteratur des Voͤlkerrechts §. 94. not. d. ſehr richtig bemerkt, der Wilkuͤhr der Voͤlker durchaus nichts dabey uͤberlaſſen iſt, [auſſer dem Eintritt in die Voͤlkergeſelſchaft]. Er nent es daher das mo- difizirte natuͤrliche Voͤlkerrecht, weil durch daſ- ſelbe theils die urſpruͤnglichen Geſetze des natuͤrlichen Voͤlkerrechts erweitert oder eingeſchraͤnkt, theils die Haͤrte von deſſen Grundregeln und Verwilligungen in vielen Stuͤcken gemildert wuͤrden. Mir ſcheint iedoch der Ausdruck: freiwilliges, iener lateiniſchen ein- mal faſt durchgaͤngig angenommenen Benennung am meiſten zu entſprechen. Uebrigens iſt nicht zu leug- nen, daß der vom Grotius und Wolf gewaͤhlte et- was zweideutige Name des juris gentium volunta- rii zu vielen Misverſtaͤndniſſen Anlas gegeben hat. II] Die Quellen des freiwilligen Voͤlkerrechts will ich zuerſt mit den eignen Worten der drey Hauptlehrer des Voͤlkerrechts herſetzen. Grotius ſchreibt [Pro- leg. §. 17.] alſo davon: Sicut cuiusque ciuitatis jura vtilitatem ſuae civitatis reſpiciunt; ita inter civitates aut omnes aut plerasque ex conſenſu jura quaedam naſci potuerunt et nata apparet, quae vtilitatem reſpicerent non coetuum ſingu- lo-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/32>, abgerufen am 25.04.2024.