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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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Michelbach und Eberbach berühren würde; sondern er geht auf einem Umwege das Seitenthälchen hinab, über die Gersprenz nach Fränkisch-Crumbach hinüber, macht oft auch noch einen Abstecher nach Brensbach hinab, und zieht dann wahrscheinlich längs der, das Gersprenzthal auf der linken Seite begränzenden Waldhöhe nach dem Rodenstein zurück. In Oberkeinsbach zieht er durch einen Bauernhof, in Brensbach meldete er sich nur in dem Hause eines Hübners, in dessen Küche er oft rasselte, und in Crumbach steht ein Haus, worin ehedem ein Schmied gewohnt hat, und dort scheint er sich sogar das Pferd beschlagen zu lassen. So kam es nämlich den guten Leuten, die dort wohnten, wohl vor. Wenn sein Auszug bemerkt wurde, so deutete man ihn immer auf den Ausbruch eines künftigen Krieges im deutschen Reiche; zog er aber ein, so war der Friede nicht mehr ferne.

Man hatte sich in jener Gegend und in jenen Zeiten eine ordentlich feste Theorie über diesen geisterhaften Auszug und Einzug des "wilden Heeres", (wie es auch oft genannt wurde) gebildet. Die Sache wurde sogar so wichtig genommen, dass die Behörden vom 20. September 1743 bis zum 11. Juni 1796 ein amtliches Protokoll führten. Auf diese Weise erhielt sie ein Gewicht, das sie nicht verdient. Unwissenheit und Furcht mögen anfänglich ganz natürliche Töne für solch übernatürlichen Geisterspuck gehalten haben, und wo einmal ein Ort verrufen ist, da knüpfen sich in der Phantasie gar leicht ähnliche Erscheinungen an. Wer den Geisterglauben hat, sieht Geister.

Wir haben früher jene amtlichen Protokolle eingesehen und geprüft, in wiefern den verschiedenen Angaben über den Aus- und Einzug des Rodensteiners Glauben zu schenken sei. Es ist uns aufgefallen, dass, im Grunde genommen, nur sehr wenige Personen die angegebenen Stimmen aus der Höhe vernommen haben. In Keinsbach sind es nur die Glieder einer und derselben Familie; ausser dieser sind nur noch zwei Nachbarn derselben und noch ein dritter als Zeuge des Geisterzuges vorkommen. In dem Hause des Hübners zu Brensbach erschallte es oft, als würde alles Geschirre durch einander geworfen, und dieses Gelärme wird ohne allen Grund auch dem Rodensteinschen Heereszuge zugeschrieben. Uebrigens wurden zuerst der Mann und ein Jahr später die Frau aus jenem Hause, jedes also nur einmal, über die Sache vernommen.

Michelbach und Eberbach berühren würde; sondern er geht auf einem Umwege das Seitenthälchen hinab, über die Gersprenz nach Fränkisch-Crumbach hinüber, macht oft auch noch einen Abstecher nach Brensbach hinab, und zieht dann wahrscheinlich längs der, das Gersprenzthal auf der linken Seite begränzenden Waldhöhe nach dem Rodenstein zurück. In Oberkeinsbach zieht er durch einen Bauernhof, in Brensbach meldete er sich nur in dem Hause eines Hübners, in dessen Küche er oft rasselte, und in Crumbach steht ein Haus, worin ehedem ein Schmied gewohnt hat, und dort scheint er sich sogar das Pferd beschlagen zu lassen. So kam es nämlich den guten Leuten, die dort wohnten, wohl vor. Wenn sein Auszug bemerkt wurde, so deutete man ihn immer auf den Ausbruch eines künftigen Krieges im deutschen Reiche; zog er aber ein, so war der Friede nicht mehr ferne.

Man hatte sich in jener Gegend und in jenen Zeiten eine ordentlich feste Theorie über diesen geisterhaften Auszug und Einzug des „wilden Heeres“, (wie es auch oft genannt wurde) gebildet. Die Sache wurde sogar so wichtig genommen, dass die Behörden vom 20. September 1743 bis zum 11. Juni 1796 ein amtliches Protokoll führten. Auf diese Weise erhielt sie ein Gewicht, das sie nicht verdient. Unwissenheit und Furcht mögen anfänglich ganz natürliche Töne für solch übernatürlichen Geisterspuck gehalten haben, und wo einmal ein Ort verrufen ist, da knüpfen sich in der Phantasie gar leicht ähnliche Erscheinungen an. Wer den Geisterglauben hat, sieht Geister.

Wir haben früher jene amtlichen Protokolle eingesehen und geprüft, in wiefern den verschiedenen Angaben über den Aus- und Einzug des Rodensteiners Glauben zu schenken sei. Es ist uns aufgefallen, dass, im Grunde genommen, nur sehr wenige Personen die angegebenen Stimmen aus der Höhe vernommen haben. In Keinsbach sind es nur die Glieder einer und derselben Familie; ausser dieser sind nur noch zwei Nachbarn derselben und noch ein dritter als Zeuge des Geisterzuges vorkommen. In dem Hause des Hübners zu Brensbach erschallte es oft, als würde alles Geschirre durch einander geworfen, und dieses Gelärme wird ohne allen Grund auch dem Rodensteinschen Heereszuge zugeschrieben. Uebrigens wurden zuerst der Mann und ein Jahr später die Frau aus jenem Hause, jedes also nur einmal, über die Sache vernommen.

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Michelbach und Eberbach berühren würde; sondern er geht auf einem Umwege das Seitenthälchen hinab, über die Gersprenz nach Fränkisch-Crumbach hinüber, macht oft auch noch einen Abstecher nach Brensbach hinab, und zieht dann wahrscheinlich längs der, das Gersprenzthal auf der linken Seite begränzenden Waldhöhe nach dem Rodenstein zurück. In Oberkeinsbach zieht er durch einen Bauernhof, in Brensbach meldete er sich nur in dem Hause eines Hübners, in dessen Küche er oft rasselte, und in Crumbach steht ein Haus, worin ehedem ein Schmied gewohnt hat, und dort scheint er sich sogar das Pferd beschlagen zu lassen. So kam es nämlich den guten Leuten, die dort wohnten, wohl vor. Wenn sein Auszug bemerkt wurde, so deutete man ihn immer auf den Ausbruch eines künftigen Krieges im deutschen Reiche; zog er aber ein, so war der Friede nicht mehr ferne.</p>
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[32/0032] Michelbach und Eberbach berühren würde; sondern er geht auf einem Umwege das Seitenthälchen hinab, über die Gersprenz nach Fränkisch-Crumbach hinüber, macht oft auch noch einen Abstecher nach Brensbach hinab, und zieht dann wahrscheinlich längs der, das Gersprenzthal auf der linken Seite begränzenden Waldhöhe nach dem Rodenstein zurück. In Oberkeinsbach zieht er durch einen Bauernhof, in Brensbach meldete er sich nur in dem Hause eines Hübners, in dessen Küche er oft rasselte, und in Crumbach steht ein Haus, worin ehedem ein Schmied gewohnt hat, und dort scheint er sich sogar das Pferd beschlagen zu lassen. So kam es nämlich den guten Leuten, die dort wohnten, wohl vor. Wenn sein Auszug bemerkt wurde, so deutete man ihn immer auf den Ausbruch eines künftigen Krieges im deutschen Reiche; zog er aber ein, so war der Friede nicht mehr ferne. Man hatte sich in jener Gegend und in jenen Zeiten eine ordentlich feste Theorie über diesen geisterhaften Auszug und Einzug des „wilden Heeres“, (wie es auch oft genannt wurde) gebildet. Die Sache wurde sogar so wichtig genommen, dass die Behörden vom 20. September 1743 bis zum 11. Juni 1796 ein amtliches Protokoll führten. Auf diese Weise erhielt sie ein Gewicht, das sie nicht verdient. Unwissenheit und Furcht mögen anfänglich ganz natürliche Töne für solch übernatürlichen Geisterspuck gehalten haben, und wo einmal ein Ort verrufen ist, da knüpfen sich in der Phantasie gar leicht ähnliche Erscheinungen an. Wer den Geisterglauben hat, sieht Geister. Wir haben früher jene amtlichen Protokolle eingesehen und geprüft, in wiefern den verschiedenen Angaben über den Aus- und Einzug des Rodensteiners Glauben zu schenken sei. Es ist uns aufgefallen, dass, im Grunde genommen, nur sehr wenige Personen die angegebenen Stimmen aus der Höhe vernommen haben. In Keinsbach sind es nur die Glieder einer und derselben Familie; ausser dieser sind nur noch zwei Nachbarn derselben und noch ein dritter als Zeuge des Geisterzuges vorkommen. In dem Hause des Hübners zu Brensbach erschallte es oft, als würde alles Geschirre durch einander geworfen, und dieses Gelärme wird ohne allen Grund auch dem Rodensteinschen Heereszuge zugeschrieben. Uebrigens wurden zuerst der Mann und ein Jahr später die Frau aus jenem Hause, jedes also nur einmal, über die Sache vernommen.

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/32>, abgerufen am 25.04.2024.