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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
statt deß unfruchtbaren Schifers/ kalten Bley/ und
roten Kupffers/ mit Stroh bedeckt/ darauff das edel
Getraid wächst; und damit er/ mein Knan/ mit sei-
nem Adel und Reichthum recht prangen möchte/ ließ
er die Mauer umb sein Schloß nicht mit Mauerstei-
nen/ die man am Weg findet/ oder an unfruchtbaren
Orten auß der Erden gräbt/ viel weniger mit lieder-
lichen gebachenen Steinen/ die in geringer Zeit ver-
fertigt und gebrändt werden können/ wie andere gros-
se Herren zu thun pflegen/ auffführen; sondern er
nam Eichenholtz darzu welcher nutzliche edle Baum/
als worauff Bratwürfte und fette Schuncken wach-
sen/ biß zu seinem vollständigen Alter über 100. Jahr
erfordert: Wo ist ein Monarch/ der ihm dergleichen
nachthut? Seine Zimmer/ Sääl und Gemächer
hatte er inwendig vom Rauch gantz erschwartzen las-
sen/ nur darumb/ dieweil diß die beständigste Farb
von der Welt ist/ und dergleichen Gemähld biß zu
seiner Perfection mehr Zeit brauchet/ als ein künstli-
cher Mahler zu seinen trefflichsten Kunststücken erfor-
dert; Die Tapezereyen waren das zärteste Geweb
auff dem gantzen Erdboden/ dann die jenige machte
uns solche/ die sich vor Alters vermaß/ mit der Mi-
nerva
selbst umb die Wett zu spinnen; Seine Fenster
waren keiner anderer Ursachen halber dem Sandt
Nitglaß gewidmet/ als darumb/ dieweil er wuste/
daß ein solches vom Hanff oder Flachssamen an zu
rechnen/ biß es zu seiner vollkommenen Verfertigung
gelangt/ weit mehrere Zeit und Arbeit kostet/ als das
beste und durchsichtigste Glas von Muran/ dann
sein Stand macht ihm ein Belieben zu glauben/ daß
alles das jenige/ was durch viel Mühe zu wegen ge-

bracht

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
ſtatt deß unfruchtbaren Schifers/ kalten Bley/ und
roten Kupffers/ mit Stroh bedeckt/ darauff das edel
Getraid waͤchſt; und damit er/ mein Knan/ mit ſei-
nem Adel und Reichthum recht prangen moͤchte/ ließ
er die Mauer umb ſein Schloß nicht mit Mauerſtei-
nen/ die man am Weg findet/ oder an unfruchtbaren
Orten auß der Erden graͤbt/ viel weniger mit lieder-
lichen gebachenen Steinen/ die in geringer Zeit ver-
fertigt und gebraͤndt werden koͤnnen/ wie andere groſ-
ſe Herꝛen zu thun pflegen/ aufffuͤhren; ſondern er
nam Eichenholtz darzu welcher nutzliche edle Baum/
als worauff Bratwuͤrfte und fette Schuncken wach-
ſen/ biß zu ſeinem vollſtaͤndigen Alter uͤber 100. Jahr
erfordert: Wo iſt ein Monarch/ der ihm dergleichen
nachthut? Seine Zimmer/ Saͤaͤl und Gemaͤcher
hatte er inwendig vom Rauch gantz erſchwartzen laſ-
ſen/ nur darumb/ dieweil diß die beſtaͤndigſte Farb
von der Welt iſt/ und dergleichen Gemaͤhld biß zu
ſeiner Perfection mehr Zeit brauchet/ als ein kuͤnſtli-
cher Mahler zu ſeinen trefflichſten Kunſtſtuͤcken erfor-
dert; Die Tapezereyen waren das zaͤrteſte Geweb
auff dem gantzen Erdboden/ dann die jenige machte
uns ſolche/ die ſich vor Alters vermaß/ mit der Mi-
nerva
ſelbſt umb die Wett zu ſpinnen; Seine Fenſter
waren keiner anderer Urſachen halber dem Sandt
Nitglaß gewidmet/ als darumb/ dieweil er wuſte/
daß ein ſolches vom Hanff oder Flachsſamen an zu
rechnen/ biß es zu ſeiner vollkommenen Verfertigung
gelangt/ weit mehrere Zeit und Arbeit koſtet/ als das
beſte und durchſichtigſte Glas von Muran/ dann
ſein Stand macht ihm ein Belieben zu glauben/ daß
alles das jenige/ was durch viel Muͤhe zu wegen ge-

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[8/0014] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi ſtatt deß unfruchtbaren Schifers/ kalten Bley/ und roten Kupffers/ mit Stroh bedeckt/ darauff das edel Getraid waͤchſt; und damit er/ mein Knan/ mit ſei- nem Adel und Reichthum recht prangen moͤchte/ ließ er die Mauer umb ſein Schloß nicht mit Mauerſtei- nen/ die man am Weg findet/ oder an unfruchtbaren Orten auß der Erden graͤbt/ viel weniger mit lieder- lichen gebachenen Steinen/ die in geringer Zeit ver- fertigt und gebraͤndt werden koͤnnen/ wie andere groſ- ſe Herꝛen zu thun pflegen/ aufffuͤhren; ſondern er nam Eichenholtz darzu welcher nutzliche edle Baum/ als worauff Bratwuͤrfte und fette Schuncken wach- ſen/ biß zu ſeinem vollſtaͤndigen Alter uͤber 100. Jahr erfordert: Wo iſt ein Monarch/ der ihm dergleichen nachthut? Seine Zimmer/ Saͤaͤl und Gemaͤcher hatte er inwendig vom Rauch gantz erſchwartzen laſ- ſen/ nur darumb/ dieweil diß die beſtaͤndigſte Farb von der Welt iſt/ und dergleichen Gemaͤhld biß zu ſeiner Perfection mehr Zeit brauchet/ als ein kuͤnſtli- cher Mahler zu ſeinen trefflichſten Kunſtſtuͤcken erfor- dert; Die Tapezereyen waren das zaͤrteſte Geweb auff dem gantzen Erdboden/ dann die jenige machte uns ſolche/ die ſich vor Alters vermaß/ mit der Mi- nerva ſelbſt umb die Wett zu ſpinnen; Seine Fenſter waren keiner anderer Urſachen halber dem Sandt Nitglaß gewidmet/ als darumb/ dieweil er wuſte/ daß ein ſolches vom Hanff oder Flachsſamen an zu rechnen/ biß es zu ſeiner vollkommenen Verfertigung gelangt/ weit mehrere Zeit und Arbeit koſtet/ als das beſte und durchſichtigſte Glas von Muran/ dann ſein Stand macht ihm ein Belieben zu glauben/ daß alles das jenige/ was durch viel Muͤhe zu wegen ge- bracht

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/14>, abgerufen am 19.04.2024.