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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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sich dein Bruder sich Mühe giebt, aber an dir ist Hopfen und Malz verloren.' 'Ei, Vater', antwortete er, 'ich will gerne was lernen; ja, wenn's angienge, so möchte ich lernen daß mirs gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts.' Der älteste lachte als er das hörte, und dachte bei sich 'du lieber Gott, was ist mein Bruder ein Dummbart, aus dem wird mein Lebtag nichts: was ein Häckchen werden will, muß sich bei Zeiten krümmen.' Der Vater seufzte, und antwortete ihm 'das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brod wirst du damit nicht verdienen.'

Bald danach kam der Küster zu Besuch ins Haus, da klagte ihm der Vater seine Noth, und erzählte wie sein jüngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen wäre, er wisse nichts und lerne nichts. 'Denkt euch, als ich ihn gefragt, womit er sein Brod verdienen wollte, hat er gar verlangt das Gruseln zu lernen!' 'Wenns weiter nichts ist,' antwortete der Küster, 'das kann er bei mir lernen; thut ihn nur zu mir, ich werde ihn schon abhobeln.' Der Vater war es zufrieden, weil er dachte 'der Junge wird doch ein wenig zugestutzt;' und der Küster nahm ihn ins Haus, und er mußte die Glocken läuten. Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht, hieß ihn aufstehen, in den Kirchthurm steigen und läuten. 'Da wirst du schon lernen was Gruseln ist' dachte er, doch um ihm noch einen rechten Schrecken einzujagen, gieng er heimlich voraus, und stellte sich ins Schallloch, da sollte der Junge meinen es wär ein Gespenst. Der Junge stieg ruhig den Thurm hinauf, als er oben hinkam, sah er eine Gestalt im Schallloch. 'Wer steht dort?' rief er, aber

sich dein Bruder sich Muͤhe giebt, aber an dir ist Hopfen und Malz verloren.’ ‘Ei, Vater’, antwortete er, ‘ich will gerne was lernen; ja, wenn’s angienge, so moͤchte ich lernen daß mirs gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts.’ Der aͤlteste lachte als er das hoͤrte, und dachte bei sich ‘du lieber Gott, was ist mein Bruder ein Dummbart, aus dem wird mein Lebtag nichts: was ein Haͤckchen werden will, muß sich bei Zeiten kruͤmmen.’ Der Vater seufzte, und antwortete ihm ‘das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brod wirst du damit nicht verdienen.’

Bald danach kam der Kuͤster zu Besuch ins Haus, da klagte ihm der Vater seine Noth, und erzaͤhlte wie sein juͤngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen waͤre, er wisse nichts und lerne nichts. ‘Denkt euch, als ich ihn gefragt, womit er sein Brod verdienen wollte, hat er gar verlangt das Gruseln zu lernen!’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ antwortete der Kuͤster, ‘das kann er bei mir lernen; thut ihn nur zu mir, ich werde ihn schon abhobeln.’ Der Vater war es zufrieden, weil er dachte ‘der Junge wird doch ein wenig zugestutzt;’ und der Kuͤster nahm ihn ins Haus, und er mußte die Glocken laͤuten. Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht, hieß ihn aufstehen, in den Kirchthurm steigen und laͤuten. ‘Da wirst du schon lernen was Gruseln ist’ dachte er, doch um ihm noch einen rechten Schrecken einzujagen, gieng er heimlich voraus, und stellte sich ins Schallloch, da sollte der Junge meinen es waͤr ein Gespenst. Der Junge stieg ruhig den Thurm hinauf, als er oben hinkam, sah er eine Gestalt im Schallloch. ‘Wer steht dort?’ rief er, aber

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[19/0050] sich dein Bruder sich Muͤhe giebt, aber an dir ist Hopfen und Malz verloren.’ ‘Ei, Vater’, antwortete er, ‘ich will gerne was lernen; ja, wenn’s angienge, so moͤchte ich lernen daß mirs gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts.’ Der aͤlteste lachte als er das hoͤrte, und dachte bei sich ‘du lieber Gott, was ist mein Bruder ein Dummbart, aus dem wird mein Lebtag nichts: was ein Haͤckchen werden will, muß sich bei Zeiten kruͤmmen.’ Der Vater seufzte, und antwortete ihm ‘das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brod wirst du damit nicht verdienen.’ Bald danach kam der Kuͤster zu Besuch ins Haus, da klagte ihm der Vater seine Noth, und erzaͤhlte wie sein juͤngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen waͤre, er wisse nichts und lerne nichts. ‘Denkt euch, als ich ihn gefragt, womit er sein Brod verdienen wollte, hat er gar verlangt das Gruseln zu lernen!’ ‘Wenns weiter nichts ist,’ antwortete der Kuͤster, ‘das kann er bei mir lernen; thut ihn nur zu mir, ich werde ihn schon abhobeln.’ Der Vater war es zufrieden, weil er dachte ‘der Junge wird doch ein wenig zugestutzt;’ und der Kuͤster nahm ihn ins Haus, und er mußte die Glocken laͤuten. Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht, hieß ihn aufstehen, in den Kirchthurm steigen und laͤuten. ‘Da wirst du schon lernen was Gruseln ist’ dachte er, doch um ihm noch einen rechten Schrecken einzujagen, gieng er heimlich voraus, und stellte sich ins Schallloch, da sollte der Junge meinen es waͤr ein Gespenst. Der Junge stieg ruhig den Thurm hinauf, als er oben hinkam, sah er eine Gestalt im Schallloch. ‘Wer steht dort?’ rief er, aber

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/50>, abgerufen am 29.03.2024.