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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

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brachte das Geld und steckte es ihm selbst in die Tasche. Eh sie weggieng, dankte sie ihm noch tausendmal für seine Gefälligkeit.

Als die Frau wieder heim kam, so fand sie ihren Sohn, der aus dem Feld zurück gekehrt war. Sie erzählte ihm was sie für unerwartete Dinge erfahren hätte und setzte dann hinzu 'ich freue mich recht daß ich Gelegenheit gefunden habe, meinem armen Mann etwas zu schicken, wer hätte sich vorgestellt, daß er im Himmel an etwas Mangel leiden würde?' Der Sohn war in der größten Verwunderung, 'Mutter,' sagte er, 'so einer aus dem Himmel kommt nicht alle Tage, ich will gleich hinaus und sehen daß ich den Mann noch finde: der muß mir erzählen wies dort aussieht und wies mit der Arbeit geht.' Er sattelte das Pferd und ritt in aller Hast fort. Er fand den Bauer, der unter einem Weidenbaum saß und das Geld, das im Beutel war, zählen wollte. 'Habt Jhr nicht den Mann gesehen,' rief ihm der Junge zu, 'der aus dem Himmel gekommen ist?' 'Ja,' antwortete der Bauer, 'der hat sich wieder auf den Rückweg gemacht und ist den Berg dort hinauf gegangen, von wo ers etwas näher hat. Jhr könnt ihn noch einholen, wenn Jhr scharf reitet.' 'Ach,' sagte der Junge, 'ich habe mich den ganzen Tag abgeäschert, und der Ritt hierher hat mich vollends müde gemacht: Jhr kennt den Mann, seid so gut und setzt Euch auf mein Pferd und überredet ihn daß er hierher kommt.' 'Aha,' meinte der Bauer, 'das ist auch einer, der keinen Dacht in seiner Lampe hat.' 'Warum sollte ich Euch den Gefallen nicht thun?' sprach er, stieg auf und ritt im stärksten Trab fort. Der Junge blieb sitzen bis die Nacht einbrach, aber der Bauer kam nicht zurück. 'Gewis,' dachte er, 'hat der Mann aus dem Himmel große Eile gehabt und nicht umkehren wollen, und der Bauer hat ihm das Pferd mitgegeben, um es meinem Vater zu bringen.' Er gieng heim und erzählte seiner Mutter

brachte das Geld und steckte es ihm selbst in die Tasche. Eh sie weggieng, dankte sie ihm noch tausendmal für seine Gefälligkeit.

Als die Frau wieder heim kam, so fand sie ihren Sohn, der aus dem Feld zurück gekehrt war. Sie erzählte ihm was sie für unerwartete Dinge erfahren hätte und setzte dann hinzu ‘ich freue mich recht daß ich Gelegenheit gefunden habe, meinem armen Mann etwas zu schicken, wer hätte sich vorgestellt, daß er im Himmel an etwas Mangel leiden würde?’ Der Sohn war in der größten Verwunderung, ‘Mutter,’ sagte er, ‘so einer aus dem Himmel kommt nicht alle Tage, ich will gleich hinaus und sehen daß ich den Mann noch finde: der muß mir erzählen wies dort aussieht und wies mit der Arbeit geht.’ Er sattelte das Pferd und ritt in aller Hast fort. Er fand den Bauer, der unter einem Weidenbaum saß und das Geld, das im Beutel war, zählen wollte. ‘Habt Jhr nicht den Mann gesehen,’ rief ihm der Junge zu, ‘der aus dem Himmel gekommen ist?’ ‘Ja,’ antwortete der Bauer, ‘der hat sich wieder auf den Rückweg gemacht und ist den Berg dort hinauf gegangen, von wo ers etwas näher hat. Jhr könnt ihn noch einholen, wenn Jhr scharf reitet.’ ‘Ach,’ sagte der Junge, ‘ich habe mich den ganzen Tag abgeäschert, und der Ritt hierher hat mich vollends müde gemacht: Jhr kennt den Mann, seid so gut und setzt Euch auf mein Pferd und überredet ihn daß er hierher kommt.’ ‘Aha,’ meinte der Bauer, ‘das ist auch einer, der keinen Dacht in seiner Lampe hat.’ ‘Warum sollte ich Euch den Gefallen nicht thun?’ sprach er, stieg auf und ritt im stärksten Trab fort. Der Junge blieb sitzen bis die Nacht einbrach, aber der Bauer kam nicht zurück. ‘Gewis,’ dachte er, ‘hat der Mann aus dem Himmel große Eile gehabt und nicht umkehren wollen, und der Bauer hat ihm das Pferd mitgegeben, um es meinem Vater zu bringen.’ Er gieng heim und erzählte seiner Mutter

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[94/0106] brachte das Geld und steckte es ihm selbst in die Tasche. Eh sie weggieng, dankte sie ihm noch tausendmal für seine Gefälligkeit. Als die Frau wieder heim kam, so fand sie ihren Sohn, der aus dem Feld zurück gekehrt war. Sie erzählte ihm was sie für unerwartete Dinge erfahren hätte und setzte dann hinzu ‘ich freue mich recht daß ich Gelegenheit gefunden habe, meinem armen Mann etwas zu schicken, wer hätte sich vorgestellt, daß er im Himmel an etwas Mangel leiden würde?’ Der Sohn war in der größten Verwunderung, ‘Mutter,’ sagte er, ‘so einer aus dem Himmel kommt nicht alle Tage, ich will gleich hinaus und sehen daß ich den Mann noch finde: der muß mir erzählen wies dort aussieht und wies mit der Arbeit geht.’ Er sattelte das Pferd und ritt in aller Hast fort. Er fand den Bauer, der unter einem Weidenbaum saß und das Geld, das im Beutel war, zählen wollte. ‘Habt Jhr nicht den Mann gesehen,’ rief ihm der Junge zu, ‘der aus dem Himmel gekommen ist?’ ‘Ja,’ antwortete der Bauer, ‘der hat sich wieder auf den Rückweg gemacht und ist den Berg dort hinauf gegangen, von wo ers etwas näher hat. Jhr könnt ihn noch einholen, wenn Jhr scharf reitet.’ ‘Ach,’ sagte der Junge, ‘ich habe mich den ganzen Tag abgeäschert, und der Ritt hierher hat mich vollends müde gemacht: Jhr kennt den Mann, seid so gut und setzt Euch auf mein Pferd und überredet ihn daß er hierher kommt.’ ‘Aha,’ meinte der Bauer, ‘das ist auch einer, der keinen Dacht in seiner Lampe hat.’ ‘Warum sollte ich Euch den Gefallen nicht thun?’ sprach er, stieg auf und ritt im stärksten Trab fort. Der Junge blieb sitzen bis die Nacht einbrach, aber der Bauer kam nicht zurück. ‘Gewis,’ dachte er, ‘hat der Mann aus dem Himmel große Eile gehabt und nicht umkehren wollen, und der Bauer hat ihm das Pferd mitgegeben, um es meinem Vater zu bringen.’ Er gieng heim und erzählte seiner Mutter

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/106>, abgerufen am 24.04.2024.