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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

mir diesen Reit zu Herzen, besorgte mir ein Stück Stoff von derselben Art, wie
mein Wnllmisch war, schnitt an diesem sämtliche Knöpfe ab, überzog ein Paar zu¬
sammengelegte Kronenstücke mit Stoff und nähte die so entstandnen Knöpfe an
meinen Wallmisch.

Den Großen Belt passierte ich in einem Segelboot, bezahlte dem Fährmann
eine Kleinigkeit für die Überfahrt und gelangte so an mein Reiseziel: das schöne
Kopenhagen. Hier logierte ich zum erstenmal in einer dänischen Herberge, die sich
von einer deutschen höchstens dadurch unterschied, daß die Kunden noch mehr "Soruff
schwachem," als es bei uns der Brauch ist. Meine Freude, in Kopenhagen zu leben,
war leider von kurzer Dauer: am vierten Tage meines Aufenthalts wurde ich von
einem Polizisten angehalten, der mich sogleich Deutsch ansprach und nach meinem
Aufenthaltsbuch fragte. Mit einem solchen konnte ich ihm natürlich nicht dienen,
dafür übergab ich ihm meine deutscheu Papiere, die er an sich nahm, während er
mich selbst höflich einlud, mit ihm zu gehn. Ich wurde einem Verhör unterworfen,
und nachdem meine Aussagen zu Protokoll genommen worden waren, zu drei Tagen
Knechen bei Wasser und Brot "verdonnert." Ich mußte meine Kluft ausziehn,
die sorgfältig durchsucht wurde, und erhielt einen Drillichanzug. Dieses Mißgeschick
faßte ich nicht gerade von der tragischen Seite auf, da meine Absicht, Kopenhagen
zu sehen, ja erreicht war; überdies hatte ich meine Ersparnisse ja gerettet, da man
auf der Polizei nicht auf deu Gedanken gekommen war, die Knöpfe zu untersuchen,
und so beschränkte sich mein Verlust auf die vier oder fünf Kronen, die ich bei
meiner Verhaftung in der Tasche gehabt hatte. Am Morgen des vierten Tages
erhielt ich meine Kleider zurück, bekam vom Staate Dänemark ein halbes Brot und
eine Krone als Reiseverzehr, wurde auf ein Schiff gebracht und auf diese etwas
gewaltsame Art wieder in das deutsche Vaterland zurückbefördert. Als das Schiff
in Kiel anlangte, gab mir der Kapitän meine Papiere zurück, setzte mich auf freien
Fuß und sagte zum Abschiede: Nun reisen Sie in Gottes Namen weiter. Die
Reise hatte von Morgens acht Uhr bis zum nächsten Morgen um zehn Uhr
gedauert.


Wieder in Deutschland

In Kiel ging ich zunächst auf eine Bank, um meine dänischen Knöpfe in gang¬
bare deutsche Reichsmünze umzuwechseln. Der Bankbeamte, mit dem ich zu tun
hatte, sah mich nicht ohne Mißtrauen an, erfüllte aber meinen Wunsch, nachdem ich
ihn darüber aufgeklärt hatte, wie ich zu dem Gelde gekommen war. Nach Er¬
ledigung dieses Geschäfts begab ich mich zu einem Trödler, um mich von Kopf bis
zu Fuß neu "einzupuppen," da mein Äußeres in Dänemark stark mitgenommen
worden war. Ich kaufte mir einen "Wallmisch" (Rock), ein Paar "Weilchen"
(Hosen), ein Paar "Trittchen" (Schuhe), zwei "Stauden" (Hemden) und einen
"Obermann" (Hut). So ausgerüstet machte ich mich auf den Weg nach Hamburg.
Unterwegs traf ich einen Ökonomen, der auch auf der Walze war und einem Sol¬
daten auf dem Marsche nicht unähnlich sah. Er trug nämlich statt des Berliners
einen Tornister mit darumgerolltem Mantel. Wir setzten unsre Wanderung ge¬
meinsam fort und stießen unterwegs auf noch etwa sechs andre Kunden, sodaß wir
am Abend zu achten auf dem Heuboden eines Dorfkruges "türmten" (schliefen).
Wie bei allen Bauernhäusern in der dortigen Gegend waren sämtliche Räumlich¬
keiten, also auch die Ställe, Scheunen usw. unter einem Dach vereinigt. Als ich
am Morgen erwachte, bemerkte ich, wie eine Henne, die gerade ein El gelegt hatte,
dieses Ereignis dem ganzen Hause durch ihr Gegacker verkündete. Ich suchte nach
dem Nest, fand es auch und "zottelte" die darin liegenden sechs Eier, die ich später
als willkommnes Frühstück verzehrte.

Beim Einwandern in Hamburg verteilten wir uns, ich ging auf die Bäcker¬
herberge und hielt mich dort vierzehn Tage auf. Meine freie Zeit benutzte ich
wieder zu Wanderungen durch die Stadt und die Hafenanlagen und sah bei dieser
Gelegenheit eines Tags, daß alle im Hafen liegenden Schiffe Flaggenschmuck an-


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

mir diesen Reit zu Herzen, besorgte mir ein Stück Stoff von derselben Art, wie
mein Wnllmisch war, schnitt an diesem sämtliche Knöpfe ab, überzog ein Paar zu¬
sammengelegte Kronenstücke mit Stoff und nähte die so entstandnen Knöpfe an
meinen Wallmisch.

Den Großen Belt passierte ich in einem Segelboot, bezahlte dem Fährmann
eine Kleinigkeit für die Überfahrt und gelangte so an mein Reiseziel: das schöne
Kopenhagen. Hier logierte ich zum erstenmal in einer dänischen Herberge, die sich
von einer deutschen höchstens dadurch unterschied, daß die Kunden noch mehr „Soruff
schwachem," als es bei uns der Brauch ist. Meine Freude, in Kopenhagen zu leben,
war leider von kurzer Dauer: am vierten Tage meines Aufenthalts wurde ich von
einem Polizisten angehalten, der mich sogleich Deutsch ansprach und nach meinem
Aufenthaltsbuch fragte. Mit einem solchen konnte ich ihm natürlich nicht dienen,
dafür übergab ich ihm meine deutscheu Papiere, die er an sich nahm, während er
mich selbst höflich einlud, mit ihm zu gehn. Ich wurde einem Verhör unterworfen,
und nachdem meine Aussagen zu Protokoll genommen worden waren, zu drei Tagen
Knechen bei Wasser und Brot „verdonnert." Ich mußte meine Kluft ausziehn,
die sorgfältig durchsucht wurde, und erhielt einen Drillichanzug. Dieses Mißgeschick
faßte ich nicht gerade von der tragischen Seite auf, da meine Absicht, Kopenhagen
zu sehen, ja erreicht war; überdies hatte ich meine Ersparnisse ja gerettet, da man
auf der Polizei nicht auf deu Gedanken gekommen war, die Knöpfe zu untersuchen,
und so beschränkte sich mein Verlust auf die vier oder fünf Kronen, die ich bei
meiner Verhaftung in der Tasche gehabt hatte. Am Morgen des vierten Tages
erhielt ich meine Kleider zurück, bekam vom Staate Dänemark ein halbes Brot und
eine Krone als Reiseverzehr, wurde auf ein Schiff gebracht und auf diese etwas
gewaltsame Art wieder in das deutsche Vaterland zurückbefördert. Als das Schiff
in Kiel anlangte, gab mir der Kapitän meine Papiere zurück, setzte mich auf freien
Fuß und sagte zum Abschiede: Nun reisen Sie in Gottes Namen weiter. Die
Reise hatte von Morgens acht Uhr bis zum nächsten Morgen um zehn Uhr
gedauert.


Wieder in Deutschland

In Kiel ging ich zunächst auf eine Bank, um meine dänischen Knöpfe in gang¬
bare deutsche Reichsmünze umzuwechseln. Der Bankbeamte, mit dem ich zu tun
hatte, sah mich nicht ohne Mißtrauen an, erfüllte aber meinen Wunsch, nachdem ich
ihn darüber aufgeklärt hatte, wie ich zu dem Gelde gekommen war. Nach Er¬
ledigung dieses Geschäfts begab ich mich zu einem Trödler, um mich von Kopf bis
zu Fuß neu „einzupuppen," da mein Äußeres in Dänemark stark mitgenommen
worden war. Ich kaufte mir einen „Wallmisch" (Rock), ein Paar „Weilchen"
(Hosen), ein Paar „Trittchen" (Schuhe), zwei „Stauden" (Hemden) und einen
„Obermann" (Hut). So ausgerüstet machte ich mich auf den Weg nach Hamburg.
Unterwegs traf ich einen Ökonomen, der auch auf der Walze war und einem Sol¬
daten auf dem Marsche nicht unähnlich sah. Er trug nämlich statt des Berliners
einen Tornister mit darumgerolltem Mantel. Wir setzten unsre Wanderung ge¬
meinsam fort und stießen unterwegs auf noch etwa sechs andre Kunden, sodaß wir
am Abend zu achten auf dem Heuboden eines Dorfkruges „türmten" (schliefen).
Wie bei allen Bauernhäusern in der dortigen Gegend waren sämtliche Räumlich¬
keiten, also auch die Ställe, Scheunen usw. unter einem Dach vereinigt. Als ich
am Morgen erwachte, bemerkte ich, wie eine Henne, die gerade ein El gelegt hatte,
dieses Ereignis dem ganzen Hause durch ihr Gegacker verkündete. Ich suchte nach
dem Nest, fand es auch und „zottelte" die darin liegenden sechs Eier, die ich später
als willkommnes Frühstück verzehrte.

Beim Einwandern in Hamburg verteilten wir uns, ich ging auf die Bäcker¬
herberge und hielt mich dort vierzehn Tage auf. Meine freie Zeit benutzte ich
wieder zu Wanderungen durch die Stadt und die Hafenanlagen und sah bei dieser
Gelegenheit eines Tags, daß alle im Hafen liegenden Schiffe Flaggenschmuck an-


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[0099] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren mir diesen Reit zu Herzen, besorgte mir ein Stück Stoff von derselben Art, wie mein Wnllmisch war, schnitt an diesem sämtliche Knöpfe ab, überzog ein Paar zu¬ sammengelegte Kronenstücke mit Stoff und nähte die so entstandnen Knöpfe an meinen Wallmisch. Den Großen Belt passierte ich in einem Segelboot, bezahlte dem Fährmann eine Kleinigkeit für die Überfahrt und gelangte so an mein Reiseziel: das schöne Kopenhagen. Hier logierte ich zum erstenmal in einer dänischen Herberge, die sich von einer deutschen höchstens dadurch unterschied, daß die Kunden noch mehr „Soruff schwachem," als es bei uns der Brauch ist. Meine Freude, in Kopenhagen zu leben, war leider von kurzer Dauer: am vierten Tage meines Aufenthalts wurde ich von einem Polizisten angehalten, der mich sogleich Deutsch ansprach und nach meinem Aufenthaltsbuch fragte. Mit einem solchen konnte ich ihm natürlich nicht dienen, dafür übergab ich ihm meine deutscheu Papiere, die er an sich nahm, während er mich selbst höflich einlud, mit ihm zu gehn. Ich wurde einem Verhör unterworfen, und nachdem meine Aussagen zu Protokoll genommen worden waren, zu drei Tagen Knechen bei Wasser und Brot „verdonnert." Ich mußte meine Kluft ausziehn, die sorgfältig durchsucht wurde, und erhielt einen Drillichanzug. Dieses Mißgeschick faßte ich nicht gerade von der tragischen Seite auf, da meine Absicht, Kopenhagen zu sehen, ja erreicht war; überdies hatte ich meine Ersparnisse ja gerettet, da man auf der Polizei nicht auf deu Gedanken gekommen war, die Knöpfe zu untersuchen, und so beschränkte sich mein Verlust auf die vier oder fünf Kronen, die ich bei meiner Verhaftung in der Tasche gehabt hatte. Am Morgen des vierten Tages erhielt ich meine Kleider zurück, bekam vom Staate Dänemark ein halbes Brot und eine Krone als Reiseverzehr, wurde auf ein Schiff gebracht und auf diese etwas gewaltsame Art wieder in das deutsche Vaterland zurückbefördert. Als das Schiff in Kiel anlangte, gab mir der Kapitän meine Papiere zurück, setzte mich auf freien Fuß und sagte zum Abschiede: Nun reisen Sie in Gottes Namen weiter. Die Reise hatte von Morgens acht Uhr bis zum nächsten Morgen um zehn Uhr gedauert. Wieder in Deutschland In Kiel ging ich zunächst auf eine Bank, um meine dänischen Knöpfe in gang¬ bare deutsche Reichsmünze umzuwechseln. Der Bankbeamte, mit dem ich zu tun hatte, sah mich nicht ohne Mißtrauen an, erfüllte aber meinen Wunsch, nachdem ich ihn darüber aufgeklärt hatte, wie ich zu dem Gelde gekommen war. Nach Er¬ ledigung dieses Geschäfts begab ich mich zu einem Trödler, um mich von Kopf bis zu Fuß neu „einzupuppen," da mein Äußeres in Dänemark stark mitgenommen worden war. Ich kaufte mir einen „Wallmisch" (Rock), ein Paar „Weilchen" (Hosen), ein Paar „Trittchen" (Schuhe), zwei „Stauden" (Hemden) und einen „Obermann" (Hut). So ausgerüstet machte ich mich auf den Weg nach Hamburg. Unterwegs traf ich einen Ökonomen, der auch auf der Walze war und einem Sol¬ daten auf dem Marsche nicht unähnlich sah. Er trug nämlich statt des Berliners einen Tornister mit darumgerolltem Mantel. Wir setzten unsre Wanderung ge¬ meinsam fort und stießen unterwegs auf noch etwa sechs andre Kunden, sodaß wir am Abend zu achten auf dem Heuboden eines Dorfkruges „türmten" (schliefen). Wie bei allen Bauernhäusern in der dortigen Gegend waren sämtliche Räumlich¬ keiten, also auch die Ställe, Scheunen usw. unter einem Dach vereinigt. Als ich am Morgen erwachte, bemerkte ich, wie eine Henne, die gerade ein El gelegt hatte, dieses Ereignis dem ganzen Hause durch ihr Gegacker verkündete. Ich suchte nach dem Nest, fand es auch und „zottelte" die darin liegenden sechs Eier, die ich später als willkommnes Frühstück verzehrte. Beim Einwandern in Hamburg verteilten wir uns, ich ging auf die Bäcker¬ herberge und hielt mich dort vierzehn Tage auf. Meine freie Zeit benutzte ich wieder zu Wanderungen durch die Stadt und die Hafenanlagen und sah bei dieser Gelegenheit eines Tags, daß alle im Hafen liegenden Schiffe Flaggenschmuck an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/99>, abgerufen am 27.09.2024.