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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
Jßmael Sophj ein Persischer König/ hat in seiner
Jugend ebenmässig das Viehe gehütet/ also daß Phi-
lo
der Jud in vita Moysis trefflich wol von der Sach
redet/ wann er sagt: Das Hirten-Ampt sey ein Vor-
bereitung und Anfang zum Regiment; dann gleich
wie die Bellicosa und Martialia Ingenia erstlich auff
der Jagd geübt und angeführt werden/ also soll man
auch die jenige/ so zum Regiment gezogen sollen wer-
den/ erstlich in dem lieblichen und freundlichen Hir-
ten-Ampt anleiten. Welches alles mein Knan wol
verstanden haben muß/ und mir noch biß auff diese
Stund keine geringe Hoffnung zu künfftiger Herr-
lichkeit macht.

Aber indessen wieder zu meiner Heerd zu kommen/
so wisset/ daß ich den Wolff eben so wenig kennet/
als meine eigene Unwissenheit selbsten; derowegen
war mein Knan mit seiner Instruction desto fleissiger:
Er sagte/ Bub biß fleissig/ loß di Schoff nit ze weit
vunananger laffen/ un spill wack er uff der Sackpfeif-
fa/ daß der Wolff nit kom/ und Schada dau/ dann
he yß a solcher feyerboinigter Schelm und Dieb/ der
Menscha und Vieha frisst/ un wan dau awer farlässj
bisst/ so will eich dir da Buckel arauma. Jch ant-
wortet mit gleicher Holdseeligkeit: Knano/ sag
mir aa/ wey der Wolff seyhet? Eich huun
noch kan Wolff gesien: Ah dau grober Esel-
kopp/
replicirt er hinwieder/ dau bleiwest dein
Lewelang a Narr/ geith meich wunner/ was
auß dir wera wird/ bißt schun su a grusser
Dölpel/ un waist noch neit/ was der Wolff
für a fey erfeussiger Schelm iß.
Er gab mir
noch mehr Unterweisungen/ und wurde zuletzt un-

willig

Erſtes Buch.
Jßmael Sophj ein Perſiſcher Koͤnig/ hat in ſeiner
Jugend ebenmaͤſſig das Viehe gehuͤtet/ alſo daß Phi-
lo
der Jud in vita Moyſis trefflich wol von der Sach
redet/ wann er ſagt: Das Hirten-Ampt ſey ein Vor-
bereitung und Anfang zum Regiment; dann gleich
wie die Bellicoſa und Martialia Ingenia erſtlich auff
der Jagd geuͤbt und angefuͤhrt werden/ alſo ſoll man
auch die jenige/ ſo zum Regiment gezogen ſollen wer-
den/ erſtlich in dem lieblichen und freundlichen Hir-
ten-Ampt anleiten. Welches alles mein Knan wol
verſtanden haben muß/ und mir noch biß auff dieſe
Stund keine geringe Hoffnung zu kuͤnfftiger Herꝛ-
lichkeit macht.

Aber indeſſen wieder zu meiner Heerd zu kommen/
ſo wiſſet/ daß ich den Wolff eben ſo wenig kennet/
als meine eigene Unwiſſenheit ſelbſten; derowegen
war mein Knan mit ſeiner Inſtruction deſto fleiſſiger:
Er ſagte/ Bub biß fleiſſig/ loß di Schoff nit ze weit
vunananger laffen/ un ſpill wack er uff der Sackpfeif-
fa/ daß der Wolff nit kom/ und Schada dau/ dann
he yß a ſolcher feyerboinigter Schelm und Dieb/ der
Menſcha und Vieha friſſt/ un wan dau awer farlaͤſſj
biſſt/ ſo will eich dir da Buckel arauma. Jch ant-
wortet mit gleicher Holdſeeligkeit: Knano/ ſag
mir aa/ wey der Wolff ſeyhet? Eich huun
noch kan Wolff geſien: Ah dau grober Eſel-
kopp/
replicirt er hinwieder/ dau bleiweſt dein
Lewelang a Narꝛ/ geith meich wunner/ was
auß dir wera wird/ bißt ſchun ſu a gruſſer
Doͤlpel/ un waiſt noch neit/ was der Wolff
fuͤr a fey erfeuſſiger Schelm iß.
Er gab mir
noch mehr Unterweiſungen/ und wurde zuletzt un-

willig
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[13/0019] Erſtes Buch. Jßmael Sophj ein Perſiſcher Koͤnig/ hat in ſeiner Jugend ebenmaͤſſig das Viehe gehuͤtet/ alſo daß Phi- lo der Jud in vita Moyſis trefflich wol von der Sach redet/ wann er ſagt: Das Hirten-Ampt ſey ein Vor- bereitung und Anfang zum Regiment; dann gleich wie die Bellicoſa und Martialia Ingenia erſtlich auff der Jagd geuͤbt und angefuͤhrt werden/ alſo ſoll man auch die jenige/ ſo zum Regiment gezogen ſollen wer- den/ erſtlich in dem lieblichen und freundlichen Hir- ten-Ampt anleiten. Welches alles mein Knan wol verſtanden haben muß/ und mir noch biß auff dieſe Stund keine geringe Hoffnung zu kuͤnfftiger Herꝛ- lichkeit macht. Aber indeſſen wieder zu meiner Heerd zu kommen/ ſo wiſſet/ daß ich den Wolff eben ſo wenig kennet/ als meine eigene Unwiſſenheit ſelbſten; derowegen war mein Knan mit ſeiner Inſtruction deſto fleiſſiger: Er ſagte/ Bub biß fleiſſig/ loß di Schoff nit ze weit vunananger laffen/ un ſpill wack er uff der Sackpfeif- fa/ daß der Wolff nit kom/ und Schada dau/ dann he yß a ſolcher feyerboinigter Schelm und Dieb/ der Menſcha und Vieha friſſt/ un wan dau awer farlaͤſſj biſſt/ ſo will eich dir da Buckel arauma. Jch ant- wortet mit gleicher Holdſeeligkeit: Knano/ ſag mir aa/ wey der Wolff ſeyhet? Eich huun noch kan Wolff geſien: Ah dau grober Eſel- kopp/ replicirt er hinwieder/ dau bleiweſt dein Lewelang a Narꝛ/ geith meich wunner/ was auß dir wera wird/ bißt ſchun ſu a gruſſer Doͤlpel/ un waiſt noch neit/ was der Wolff fuͤr a fey erfeuſſiger Schelm iß. Er gab mir noch mehr Unterweiſungen/ und wurde zuletzt un- willig

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/19>, abgerufen am 28.03.2024.