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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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den Leuten dieß Orts zu communicirn vorhabens;
welches dann nichts anders ist/ als ein Exempel zu
weisen/ wie auß einen geringen Füncklein allgemach
ein groß Feur werde/ wann man die Vorsichtigkeit
nicht beobachtet; dann gleich wie selten jemand in
dieser Welt auff einmal den höchsten Gradum der
Heiligkeit erlangt/ also wird auch keiner gehling und
so zusagen in einem Augenblick auß einem Frommen
zu einem Schelmen/ sonder jeder theil steigt allge-
mach/ sacht und sach fein Staffel weiß hinan;
welche Staffeln deß Verberbens dann in diesem mei-
nem Geschichte billich nicht ausser Acht zulassen/ da-
mit sich ein jeder zeitlich darvor zuhütten wisse; zu
welchem end ich dann vornembliche solche beschrei-
be; massen es diesen beyden Jünglingen gangen wie
einem jungen Stück Wild/ welches/ wann es den
Jäger siehet/ anfänglich nicht weiß ob es fliehen oder
stehen soll/ oder doch ehender gefällt wird/ als es den
Schützen erkennet; zwar giengen sie etwas geschwin-
der als gewöhulich/ ins Netz/ aber solches war die Ur-
sach/ daß bey jedem der Zunder bequem war/ die Fun-
cken des einen und andern Lasters also gleich zufan-
gen; dann wie das junge Viehe/ wann es wel auß-
gewintert ist/ und im Früling auß dem vertrüßlichen
Stall auff die lustige Waydt gelassen wird/ anfahet
zu gumpen/ und solte es auch zu seinem Verderben
in einen Spalt: oder Zaunstecken springen/ also
machts auch die unbesonnene Jugend/ wann sie sich
nicht mehr unter der Ruthen vätterlicher Zucht:
Sonder auß der Eltern Augen in der lang er-
wünschten Freyheit befindet: Als deren gemeinig-
lich Erfahrenheit und Vorsichtigkeit manglet.

Das obgemeldte sagte die Hoffart nicht nur vor

die

den Leuten dieß Orts zu communicirn vorhabens;
welches dann nichts anders iſt/ als ein Exempel zu
weiſen/ wie auß einen geringen Fuͤncklein allgemach
ein groß Feur werde/ wann man die Vorſichtigkeit
nicht beobachtet; dann gleich wie ſelten jemand in
dieſer Welt auff einmal den hoͤchſten Gradum der
Heiligkeit erlangt/ alſo wird auch keiner gehling und
ſo zuſagen in einem Augenblick auß einem Frommen
zu einem Schelmen/ ſonder jeder theil ſteigt allge-
mach/ ſacht und ſach fein Staffel weiß hinan;
welche Staffeln deß Verberbens dann in dieſem mei-
nem Geſchichte billich nicht auſſer Acht zulaſſen/ da-
mit ſich ein jeder zeitlich darvor zuhuͤtten wiſſe; zu
welchem end ich dann vornembliche ſolche beſchrei-
be; maſſen es dieſen beyden Juͤnglingen gangen wie
einem jungen Stuͤck Wild/ welches/ wann es den
Jaͤger ſiehet/ anfaͤnglich nicht weiß ob es fliehen oder
ſtehen ſoll/ oder doch ehender gefaͤllt wird/ als es den
Schuͤtzen erkennet; zwar giengen ſie etwas geſchwin-
der als gewoͤhulich/ ins Netz/ aber ſolches war die Ur-
ſach/ daß bey jedem der Zunder bequem war/ die Fun-
cken des einen und andern Laſters alſo gleich zufan-
gen; dann wie das junge Viehe/ wann es wel auß-
gewintert iſt/ und im Fruͤling auß dem vertruͤßlichen
Stall auff die luſtige Waydt gelaſſen wird/ anfahet
zu gumpen/ und ſolte es auch zu ſeinem Verderben
in einen Spalt: oder Zaunſtecken ſpringen/ alſo
machts auch die unbeſonnene Jugend/ wann ſie ſich
nicht mehr unter der Ruthen vaͤtterlicher Zucht:
Sonder auß der Eltern Augen in der lang er-
wuͤnſchten Freyheit befindet: Als deren gemeinig-
lich Erfahrenheit und Vorſichtigkeit manglet.

Das obgemeldte ſagte die Hoffart nicht nur vor

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/34>, abgerufen am 25.04.2024.