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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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"Mein Kaiser, ich nehme die Burg zu Lehn,
Und ewiglich sollt Ihr mich dankbar sehn.
Wo Euch und das Reich je ein Krieg bedroht,
Treu dien' ich im Leben Euch und im Tod.
Aus Todesschlaf und aus Grabesnacht
Für Deutschland zieh' ich noch aus zur Schlacht."
Im Frieden zog er zur Stammburg fort.
Treu hält er dem Kaiser und Reich sein Wort.
Begraben zwar liegt er auf Schnellertsschloss;
Dort starb er, - dort stürzt er mit seinem Ross, -
Doch wenn ein Krieg bedrohet das Reich,
So hört man Rodensteins Auszug gleich.


Der von der Neunkircher Höhe herabfliessende Seitenbach der Gersprenz eilt, mehrere Mühlen treibend, an Winterkasten vorbei durch das liebliche Thal von Gross- und Kleingumpen, und geht dann an Reichelsheim vorüber, bis er sich in südwestlicher Richtung unterhalb Bockenroth mit der Gersprenz vereinigt. Bei Reichelsheim wird das Thal durch die Einmündung eines Seitenthälchens etwas weiter und gewinnt an Anmuth. Ueber demselben erhebt sich auf einer mässigen, gegen den Ort aber steil abfallenden Höhe das Schloss Reichenberg. Obgleich weder die Zeit der ersten Gründung desselben, noch sein Erbauer bekannt ist, liess sich doch aus der Bauart der Kapelle schliessen, dass schon im vierzehnten Jahrhunderte hier eine Burg gestanden, was auch alte hier gefundene Steine, mit eingehauenen Jahreszahlen bestätigen. An dem Kreuzgewölbe der Kapelle erkennt man das Erbachische und Bickenbachische Wappen.

Vielleicht gehörte die Burg früher den Grafen von Katzenelnbogen, da diese überhaupt mehrere Güter in der Umgegend besassen.

Im dreissigjährigen Kriege war die Burg Reichenberg noch mit hohen Mauern umgeben, die jetzt verschwunden sind, und diente hierdurch und durch ihre feste Lage den Bewohnern der Umgegend zu einem sichern Zufluchtsorte. So kam am 13. Juni 1622 ein Haufen Croaten, Franzosen und allerlei zusammen gelaufenes Gesindel von der Plünderung der Vorstadt von Erbach auch

„Mein Kaiser, ich nehme die Burg zu Lehn,
Und ewiglich sollt Ihr mich dankbar sehn.
Wo Euch und das Reich je ein Krieg bedroht,
Treu dien’ ich im Leben Euch und im Tod.
Aus Todesschlaf und aus Grabesnacht
Für Deutschland zieh’ ich noch aus zur Schlacht.“
Im Frieden zog er zur Stammburg fort.
Treu hält er dem Kaiser und Reich sein Wort.
Begraben zwar liegt er auf Schnellertsschloss;
Dort starb er, – dort stürzt er mit seinem Ross, –
Doch wenn ein Krieg bedrohet das Reich,
So hört man Rodensteins Auszug gleich.


Der von der Neunkircher Höhe herabfliessende Seitenbach der Gersprenz eilt, mehrere Mühlen treibend, an Winterkasten vorbei durch das liebliche Thal von Gross- und Kleingumpen, und geht dann an Reichelsheim vorüber, bis er sich in südwestlicher Richtung unterhalb Bockenroth mit der Gersprenz vereinigt. Bei Reichelsheim wird das Thal durch die Einmündung eines Seitenthälchens etwas weiter und gewinnt an Anmuth. Ueber demselben erhebt sich auf einer mässigen, gegen den Ort aber steil abfallenden Höhe das Schloss Reichenberg. Obgleich weder die Zeit der ersten Gründung desselben, noch sein Erbauer bekannt ist, liess sich doch aus der Bauart der Kapelle schliessen, dass schon im vierzehnten Jahrhunderte hier eine Burg gestanden, was auch alte hier gefundene Steine, mit eingehauenen Jahreszahlen bestätigen. An dem Kreuzgewölbe der Kapelle erkennt man das Erbachische und Bickenbachische Wappen.

Vielleicht gehörte die Burg früher den Grafen von Katzenelnbogen, da diese überhaupt mehrere Güter in der Umgegend besassen.

Im dreissigjährigen Kriege war die Burg Reichenberg noch mit hohen Mauern umgeben, die jetzt verschwunden sind, und diente hierdurch und durch ihre feste Lage den Bewohnern der Umgegend zu einem sichern Zufluchtsorte. So kam am 13. Juni 1622 ein Haufen Croaten, Franzosen und allerlei zusammen gelaufenes Gesindel von der Plünderung der Vorstadt von Erbach auch

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[34/0034] „Mein Kaiser, ich nehme die Burg zu Lehn, Und ewiglich sollt Ihr mich dankbar sehn. Wo Euch und das Reich je ein Krieg bedroht, Treu dien’ ich im Leben Euch und im Tod. Aus Todesschlaf und aus Grabesnacht Für Deutschland zieh’ ich noch aus zur Schlacht.“ Im Frieden zog er zur Stammburg fort. Treu hält er dem Kaiser und Reich sein Wort. Begraben zwar liegt er auf Schnellertsschloss; Dort starb er, – dort stürzt er mit seinem Ross, – Doch wenn ein Krieg bedrohet das Reich, So hört man Rodensteins Auszug gleich. Der von der Neunkircher Höhe herabfliessende Seitenbach der Gersprenz eilt, mehrere Mühlen treibend, an Winterkasten vorbei durch das liebliche Thal von Gross- und Kleingumpen, und geht dann an Reichelsheim vorüber, bis er sich in südwestlicher Richtung unterhalb Bockenroth mit der Gersprenz vereinigt. Bei Reichelsheim wird das Thal durch die Einmündung eines Seitenthälchens etwas weiter und gewinnt an Anmuth. Ueber demselben erhebt sich auf einer mässigen, gegen den Ort aber steil abfallenden Höhe das Schloss Reichenberg. Obgleich weder die Zeit der ersten Gründung desselben, noch sein Erbauer bekannt ist, liess sich doch aus der Bauart der Kapelle schliessen, dass schon im vierzehnten Jahrhunderte hier eine Burg gestanden, was auch alte hier gefundene Steine, mit eingehauenen Jahreszahlen bestätigen. An dem Kreuzgewölbe der Kapelle erkennt man das Erbachische und Bickenbachische Wappen. Vielleicht gehörte die Burg früher den Grafen von Katzenelnbogen, da diese überhaupt mehrere Güter in der Umgegend besassen. Im dreissigjährigen Kriege war die Burg Reichenberg noch mit hohen Mauern umgeben, die jetzt verschwunden sind, und diente hierdurch und durch ihre feste Lage den Bewohnern der Umgegend zu einem sichern Zufluchtsorte. So kam am 13. Juni 1622 ein Haufen Croaten, Franzosen und allerlei zusammen gelaufenes Gesindel von der Plünderung der Vorstadt von Erbach auch

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/34>, abgerufen am 29.03.2024.