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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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das Geräth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah es wohl daß der Teller, den ihm der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz 'ach, was will ich armes Mädchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mirs morgen früh ergehen!' 'Sei still,' sprach er, 'ich will dir aus der Noth helfen: es hängt ein Dieb draußen am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden; welche Hand wars denn?' 'Die rechte.' Da gab ihm das Mädchen ein scharfes Messer, und er gieng hin, schnitt dem armen Sünder die rechte Hand ab und brachte sie herbei. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. 'Habt ihr nicht geschlachtet, und liegt das Schweinefleisch nicht im Keller?' 'Ja' sagte das Mädchen. 'Nun, das ist gut' sagte der Soldat, gieng hinunter und holte ein Schweineherz. Das Mädchen that alles zusammen auf den Teller, und stellte ihn in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett.

Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Mädchen es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand Herz und Augen lägen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an und bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein: der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte dergleichen hätt er noch nicht gesehen, er wollte sie bei jedermann rühmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.

Wie sie so dahin giengen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin und schnüffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zurückhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Unrath lag. Der zweite

das Geräth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah es wohl daß der Teller, den ihm der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz ‘ach, was will ich armes Mädchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mirs morgen früh ergehen!’ ‘Sei still,’ sprach er, ‘ich will dir aus der Noth helfen: es hängt ein Dieb draußen am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden; welche Hand wars denn?’ ‘Die rechte.’ Da gab ihm das Mädchen ein scharfes Messer, und er gieng hin, schnitt dem armen Sünder die rechte Hand ab und brachte sie herbei. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. ‘Habt ihr nicht geschlachtet, und liegt das Schweinefleisch nicht im Keller?’ ‘Ja’ sagte das Mädchen. ‘Nun, das ist gut’ sagte der Soldat, gieng hinunter und holte ein Schweineherz. Das Mädchen that alles zusammen auf den Teller, und stellte ihn in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett.

Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Mädchen es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand Herz und Augen lägen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an und bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein: der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte dergleichen hätt er noch nicht gesehen, er wollte sie bei jedermann rühmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.

Wie sie so dahin giengen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin und schnüffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zurückhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Unrath lag. Der zweite

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[157/0169] das Geräth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah es wohl daß der Teller, den ihm der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz ‘ach, was will ich armes Mädchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mirs morgen früh ergehen!’ ‘Sei still,’ sprach er, ‘ich will dir aus der Noth helfen: es hängt ein Dieb draußen am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden; welche Hand wars denn?’ ‘Die rechte.’ Da gab ihm das Mädchen ein scharfes Messer, und er gieng hin, schnitt dem armen Sünder die rechte Hand ab und brachte sie herbei. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. ‘Habt ihr nicht geschlachtet, und liegt das Schweinefleisch nicht im Keller?’ ‘Ja’ sagte das Mädchen. ‘Nun, das ist gut’ sagte der Soldat, gieng hinunter und holte ein Schweineherz. Das Mädchen that alles zusammen auf den Teller, und stellte ihn in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett. Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Mädchen es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand Herz und Augen lägen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an und bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein: der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte dergleichen hätt er noch nicht gesehen, er wollte sie bei jedermann rühmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter. Wie sie so dahin giengen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin und schnüffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zurückhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Unrath lag. Der zweite

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/169>, abgerufen am 29.03.2024.