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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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besorgen hatte, aber nicht genug Arbeiter zusammen bringen konnte, sei das wilde Weibchen immer schnell da gewesen und habe Tage lang geholfen, und die Arbeit sei ihm dann stets wunderbar von Statten gegangen; oft sei auch eine dringende Arbeit schon ganz gethan gewesen, wenn der Bauer am Morgen mit seinen Leuten hinaus gekommen sei. Das habe das wilde Weibchen immer in der Nacht gethan gehabt.

Nördlich von dem Gipfel des Berges auf ziemlicher Höhe liegt das Dorf Neunkirchen, von welchem die Höhe ihren Namen hat. Hier quillt ein wasserreicher Born, der ehemals für eine Heilquelle geachtet und mit Quadersteinen umfasst ward. Die hier geschehenen Wunderkuren veranlassten Wallfahrten nach diesem Brunnen, und bald erbaute man für die Wallfahrenden auch eine Kirche, in welche wahrscheinlich die neun nächst gelegenen Dörfer eingepfarrt wurden, woraus sich der Name erklären lässt. Der wundervollen Kuren wegen weihete man die Kirche den beiden Aerzten Cosmas und Damian. Denn diese waren ja nach der Legende von dem heiligen Geiste selbst in der Heilkunde unterrichtet, und zeichneten sich in ihren Kuren vor allen übrigen Aerzten aller Zeiten dadurch aus, dass sie alle Patienten heilten, die ihre Hilfe in Anspruch nahmen. Dennoch waren sie bei einer Christenverfolgung mit ihren drei übrigen Brüdern, nachdem man mehrere andere Versuche gemacht hatte sie zu tödten, im Jahre 250 mit dem Schwerte hingerichtet.

Das Wasser des heilbringenden Borns scheint übrigens keine besondere Kräfte zu besitzen. Es ist ein gutes frisches Quellwasser, und hat vielleicht schon in älterer Zeit, wie auch in unsern Tagen das halte Wasser aller Orten als ein Panacee gerühmt und von Vielen gebraucht wird, bei der durch die isolirte Lage von der Noth gebotenen Diät gute Wirkung gethan. Die frische Bergluft mag auch das Ihrige zur Genesung der Besucher beigetragen haben. Gewiss ist, dass der Brunnen einst Ruf hatte, und selbst von Leidenden aus der Ferne besucht wurde. Diess beweisen manche Stiftungen, welche die Dankbarkeit der Genesenen aus entfernten Orten hier gründete. Auch muss die Kirche in grossem Ansehen gestanden haben, da selbst ein Sprosse der edeln Rodensteinischen Ritterfamilie, Rudolf (+ im J. 1360), ein Bruder

besorgen hatte, aber nicht genug Arbeiter zusammen bringen konnte, sei das wilde Weibchen immer schnell da gewesen und habe Tage lang geholfen, und die Arbeit sei ihm dann stets wunderbar von Statten gegangen; oft sei auch eine dringende Arbeit schon ganz gethan gewesen, wenn der Bauer am Morgen mit seinen Leuten hinaus gekommen sei. Das habe das wilde Weibchen immer in der Nacht gethan gehabt.

Nördlich von dem Gipfel des Berges auf ziemlicher Höhe liegt das Dorf Neunkirchen, von welchem die Höhe ihren Namen hat. Hier quillt ein wasserreicher Born, der ehemals für eine Heilquelle geachtet und mit Quadersteinen umfasst ward. Die hier geschehenen Wunderkuren veranlassten Wallfahrten nach diesem Brunnen, und bald erbaute man für die Wallfahrenden auch eine Kirche, in welche wahrscheinlich die neun nächst gelegenen Dörfer eingepfarrt wurden, woraus sich der Name erklären lässt. Der wundervollen Kuren wegen weihete man die Kirche den beiden Aerzten Cosmas und Damian. Denn diese waren ja nach der Legende von dem heiligen Geiste selbst in der Heilkunde unterrichtet, und zeichneten sich in ihren Kuren vor allen übrigen Aerzten aller Zeiten dadurch aus, dass sie alle Patienten heilten, die ihre Hilfe in Anspruch nahmen. Dennoch waren sie bei einer Christenverfolgung mit ihren drei übrigen Brüdern, nachdem man mehrere andere Versuche gemacht hatte sie zu tödten, im Jahre 250 mit dem Schwerte hingerichtet.

Das Wasser des heilbringenden Borns scheint übrigens keine besondere Kräfte zu besitzen. Es ist ein gutes frisches Quellwasser, und hat vielleicht schon in älterer Zeit, wie auch in unsern Tagen das halte Wasser aller Orten als ein Panacée gerühmt und von Vielen gebraucht wird, bei der durch die isolirte Lage von der Noth gebotenen Diät gute Wirkung gethan. Die frische Bergluft mag auch das Ihrige zur Genesung der Besucher beigetragen haben. Gewiss ist, dass der Brunnen einst Ruf hatte, und selbst von Leidenden aus der Ferne besucht wurde. Diess beweisen manche Stiftungen, welche die Dankbarkeit der Genesenen aus entfernten Orten hier gründete. Auch muss die Kirche in grossem Ansehen gestanden haben, da selbst ein Sprosse der edeln Rodensteinischen Ritterfamilie, Rudolf († im J. 1360), ein Bruder

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[28/0028] besorgen hatte, aber nicht genug Arbeiter zusammen bringen konnte, sei das wilde Weibchen immer schnell da gewesen und habe Tage lang geholfen, und die Arbeit sei ihm dann stets wunderbar von Statten gegangen; oft sei auch eine dringende Arbeit schon ganz gethan gewesen, wenn der Bauer am Morgen mit seinen Leuten hinaus gekommen sei. Das habe das wilde Weibchen immer in der Nacht gethan gehabt. Nördlich von dem Gipfel des Berges auf ziemlicher Höhe liegt das Dorf Neunkirchen, von welchem die Höhe ihren Namen hat. Hier quillt ein wasserreicher Born, der ehemals für eine Heilquelle geachtet und mit Quadersteinen umfasst ward. Die hier geschehenen Wunderkuren veranlassten Wallfahrten nach diesem Brunnen, und bald erbaute man für die Wallfahrenden auch eine Kirche, in welche wahrscheinlich die neun nächst gelegenen Dörfer eingepfarrt wurden, woraus sich der Name erklären lässt. Der wundervollen Kuren wegen weihete man die Kirche den beiden Aerzten Cosmas und Damian. Denn diese waren ja nach der Legende von dem heiligen Geiste selbst in der Heilkunde unterrichtet, und zeichneten sich in ihren Kuren vor allen übrigen Aerzten aller Zeiten dadurch aus, dass sie alle Patienten heilten, die ihre Hilfe in Anspruch nahmen. Dennoch waren sie bei einer Christenverfolgung mit ihren drei übrigen Brüdern, nachdem man mehrere andere Versuche gemacht hatte sie zu tödten, im Jahre 250 mit dem Schwerte hingerichtet. Das Wasser des heilbringenden Borns scheint übrigens keine besondere Kräfte zu besitzen. Es ist ein gutes frisches Quellwasser, und hat vielleicht schon in älterer Zeit, wie auch in unsern Tagen das halte Wasser aller Orten als ein Panacée gerühmt und von Vielen gebraucht wird, bei der durch die isolirte Lage von der Noth gebotenen Diät gute Wirkung gethan. Die frische Bergluft mag auch das Ihrige zur Genesung der Besucher beigetragen haben. Gewiss ist, dass der Brunnen einst Ruf hatte, und selbst von Leidenden aus der Ferne besucht wurde. Diess beweisen manche Stiftungen, welche die Dankbarkeit der Genesenen aus entfernten Orten hier gründete. Auch muss die Kirche in grossem Ansehen gestanden haben, da selbst ein Sprosse der edeln Rodensteinischen Ritterfamilie, Rudolf († im J. 1360), ein Bruder

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/28>, abgerufen am 18.04.2024.