Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite
104.
Die klugen Leute.

Eines Tages holte ein Bauer seinen hagebüchnen Stock aus der Ecke und sprach zu seiner Frau 'Trine, ich gehe jetzt über Land und komme erst in drei Tagen wieder zurück. Wenn der Viehhändler in der Zeit bei uns einspricht und will unsere drei Kühe kaufen, so kannst du sie losschlagen, aber nicht anders als für zweihundert Thaler, geringer nicht, hörst du.' 'Geh nur in Gottes Namen,' antwortete die Frau, 'ich will das schon machen.' 'Ja, du!' sprach der Mann, 'du bist als ein kleines Kind einmal auf den Kopf gefallen, das hängt dir bis auf diese Stunde nach. Aber das sage ich dir, machst du dummes Zeug, so streiche ich dir den Rücken blau an, und das ohne Farbe, bloß mit dem Stock den ich da in der Hand habe, und der Anstrich soll ein ganzes Jahr halten, darauf kannst du dich verlassen.' Damit gieng der Mann seiner Wege.

Am andern Morgen kam der Viehhändler, und die Frau brauchte mit ihm nicht viel Worte zu machen. Als er die Kühe besehen hatte und den Preis vernahm, sagte er 'das gebe ich gerne, so viel sind sie unter Brüdern werth. Jch will die Thiere gleich mitnehmen.' Er machte sie von der Kette los und trieb sie aus dem Stall. Als er eben zum Hofthor hinaus wollte, faßte ihn die Frau am Ermel und sprach 'ihr müßt mir erst die zweihundert Thaler geben, sonst kann ich Euch nicht gehen lassen.' 'Richtig,' antwortete der Mann, 'ich habe nur vergessen meine Geldkatze umzuschnallen. Aber macht Euch keine Sorge, ihr sollt Sicherheit

104.
Die klugen Leute.

Eines Tages holte ein Bauer seinen hagebüchnen Stock aus der Ecke und sprach zu seiner Frau ‘Trine, ich gehe jetzt über Land und komme erst in drei Tagen wieder zurück. Wenn der Viehhändler in der Zeit bei uns einspricht und will unsere drei Kühe kaufen, so kannst du sie losschlagen, aber nicht anders als für zweihundert Thaler, geringer nicht, hörst du.’ ‘Geh nur in Gottes Namen,’ antwortete die Frau, ‘ich will das schon machen.’ ‘Ja, du!’ sprach der Mann, ‘du bist als ein kleines Kind einmal auf den Kopf gefallen, das hängt dir bis auf diese Stunde nach. Aber das sage ich dir, machst du dummes Zeug, so streiche ich dir den Rücken blau an, und das ohne Farbe, bloß mit dem Stock den ich da in der Hand habe, und der Anstrich soll ein ganzes Jahr halten, darauf kannst du dich verlassen.’ Damit gieng der Mann seiner Wege.

Am andern Morgen kam der Viehhändler, und die Frau brauchte mit ihm nicht viel Worte zu machen. Als er die Kühe besehen hatte und den Preis vernahm, sagte er ‘das gebe ich gerne, so viel sind sie unter Brüdern werth. Jch will die Thiere gleich mitnehmen.’ Er machte sie von der Kette los und trieb sie aus dem Stall. Als er eben zum Hofthor hinaus wollte, faßte ihn die Frau am Ermel und sprach ‘ihr müßt mir erst die zweihundert Thaler geben, sonst kann ich Euch nicht gehen lassen.’ ‘Richtig,’ antwortete der Mann, ‘ich habe nur vergessen meine Geldkatze umzuschnallen. Aber macht Euch keine Sorge, ihr sollt Sicherheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0103" n="91"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">104.<lb/>
Die klugen Leute.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>ines Tages holte ein Bauer seinen hagebüchnen Stock aus der Ecke und sprach zu seiner Frau &#x2018;Trine, ich gehe jetzt über Land und komme erst in drei Tagen wieder zurück. Wenn der Viehhändler in der Zeit bei uns einspricht und will unsere drei Kühe kaufen, so kannst du sie losschlagen, aber nicht anders als für zweihundert Thaler, geringer nicht, hörst du.&#x2019; &#x2018;Geh nur in Gottes Namen,&#x2019; antwortete die Frau, &#x2018;ich will das schon machen.&#x2019; &#x2018;Ja, du!&#x2019; sprach der Mann, &#x2018;du bist als ein kleines Kind einmal auf den Kopf gefallen, das hängt dir bis auf diese Stunde nach. Aber das sage ich dir, machst du dummes Zeug, so streiche ich dir den Rücken blau an, und das ohne Farbe, bloß mit dem Stock den ich da in der Hand habe, und der Anstrich soll ein ganzes Jahr halten, darauf kannst du dich verlassen.&#x2019; Damit gieng der Mann seiner Wege.</p><lb/>
        <p>Am andern Morgen kam der Viehhändler, und die Frau brauchte mit ihm nicht viel Worte zu machen. Als er die Kühe besehen hatte und den Preis vernahm, sagte er &#x2018;das gebe ich gerne, so viel sind sie unter Brüdern werth. Jch will die Thiere gleich mitnehmen.&#x2019; Er machte sie von der Kette los und trieb sie aus dem Stall. Als er eben zum Hofthor hinaus wollte, faßte ihn die Frau am Ermel und sprach &#x2018;ihr müßt mir erst die zweihundert Thaler geben, sonst kann ich Euch nicht gehen lassen.&#x2019; &#x2018;Richtig,&#x2019; antwortete der Mann, &#x2018;ich habe nur vergessen meine Geldkatze umzuschnallen. Aber macht Euch keine Sorge, ihr sollt Sicherheit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0103] 104. Die klugen Leute. Eines Tages holte ein Bauer seinen hagebüchnen Stock aus der Ecke und sprach zu seiner Frau ‘Trine, ich gehe jetzt über Land und komme erst in drei Tagen wieder zurück. Wenn der Viehhändler in der Zeit bei uns einspricht und will unsere drei Kühe kaufen, so kannst du sie losschlagen, aber nicht anders als für zweihundert Thaler, geringer nicht, hörst du.’ ‘Geh nur in Gottes Namen,’ antwortete die Frau, ‘ich will das schon machen.’ ‘Ja, du!’ sprach der Mann, ‘du bist als ein kleines Kind einmal auf den Kopf gefallen, das hängt dir bis auf diese Stunde nach. Aber das sage ich dir, machst du dummes Zeug, so streiche ich dir den Rücken blau an, und das ohne Farbe, bloß mit dem Stock den ich da in der Hand habe, und der Anstrich soll ein ganzes Jahr halten, darauf kannst du dich verlassen.’ Damit gieng der Mann seiner Wege. Am andern Morgen kam der Viehhändler, und die Frau brauchte mit ihm nicht viel Worte zu machen. Als er die Kühe besehen hatte und den Preis vernahm, sagte er ‘das gebe ich gerne, so viel sind sie unter Brüdern werth. Jch will die Thiere gleich mitnehmen.’ Er machte sie von der Kette los und trieb sie aus dem Stall. Als er eben zum Hofthor hinaus wollte, faßte ihn die Frau am Ermel und sprach ‘ihr müßt mir erst die zweihundert Thaler geben, sonst kann ich Euch nicht gehen lassen.’ ‘Richtig,’ antwortete der Mann, ‘ich habe nur vergessen meine Geldkatze umzuschnallen. Aber macht Euch keine Sorge, ihr sollt Sicherheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/103
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/103>, abgerufen am 19.04.2024.