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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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von der Mümling kurz vor ihrer Mündung auf der rechten Seite längs einem Bächlein gegen Lützelbach hinaufzieht; "der Römergrund", und ein Brunnen am obern Ende "der Römerbrunnen."

Jedenfalls hat der Aufenthalt der Römer dazu beigetragen, dass der Odenwald früher angebaut wurde, als es sonst geschehen wäre. Man erkennt übrigens aus der in vielen Dörfern des Odenwaldes noch bestehenden Hubenverfassung, dass der Anbau später regelmässig angeordnet wurde. Huben nennt man lange Güterstriche, welche von der einen Gränze der Dorfgemarkung durch das Dorf bis an die entgegengesetzte Gränze parallel neben einander hinziehen. Wahrscheinlich erhielt ursprünglich jeder Anbauer einen solchen Strich Landes. Da er sich gewöhnlich des Wassers wegen an der tiefern Stelle seine Wohnung errichtete, wobei jeder natürlich auf seinem Grund und Boden blieb, so entstanden dadurch eine Menge einzelner Bauernhöfe, die in einer gewissen Entfernung von einander lagen, und zu Dörfern vereinigt, durch diese zerstreute Lage sehr lange Orte bildeten. Die Länge mancher Dörfer ist darum zum Sprichworte geworden. Jeder Bauer hatte am Ende seiner Hube ein Stück Wald. Die Strecken, wo keine Ansiedlungen zu machen waren, wurden ihnen als Gemeindewaldungen zugetheilt, oder der Staat behielt sie.

Die Huben hatten ihre Namen von ihren Besitzern, und in der Regel trat sie der Familienvater im Alter an den ältesten Sohn ab, oder dieser war nach seinem Tode der Erbe derselben, während sich die übrigen Geschwister mit einem Theile der beweglichen Habe und dem geringen Werthanschlage des Gutes begnügen mussten, den der Haupterbe an sie bezahlte. Daher kam es, dass oft Schwestern und Brüder die Taglöhner des ältesten Bruders waren. In neuerer Zeit verschwinden diese Majorate, und häufig werden die Huben dem Erben, der sie übernimmt, zum wahren Werthe angeschlagen, oder sie werden getheilt. Auch die Pfarrei und die Herrschaft besitzt oft solche Huben, die entweder als Dotation der Pfarrei ausgeschieden waren, oder als Vermächtniss von ausgestorbenen Familien herrühren.

Bei Weitem der grössere Theil des Odenwaldes kam durch den Lüneviller Friedensschluss an das Grossherzogthum Hessen, der kleinere aber mit der diesseitigen Pfalz an Baden. Von Hessischer Seite wurde in neuerer Zeit sehr viel für den Verkehr

von der Mümling kurz vor ihrer Mündung auf der rechten Seite längs einem Bächlein gegen Lützelbach hinaufzieht; „der Römergrund“, und ein Brunnen am obern Ende „der Römerbrunnen.“

Jedenfalls hat der Aufenthalt der Römer dazu beigetragen, dass der Odenwald früher angebaut wurde, als es sonst geschehen wäre. Man erkennt übrigens aus der in vielen Dörfern des Odenwaldes noch bestehenden Hubenverfassung, dass der Anbau später regelmässig angeordnet wurde. Huben nennt man lange Güterstriche, welche von der einen Gränze der Dorfgemarkung durch das Dorf bis an die entgegengesetzte Gränze parallel neben einander hinziehen. Wahrscheinlich erhielt ursprünglich jeder Anbauer einen solchen Strich Landes. Da er sich gewöhnlich des Wassers wegen an der tiefern Stelle seine Wohnung errichtete, wobei jeder natürlich auf seinem Grund und Boden blieb, so entstanden dadurch eine Menge einzelner Bauernhöfe, die in einer gewissen Entfernung von einander lagen, und zu Dörfern vereinigt, durch diese zerstreute Lage sehr lange Orte bildeten. Die Länge mancher Dörfer ist darum zum Sprichworte geworden. Jeder Bauer hatte am Ende seiner Hube ein Stück Wald. Die Strecken, wo keine Ansiedlungen zu machen waren, wurden ihnen als Gemeindewaldungen zugetheilt, oder der Staat behielt sie.

Die Huben hatten ihre Namen von ihren Besitzern, und in der Regel trat sie der Familienvater im Alter an den ältesten Sohn ab, oder dieser war nach seinem Tode der Erbe derselben, während sich die übrigen Geschwister mit einem Theile der beweglichen Habe und dem geringen Werthanschlage des Gutes begnügen mussten, den der Haupterbe an sie bezahlte. Daher kam es, dass oft Schwestern und Brüder die Taglöhner des ältesten Bruders waren. In neuerer Zeit verschwinden diese Majorate, und häufig werden die Huben dem Erben, der sie übernimmt, zum wahren Werthe angeschlagen, oder sie werden getheilt. Auch die Pfarrei und die Herrschaft besitzt oft solche Huben, die entweder als Dotation der Pfarrei ausgeschieden waren, oder als Vermächtniss von ausgestorbenen Familien herrühren.

Bei Weitem der grössere Theil des Odenwaldes kam durch den Lüneviller Friedensschluss an das Grossherzogthum Hessen, der kleinere aber mit der diesseitigen Pfalz an Baden. Von Hessischer Seite wurde in neuerer Zeit sehr viel für den Verkehr

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[7/0007] von der Mümling kurz vor ihrer Mündung auf der rechten Seite längs einem Bächlein gegen Lützelbach hinaufzieht; „der Römergrund“, und ein Brunnen am obern Ende „der Römerbrunnen.“ Jedenfalls hat der Aufenthalt der Römer dazu beigetragen, dass der Odenwald früher angebaut wurde, als es sonst geschehen wäre. Man erkennt übrigens aus der in vielen Dörfern des Odenwaldes noch bestehenden Hubenverfassung, dass der Anbau später regelmässig angeordnet wurde. Huben nennt man lange Güterstriche, welche von der einen Gränze der Dorfgemarkung durch das Dorf bis an die entgegengesetzte Gränze parallel neben einander hinziehen. Wahrscheinlich erhielt ursprünglich jeder Anbauer einen solchen Strich Landes. Da er sich gewöhnlich des Wassers wegen an der tiefern Stelle seine Wohnung errichtete, wobei jeder natürlich auf seinem Grund und Boden blieb, so entstanden dadurch eine Menge einzelner Bauernhöfe, die in einer gewissen Entfernung von einander lagen, und zu Dörfern vereinigt, durch diese zerstreute Lage sehr lange Orte bildeten. Die Länge mancher Dörfer ist darum zum Sprichworte geworden. Jeder Bauer hatte am Ende seiner Hube ein Stück Wald. Die Strecken, wo keine Ansiedlungen zu machen waren, wurden ihnen als Gemeindewaldungen zugetheilt, oder der Staat behielt sie. Die Huben hatten ihre Namen von ihren Besitzern, und in der Regel trat sie der Familienvater im Alter an den ältesten Sohn ab, oder dieser war nach seinem Tode der Erbe derselben, während sich die übrigen Geschwister mit einem Theile der beweglichen Habe und dem geringen Werthanschlage des Gutes begnügen mussten, den der Haupterbe an sie bezahlte. Daher kam es, dass oft Schwestern und Brüder die Taglöhner des ältesten Bruders waren. In neuerer Zeit verschwinden diese Majorate, und häufig werden die Huben dem Erben, der sie übernimmt, zum wahren Werthe angeschlagen, oder sie werden getheilt. Auch die Pfarrei und die Herrschaft besitzt oft solche Huben, die entweder als Dotation der Pfarrei ausgeschieden waren, oder als Vermächtniss von ausgestorbenen Familien herrühren. Bei Weitem der grössere Theil des Odenwaldes kam durch den Lüneviller Friedensschluss an das Grossherzogthum Hessen, der kleinere aber mit der diesseitigen Pfalz an Baden. Von Hessischer Seite wurde in neuerer Zeit sehr viel für den Verkehr

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/7>, abgerufen am 28.03.2024.