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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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Mühe erfordert, bis sie nur den geringen noch für Augen stehenden Anfang gemacht, als seie es verblieben." Demungeachtet möchten wir den Grund, warum diese Sägeschnitte darein gemacht wurden, nicht in einem solchen wahnwitzigen Versuche finden, sondern uns eher dem einfachen Glauben hingeben, die Werksleute hätten sich selbst diese Einschnitte zu dem Ende gemacht, um sich damit anzudeuten, wie weit sie noch von dem Steine abarbeiten müssten, um ihm seine völlige Rundung zu geben.

Die Länge dieser Säule beträgt zwischen 31 und 32 Fuss, ihr unterer Durchmesser 41/2, der obere nicht ganz 4 Fuss. Höhe und Dicke hat also ein ziemlich angemessenes Verhältniss. Dennoch will man behaupten, es sei ein Stück davon abgesprengt. Schneider und Wenk führen in ihren Geschichtswerken an, in Beedenkirchen liege diess Stück, und es messe 11-12 Fuss. Diese Angabe ist irrig. Ein solches Säulenfragment findet sich weder heute, noch fand es sich in den letzten dreissig Jahren in dem genannten Dorfe. Ein kleineres Fragment fand sich wohl einst in Reichenbach. Der Schandpfahl war dabei eingegraben, und es diente den zum Halseisen Verurtheilten zum Fussgestelle. Allein es ist nicht nur möglich, sondern beinahe gewiss, dass dieser Stein kein abgesprengtes Stück von der Riesensäule, sondern nur ein ähnlicher war.

Wollte man annehmen, dass alle diese Stücke ursprünglich zu einer Säule gehört haben, so müsste diese dann 48-50 Fuss hoch gewesen sein, und Höhe und Dicke hätte in keinem Verhältnisse gestanden. Aber sollte man einer Zeit, welche den Unternehmungsgeist und die Mittel zur Ausführung eines solchen Werkes besass, nicht auch die Kenntniss richtiger Verhältnisse zutrauen? Man könnte wohl eher versucht sein, solche Trümmer, wenn wirklich mehrere derselben vorhanden waren, als die Stücke einer andern, durch irgend einen Zufall verunglückten ähnlichen Säule zu halten. Denn dass die Riesensäule nicht der einzige Versuch dieser Art und in Bearbeitung des Granits an dieser Stelle gewesen, davon kann man sich ganz in der Nähe auf der andern Seite des Waldpfades überzeugen. Dort liegt der sogenannte Riesenaltar, ein grosser schon zugerichteter und in Arbeit genommener Granitblock, der vielleicht das stufenartige Piedestal der Säule werden sollte. Man sieht übrigens nicht allein an ihm, sondern

Mühe erfordert, bis sie nur den geringen noch für Augen stehenden Anfang gemacht, als seie es verblieben.“ Demungeachtet möchten wir den Grund, warum diese Sägeschnitte darein gemacht wurden, nicht in einem solchen wahnwitzigen Versuche finden, sondern uns eher dem einfachen Glauben hingeben, die Werksleute hätten sich selbst diese Einschnitte zu dem Ende gemacht, um sich damit anzudeuten, wie weit sie noch von dem Steine abarbeiten müssten, um ihm seine völlige Rundung zu geben.

Die Länge dieser Säule beträgt zwischen 31 und 32 Fuss, ihr unterer Durchmesser 4½, der obere nicht ganz 4 Fuss. Höhe und Dicke hat also ein ziemlich angemessenes Verhältniss. Dennoch will man behaupten, es sei ein Stück davon abgesprengt. Schneider und Wenk führen in ihren Geschichtswerken an, in Beedenkirchen liege diess Stück, und es messe 11–12 Fuss. Diese Angabe ist irrig. Ein solches Säulenfragment findet sich weder heute, noch fand es sich in den letzten dreissig Jahren in dem genannten Dorfe. Ein kleineres Fragment fand sich wohl einst in Reichenbach. Der Schandpfahl war dabei eingegraben, und es diente den zum Halseisen Verurtheilten zum Fussgestelle. Allein es ist nicht nur möglich, sondern beinahe gewiss, dass dieser Stein kein abgesprengtes Stück von der Riesensäule, sondern nur ein ähnlicher war.

Wollte man annehmen, dass alle diese Stücke ursprünglich zu einer Säule gehört haben, so müsste diese dann 48–50 Fuss hoch gewesen sein, und Höhe und Dicke hätte in keinem Verhältnisse gestanden. Aber sollte man einer Zeit, welche den Unternehmungsgeist und die Mittel zur Ausführung eines solchen Werkes besass, nicht auch die Kenntniss richtiger Verhältnisse zutrauen? Man könnte wohl eher versucht sein, solche Trümmer, wenn wirklich mehrere derselben vorhanden waren, als die Stücke einer andern, durch irgend einen Zufall verunglückten ähnlichen Säule zu halten. Denn dass die Riesensäule nicht der einzige Versuch dieser Art und in Bearbeitung des Granits an dieser Stelle gewesen, davon kann man sich ganz in der Nähe auf der andern Seite des Waldpfades überzeugen. Dort liegt der sogenannte Riesenaltar, ein grosser schon zugerichteter und in Arbeit genommener Granitblock, der vielleicht das stufenartige Piedestal der Säule werden sollte. Man sieht übrigens nicht allein an ihm, sondern

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[47/0047] Mühe erfordert, bis sie nur den geringen noch für Augen stehenden Anfang gemacht, als seie es verblieben.“ Demungeachtet möchten wir den Grund, warum diese Sägeschnitte darein gemacht wurden, nicht in einem solchen wahnwitzigen Versuche finden, sondern uns eher dem einfachen Glauben hingeben, die Werksleute hätten sich selbst diese Einschnitte zu dem Ende gemacht, um sich damit anzudeuten, wie weit sie noch von dem Steine abarbeiten müssten, um ihm seine völlige Rundung zu geben. Die Länge dieser Säule beträgt zwischen 31 und 32 Fuss, ihr unterer Durchmesser 4½, der obere nicht ganz 4 Fuss. Höhe und Dicke hat also ein ziemlich angemessenes Verhältniss. Dennoch will man behaupten, es sei ein Stück davon abgesprengt. Schneider und Wenk führen in ihren Geschichtswerken an, in Beedenkirchen liege diess Stück, und es messe 11–12 Fuss. Diese Angabe ist irrig. Ein solches Säulenfragment findet sich weder heute, noch fand es sich in den letzten dreissig Jahren in dem genannten Dorfe. Ein kleineres Fragment fand sich wohl einst in Reichenbach. Der Schandpfahl war dabei eingegraben, und es diente den zum Halseisen Verurtheilten zum Fussgestelle. Allein es ist nicht nur möglich, sondern beinahe gewiss, dass dieser Stein kein abgesprengtes Stück von der Riesensäule, sondern nur ein ähnlicher war. Wollte man annehmen, dass alle diese Stücke ursprünglich zu einer Säule gehört haben, so müsste diese dann 48–50 Fuss hoch gewesen sein, und Höhe und Dicke hätte in keinem Verhältnisse gestanden. Aber sollte man einer Zeit, welche den Unternehmungsgeist und die Mittel zur Ausführung eines solchen Werkes besass, nicht auch die Kenntniss richtiger Verhältnisse zutrauen? Man könnte wohl eher versucht sein, solche Trümmer, wenn wirklich mehrere derselben vorhanden waren, als die Stücke einer andern, durch irgend einen Zufall verunglückten ähnlichen Säule zu halten. Denn dass die Riesensäule nicht der einzige Versuch dieser Art und in Bearbeitung des Granits an dieser Stelle gewesen, davon kann man sich ganz in der Nähe auf der andern Seite des Waldpfades überzeugen. Dort liegt der sogenannte Riesenaltar, ein grosser schon zugerichteter und in Arbeit genommener Granitblock, der vielleicht das stufenartige Piedestal der Säule werden sollte. Man sieht übrigens nicht allein an ihm, sondern

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/47>, abgerufen am 19.04.2024.