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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850.

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Gänse aufs Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie nieder und machte ihre Haare auf, die waren eitel Gold, und Kürdchen sah sie und freute sich wie sie glänzte, und wollte ihr ein paar ausraufen. Da sprach sie

'weh, weh, Windchen,
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß'n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt,
und wieder aufgesatzt.'

Und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein Hütchen weg wehte über alle Land, und es mußte ihm nachlaufen. Bis es wieder kam war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig, und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös und sprach nicht mit ihr; und so hüteten sie die Gänse bis daß es Abend ward, dann giengen sie nach Haus.

Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaus trieben, sprach die Jungfrau

'o du Falada, da du hangest,'

Falada antwortete

'o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen.'

Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fieng an ihr Haar auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte danach greifen, da sprach sie schnell

'weh, weh, Windchen,

Gänse aufs Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie nieder und machte ihre Haare auf, die waren eitel Gold, und Kürdchen sah sie und freute sich wie sie glänzte, und wollte ihr ein paar ausraufen. Da sprach sie

‘weh, weh, Windchen,
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt,
und wieder aufgesatzt.’

Und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein Hütchen weg wehte über alle Land, und es mußte ihm nachlaufen. Bis es wieder kam war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig, und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös und sprach nicht mit ihr; und so hüteten sie die Gänse bis daß es Abend ward, dann giengen sie nach Haus.

Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaus trieben, sprach die Jungfrau

‘o du Falada, da du hangest,’

Falada antwortete

‘o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen.’

Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fieng an ihr Haar auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte danach greifen, da sprach sie schnell

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[19/0031] Gänse aufs Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie nieder und machte ihre Haare auf, die waren eitel Gold, und Kürdchen sah sie und freute sich wie sie glänzte, und wollte ihr ein paar ausraufen. Da sprach sie ‘weh, weh, Windchen, nimm Kürdchen sein Hütchen, und laß’n sich mit jagen, bis ich mich geflochten und geschnatzt, und wieder aufgesatzt.’ Und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kürdchen sein Hütchen weg wehte über alle Land, und es mußte ihm nachlaufen. Bis es wieder kam war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig, und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös und sprach nicht mit ihr; und so hüteten sie die Gänse bis daß es Abend ward, dann giengen sie nach Haus. Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaus trieben, sprach die Jungfrau ‘o du Falada, da du hangest,’ Falada antwortete ‘o du Jungfer Königin, da du gangest, wenn das deine Mutter wüßte, das Herz thät ihr zerspringen.’ Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fieng an ihr Haar auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte danach greifen, da sprach sie schnell ‘weh, weh, Windchen,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1850, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1850/31>, abgerufen am 18.04.2024.