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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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ist keiner unter euch allen der solches recht behertzige!
Jsts uns nicht allen eine Schand/ daß wir die weni-
ge Täglin welche die Welt noch vor sich hat/ so li-
derlich verstreichen lassen? ihr schläfferige Maul-
affen/ wist ihr nicht daß wir in dieser letzten Zeit un-
sere reichste Erndt haben sollen? das ist mir gegen
dem Endt der Welt auff Erden schön dominirt,
wann wir wie die alte Hund zur Jacht vertrossen
und untüchtig werden wollen; der Anfang und Fort-
gang deß Kriegs sahe unserm verhofften Fetten-
schnitt zwar gleich/ was haben wir aber jetzt zuhoffen?
da Mars Europam biß auff Polen quitirt/ dem ler-
na malorum
auff dem Fuß nachzufolgen pflegt.

Als er diese Meynung vor Boßheit und Zorn
mehr herauß gedonnert: Als geredet hatte/ wolte
er die vorige Wuth wieder angehen; aber Belial
machte daß er sichs noch enthielte/ da er sagte/ wir
müssen deßwegen den Muth nicht sincken lassen/
noch sich gleich stellen wie die schwachen Menschen
die ein wiederwertiger Wind anbläst/ weist du nicht/
O grosser Fürst/ daß mehr durch den Wein als
durchs Schwerdt fallen? solte dem Menschen/ und
zwar den Christen/ ein geruhigen Fried/ welcher den
Wollust auff dem Rucken mit sich bringt/ nicht
schädlicher seyn als Mars? ist nicht gnug bekandt/
daß die Tugenden der Braut Christi nie heller leuch-
ten als mitten in höchstem Trübsal? mein Wunsch
und Will aber ist/ antwortet Lucifer/ daß die Men-
schen sowohl in ihrem zeitlichen Leben in lauter Un-
glück: Als nach ihrem Hinsterben in ewiger Qual
seyn sollen; dahingegen unsere Saumsahl endlich
zugeben wird/ daß sie zeitliche Wohlfart geniessen:
Und endlich noch darzu die ewige Seeligkeit besitzen

wer-
A vij

iſt keiner unter euch allen der ſolches recht behertzige!
Jſts uns nicht allen eine Schand/ daß wir die weni-
ge Taͤglin welche die Welt noch vor ſich hat/ ſo li-
derlich verſtreichen laſſen? ihr ſchlaͤfferige Maul-
affen/ wiſt ihr nicht daß wir in dieſer letzten Zeit un-
ſere reichſte Erndt haben ſollen? das iſt mir gegen
dem Endt der Welt auff Erden ſchoͤn dominirt,
wann wir wie die alte Hund zur Jacht vertroſſen
und untuͤchtig werden wollen; der Anfang und Fort-
gang deß Kriegs ſahe unſerm verhofften Fetten-
ſchnitt zwar gleich/ was haben wir aber jetzt zuhoffen?
da Mars Europam biß auff Polen quitirt/ dem ler-
na malorum
auff dem Fuß nachzufolgen pflegt.

Als er dieſe Meynung vor Boßheit und Zorn
mehr herauß gedonnert: Als geredet hatte/ wolte
er die vorige Wuth wieder angehen; aber Belial
machte daß er ſichs noch enthielte/ da er ſagte/ wir
muͤſſen deßwegen den Muth nicht ſincken laſſen/
noch ſich gleich ſtellen wie die ſchwachen Menſchen
die ein wiederwertiger Wind anblaͤſt/ weiſt du nicht/
O groſſer Fuͤrſt/ daß mehr durch den Wein als
durchs Schwerdt fallen? ſolte dem Menſchen/ und
zwar den Chriſten/ ein geruhigen Fried/ welcher den
Wolluſt auff dem Rucken mit ſich bringt/ nicht
ſchaͤdlicher ſeyn als Mars? iſt nicht gnug bekandt/
daß die Tugenden der Braut Chriſti nie heller leuch-
ten als mitten in hoͤchſtem Truͤbſal? mein Wunſch
und Will aber iſt/ antwortet Lucifer/ daß die Men-
ſchen ſowohl in ihrem zeitlichen Leben in lauter Un-
gluͤck: Als nach ihrem Hinſterben in ewiger Qual
ſeyn ſollen; dahingegen unſere Saumſahl endlich
zugeben wird/ daß ſie zeitliche Wohlfart genieſſen:
Und endlich noch darzu die ewige Seeligkeit beſitzen

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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/17>, abgerufen am 20.04.2024.