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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Einleitung.
Von dem Völkerrechte überhaupt und dem europäi-
schen insbesondere.

§. 1.
Begrif des Völkerrechts.

Staaten sind Geselschaften von Personen und Fa-
milien, welche unter einer Oberherschaft verei-
nigt, zu Beförderung gemeinschaftlicher Wohlfarth auf
einem gewissen Erdstriche beisammen wohnen. Indem sie
mit vereinten Kräften nach eignen Grundsätzen und Ab-
sichten handeln, gleichen sie, als moralische Personen,
ienen unabhängigen Menschen im natürlichen Zustande a],
und werden in dieser Rücksicht freie Völker, Nazio-
nen
genant. So wie aber wechselseitiges Bedürfnis
warscheinlich die erste Veranlassung zu Staatsvereinen
gab, wenigstens ihr dauerhaftestes Band ausmacht; so
ist auch wechselseitiges Bedürfnis, was mehrere Völker
in beständiger Verbindung erhält. Aus diesen verschie-
denen Verhältnissen entspringen gewisse Grundsätze,
wornach ganze Völker [oder deren Regenten und einzelne
Glieder, wenn sie aufs Ganze eine Beziehung haben]
ihre Handlungen gegeneinander b] einzurichten pflegen.
Sie machen, insofern sie als Zwangsrechte und Ver-

bind-
A

Einleitung.
Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt und dem europaͤi-
ſchen insbeſondere.

§. 1.
Begrif des Voͤlkerrechts.

Staaten ſind Geſelſchaften von Perſonen und Fa-
milien, welche unter einer Oberherſchaft verei-
nigt, zu Befoͤrderung gemeinſchaftlicher Wohlfarth auf
einem gewiſſen Erdſtriche beiſammen wohnen. Indem ſie
mit vereinten Kraͤften nach eignen Grundſaͤtzen und Ab-
ſichten handeln, gleichen ſie, als moraliſche Perſonen,
ienen unabhaͤngigen Menſchen im natuͤrlichen Zuſtande a],
und werden in dieſer Ruͤckſicht freie Voͤlker, Nazio-
nen
genant. So wie aber wechſelſeitiges Beduͤrfnis
warſcheinlich die erſte Veranlaſſung zu Staatsvereinen
gab, wenigſtens ihr dauerhafteſtes Band ausmacht; ſo
iſt auch wechſelſeitiges Beduͤrfnis, was mehrere Voͤlker
in beſtaͤndiger Verbindung erhaͤlt. Aus dieſen verſchie-
denen Verhaͤltniſſen entſpringen gewiſſe Grundſaͤtze,
wornach ganze Voͤlker [oder deren Regenten und einzelne
Glieder, wenn ſie aufs Ganze eine Beziehung haben]
ihre Handlungen gegeneinander b] einzurichten pflegen.
Sie machen, inſofern ſie als Zwangsrechte und Ver-

bind-
A
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[[1]/0027] Einleitung. Von dem Voͤlkerrechte uͤberhaupt und dem europaͤi- ſchen insbeſondere. §. 1. Begrif des Voͤlkerrechts. Staaten ſind Geſelſchaften von Perſonen und Fa- milien, welche unter einer Oberherſchaft verei- nigt, zu Befoͤrderung gemeinſchaftlicher Wohlfarth auf einem gewiſſen Erdſtriche beiſammen wohnen. Indem ſie mit vereinten Kraͤften nach eignen Grundſaͤtzen und Ab- ſichten handeln, gleichen ſie, als moraliſche Perſonen, ienen unabhaͤngigen Menſchen im natuͤrlichen Zuſtande a], und werden in dieſer Ruͤckſicht freie Voͤlker, Nazio- nen genant. So wie aber wechſelſeitiges Beduͤrfnis warſcheinlich die erſte Veranlaſſung zu Staatsvereinen gab, wenigſtens ihr dauerhafteſtes Band ausmacht; ſo iſt auch wechſelſeitiges Beduͤrfnis, was mehrere Voͤlker in beſtaͤndiger Verbindung erhaͤlt. Aus dieſen verſchie- denen Verhaͤltniſſen entſpringen gewiſſe Grundſaͤtze, wornach ganze Voͤlker [oder deren Regenten und einzelne Glieder, wenn ſie aufs Ganze eine Beziehung haben] ihre Handlungen gegeneinander b] einzurichten pflegen. Sie machen, inſofern ſie als Zwangsrechte und Ver- bind- A

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/27>, abgerufen am 28.03.2024.