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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus, und fragte ob sie ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. 'Nein,' sagte die Katze, 'du sollst mir erst noch einerlei thun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was nöthig ist, alles von Silber, daraus baue mir erst ein kleines Häuschen.' Da baute Hans das Häuschen fertig und sagte er hätte nun alles gethan, und hätte noch kein Pferd. Doch waren ihm die sieben Jahre herumgegangen wie ein halbes. Fragte die Katze ob er ihre Pferde sehen wollte? 'Ja' sagte Hans. Da machte sie ihm das Häuschen auf, und weil sie die Thüre so aufmacht, da stehen zwölf Pferde, ach, die waren gewesen ganz stolz, die hatten geblänkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leibe darüber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und sprach 'geh heim, dein Pferd geb ich dir nicht mit: in drei Tagen aber komm ich und bringe dirs nach.' Also machte Hans sich auf, und sie zeigte ihm den Weg zur Mühle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neues Kleid gegeben, sondern er mußte sein altes lumpiges Kittelchen behalten, das er mitgebracht hatte, und das ihm in den sieben Jahren überall zu kurz geworden war. Wie er nun heim kam, so waren die beiden andern Müllerburschen auch wieder da: jeder hatte zwar sein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten 'Hans, wo hast du dein Pferd?' 'Jn drei Tagen wirds nachkommen.' Da lachten sie und sagten 'ja du Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was rechtes sein!' Hans gieng in die Stube, der Müller sagte aber er sollte nicht an den Tisch kommen, er wäre so zerrissen und zerlumpt, man müßte sich schämen, wenn jemand herein käme. Da gaben sie ihm ein bischen Essen hinaus, und wie sie Abends schlafen giengen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte endlich ins Gänseställchen kriechen und sich auf ein wenig hartes Stroh legen. Am Morgen, wie er

nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus, und fragte ob sie ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. ‘Nein,’ sagte die Katze, ‘du sollst mir erst noch einerlei thun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was nöthig ist, alles von Silber, daraus baue mir erst ein kleines Häuschen.’ Da baute Hans das Häuschen fertig und sagte er hätte nun alles gethan, und hätte noch kein Pferd. Doch waren ihm die sieben Jahre herumgegangen wie ein halbes. Fragte die Katze ob er ihre Pferde sehen wollte? ‘Ja’ sagte Hans. Da machte sie ihm das Häuschen auf, und weil sie die Thüre so aufmacht, da stehen zwölf Pferde, ach, die waren gewesen ganz stolz, die hatten geblänkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leibe darüber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und sprach ‘geh heim, dein Pferd geb ich dir nicht mit: in drei Tagen aber komm ich und bringe dirs nach.’ Also machte Hans sich auf, und sie zeigte ihm den Weg zur Mühle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neues Kleid gegeben, sondern er mußte sein altes lumpiges Kittelchen behalten, das er mitgebracht hatte, und das ihm in den sieben Jahren überall zu kurz geworden war. Wie er nun heim kam, so waren die beiden andern Müllerburschen auch wieder da: jeder hatte zwar sein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten ‘Hans, wo hast du dein Pferd?’ ‘Jn drei Tagen wirds nachkommen.’ Da lachten sie und sagten ‘ja du Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was rechtes sein!’ Hans gieng in die Stube, der Müller sagte aber er sollte nicht an den Tisch kommen, er wäre so zerrissen und zerlumpt, man müßte sich schämen, wenn jemand herein käme. Da gaben sie ihm ein bischen Essen hinaus, und wie sie Abends schlafen giengen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte endlich ins Gänseställchen kriechen und sich auf ein wenig hartes Stroh legen. Am Morgen, wie er

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[100/0112] nach vollbrachter Arbeit trug er Sense, Wetzstein und Heu nach Haus, und fragte ob sie ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. ‘Nein,’ sagte die Katze, ‘du sollst mir erst noch einerlei thun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was nöthig ist, alles von Silber, daraus baue mir erst ein kleines Häuschen.’ Da baute Hans das Häuschen fertig und sagte er hätte nun alles gethan, und hätte noch kein Pferd. Doch waren ihm die sieben Jahre herumgegangen wie ein halbes. Fragte die Katze ob er ihre Pferde sehen wollte? ‘Ja’ sagte Hans. Da machte sie ihm das Häuschen auf, und weil sie die Thüre so aufmacht, da stehen zwölf Pferde, ach, die waren gewesen ganz stolz, die hatten geblänkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leibe darüber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und sprach ‘geh heim, dein Pferd geb ich dir nicht mit: in drei Tagen aber komm ich und bringe dirs nach.’ Also machte Hans sich auf, und sie zeigte ihm den Weg zur Mühle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neues Kleid gegeben, sondern er mußte sein altes lumpiges Kittelchen behalten, das er mitgebracht hatte, und das ihm in den sieben Jahren überall zu kurz geworden war. Wie er nun heim kam, so waren die beiden andern Müllerburschen auch wieder da: jeder hatte zwar sein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten ‘Hans, wo hast du dein Pferd?’ ‘Jn drei Tagen wirds nachkommen.’ Da lachten sie und sagten ‘ja du Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was rechtes sein!’ Hans gieng in die Stube, der Müller sagte aber er sollte nicht an den Tisch kommen, er wäre so zerrissen und zerlumpt, man müßte sich schämen, wenn jemand herein käme. Da gaben sie ihm ein bischen Essen hinaus, und wie sie Abends schlafen giengen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte endlich ins Gänseställchen kriechen und sich auf ein wenig hartes Stroh legen. Am Morgen, wie er

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/112>, abgerufen am 28.03.2024.