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Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669.

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mich der Geitz an/ in dem mein Stand/ den ich mir
selbst frey willig erwöhlet/ von mir erfordert/ in Ar-
muth und Dörfftigkeit zuleben? aber O Thorheit/
ich war dannoch so hart verbaist/ solches zuwissen/
daß ich mir dieselbige Gedancken nicht mehr auß-
schlagen kondte/ sonder darüber einschlummerte!
womit einer wachent handiert/ damit pflegt einer
gemeiniglich auch traument vexirt zu werden/ und
solches wiederfuhr mir damals auch! dann so bald
ich die Augen zugethan hatte/ sahe ich in einer tieffen
abscheulichen klingenden höllischen Groß-Fürsten
Luciferum zwar auff seinem Regiments-Stul si-
tzen/ aber mit einer Ketten angebunden/ daß er seines
Gefallens in der Welt nicht wütten köndte; die viele
der höllischen Geister mit denen er umbgeben/ be-
gnügten durch ihr fleissigs auffwarten/ die gröste sei-
ner höllischen Macht/ als ich nun dieses Hoff-Ge-
sind betrachtete/ kam ohnversehens ein schneller Po-
stilion durch die Lufft geflogen/ der liese sich vorm
Lucifer nider und sagte/ O grosser Fürst/ der ge-
schlossene teutsche Frieden hat bey nahe gantz Euro-
pam
wiederumb in Ruhe gesetzt; das Gloria in ex-
celsis
und Te Deum Laudamus erschallet aller Or-
ten gen Himmel/ und jedermann wird sich befleis-
sen unter seinem Weinstock und Feigenbaum hin-
forder GOtt zu dienen so bald Lucifer diese Zeitung
kriegte/ erschrack er anfänglich ja so sehr/ als hefftig
er den Menschen solche Glückseeligkeit mißgönnet;
in dem er sich aber wieder ein wenig erhollete/ und
bey ihm selbst erwas/ was vor Nachtheil und Scha-
den sein höllisches Reich am bißhero gewohnten in-
teresse
leyden müste/ grießgrammet er schröcklich!

er
A vj

mich der Geitz an/ in dem mein Stand/ den ich mir
ſelbſt frey willig erwoͤhlet/ von mir erfordert/ in Ar-
muth und Doͤrfftigkeit zuleben? aber O Thorheit/
ich war dannoch ſo hart verbaiſt/ ſolches zuwiſſen/
daß ich mir dieſelbige Gedancken nicht mehr auß-
ſchlagen kondte/ ſonder daruͤber einſchlummerte!
womit einer wachent handiert/ damit pflegt einer
gemeiniglich auch traument vexirt zu werden/ und
ſolches wiederfuhr mir damals auch! dann ſo bald
ich die Augen zugethan hatte/ ſahe ich in einer tieffen
abſcheulichen klingenden hoͤlliſchen Groß-Fuͤrſten
Luciferum zwar auff ſeinem Regiments-Stul ſi-
tzen/ aber mit einer Ketten angebunden/ daß er ſeines
Gefallens in der Welt nicht wuͤtten koͤndte; die viele
der hoͤlliſchen Geiſter mit denen er umbgeben/ be-
gnuͤgten durch ihr fleiſſigs auffwarten/ die groͤſte ſei-
ner hoͤlliſchen Macht/ als ich nun dieſes Hoff-Ge-
ſind betrachtete/ kam ohnverſehens ein ſchneller Po-
ſtilion durch die Lufft geflogen/ der lieſe ſich vorm
Lucifer nider und ſagte/ O groſſer Fuͤrſt/ der ge-
ſchloſſene teutſche Frieden hat bey nahe gantz Euro-
pam
wiederumb in Ruhe geſetzt; das Gloria in ex-
celſis
und Te Deum Laudamus erſchallet aller Or-
ten gen Himmel/ und jedermann wird ſich befleiſ-
ſen unter ſeinem Weinſtock und Feigenbaum hin-
forder GOtt zu dienen ſo bald Lucifer dieſe Zeitung
kriegte/ erſchrack er anfaͤnglich ja ſo ſehr/ als hefftig
er den Menſchen ſolche Gluͤckſeeligkeit mißgoͤnnet;
in dem er ſich aber wieder ein wenig erhollete/ und
bey ihm ſelbſt erwas/ was vor Nachtheil und Scha-
den ſein hoͤlliſches Reich am bißhero gewohnten in-
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leyden muͤſte/ grießgrammet er ſchroͤcklich!

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A vj
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Zitationshilfe: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi Oder Der Schluß desselben. Nürnberg, 1669, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_continuatio_1669/15>, abgerufen am 25.04.2024.