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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Junge Herzen

Diese 34 ablehnenden Abstimmungen ergeben deutlich, daß die Partei
dabei fast immer nur von parteipolitischer Tendenzen, nicht von sachlichen Er¬
wägungen geleitet wurde, sonst hätte ihr Verhalten gegenüber den weitaus
meisten dieser Vorlagen gerade das entgegengesetzte sein müssen.




Junge Herzen
E Lhristopher Boeck rzählung von
l.. Das Zimmer der Erzieherin

er in aller Welt hat nur die blaue Hyazinthe hier vor das Fenster
gestellt? Es ist gar nicht gut für junge Mädchen, so etwas in
ihrem Zimmer zu haben, dann träumen sie des Nachts nur wirres
Zeug.

Habe Vater vorhin die Treppe damit heraufkommen sehen.

So, das hast du gesehen, Ärmchen? Dann bitte doch deinen
Vater, einen Augenblick heraufzukommen.

Ja, Mutter; meinst du aber nicht --

Was soll ich meinen?

Daß wir den alten Schaukelstuhl heraushetzen könnten? Im Boudoir nimmt
er sich eigentlich nicht gut aus.

Glaubst du, daß ich einen Schaukelstuhl gehabt habe, als ich beim Grafen
Erzieherin war? -- Geh jetzt hinunter, und dann sage Stine gleich, daß sie
einen Leuchter bringen solle. Die Lampe ist in dieser Jahreszeit gänzlich überflüssig.

Annas blonder Zopf verschwand durch die Tür.

-- Und das Streichholzstativ -- es steht alles auf dem Küchentisch, rief die
Mutter hinter ihr her, und dann sagte sie, in die Stube hinein: Wir wollen dieser
dummen kleinen Gouvernante doch wahrhaftig keine Graupen in den Kopf setzen,
nicht wahr, Desideria?

Desideria schüttelte ihren vierzehnjährigen Kopf mit den dunkeln Locken ein wenig
verächtlich und bemerkte: Ne Prinzessin ist sie ja wohl auch gerade nicht, Mutter!

Frau Lönberg sah sich um. Sie soll es nett haben, damit Ludvigsens Er¬
zieherin nicht auf uns sticheln kann; die hat es ja wie eine Hofdame. Ach, da
bist du ja, Mads!

Der Apotheker erschien in diesem Augenblick in der Tür.

Was wünschst du, liebe Jelde?

Ich wünsche keine blauen Hyazinthen hier oben zu haben. Wie kommst du
nur darauf?

Ich dachte nur --

Sein Gesicht nahm eine Färbung an, die stark an die der Hyazinthe er¬
innerte.

So, du dachtest! Ach, Desideria, laufe doch mal hinunter und sieh nach, ob
Stine nicht kommt!

Da ist Stine, Mutter!

Stine kam mit dem Leuchter und den Streichhölzern herein.

Da sind die Sachen. Kann ich Ihnen sonst noch helfen?

Wie oft soll ich es sagen, Stine, daß Sie mich in der dritten Person an¬
reden sollen. Es schickt sich nicht, daß Sie die Herrschaft Sie anreden! Nicht
einer von den Dienstboten beim Grafen nimmt sich das heraus, und sie sind doch
alle nur vom Lande. Stellen Sie die Sachen hier auf den Tisch, und dann gehn


Junge Herzen

Diese 34 ablehnenden Abstimmungen ergeben deutlich, daß die Partei
dabei fast immer nur von parteipolitischer Tendenzen, nicht von sachlichen Er¬
wägungen geleitet wurde, sonst hätte ihr Verhalten gegenüber den weitaus
meisten dieser Vorlagen gerade das entgegengesetzte sein müssen.




Junge Herzen
E Lhristopher Boeck rzählung von
l.. Das Zimmer der Erzieherin

er in aller Welt hat nur die blaue Hyazinthe hier vor das Fenster
gestellt? Es ist gar nicht gut für junge Mädchen, so etwas in
ihrem Zimmer zu haben, dann träumen sie des Nachts nur wirres
Zeug.

Habe Vater vorhin die Treppe damit heraufkommen sehen.

So, das hast du gesehen, Ärmchen? Dann bitte doch deinen
Vater, einen Augenblick heraufzukommen.

Ja, Mutter; meinst du aber nicht —

Was soll ich meinen?

Daß wir den alten Schaukelstuhl heraushetzen könnten? Im Boudoir nimmt
er sich eigentlich nicht gut aus.

Glaubst du, daß ich einen Schaukelstuhl gehabt habe, als ich beim Grafen
Erzieherin war? — Geh jetzt hinunter, und dann sage Stine gleich, daß sie
einen Leuchter bringen solle. Die Lampe ist in dieser Jahreszeit gänzlich überflüssig.

Annas blonder Zopf verschwand durch die Tür.

— Und das Streichholzstativ — es steht alles auf dem Küchentisch, rief die
Mutter hinter ihr her, und dann sagte sie, in die Stube hinein: Wir wollen dieser
dummen kleinen Gouvernante doch wahrhaftig keine Graupen in den Kopf setzen,
nicht wahr, Desideria?

Desideria schüttelte ihren vierzehnjährigen Kopf mit den dunkeln Locken ein wenig
verächtlich und bemerkte: Ne Prinzessin ist sie ja wohl auch gerade nicht, Mutter!

Frau Lönberg sah sich um. Sie soll es nett haben, damit Ludvigsens Er¬
zieherin nicht auf uns sticheln kann; die hat es ja wie eine Hofdame. Ach, da
bist du ja, Mads!

Der Apotheker erschien in diesem Augenblick in der Tür.

Was wünschst du, liebe Jelde?

Ich wünsche keine blauen Hyazinthen hier oben zu haben. Wie kommst du
nur darauf?

Ich dachte nur —

Sein Gesicht nahm eine Färbung an, die stark an die der Hyazinthe er¬
innerte.

So, du dachtest! Ach, Desideria, laufe doch mal hinunter und sieh nach, ob
Stine nicht kommt!

Da ist Stine, Mutter!

Stine kam mit dem Leuchter und den Streichhölzern herein.

Da sind die Sachen. Kann ich Ihnen sonst noch helfen?

Wie oft soll ich es sagen, Stine, daß Sie mich in der dritten Person an¬
reden sollen. Es schickt sich nicht, daß Sie die Herrschaft Sie anreden! Nicht
einer von den Dienstboten beim Grafen nimmt sich das heraus, und sie sind doch
alle nur vom Lande. Stellen Sie die Sachen hier auf den Tisch, und dann gehn


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[0440] Junge Herzen Diese 34 ablehnenden Abstimmungen ergeben deutlich, daß die Partei dabei fast immer nur von parteipolitischer Tendenzen, nicht von sachlichen Er¬ wägungen geleitet wurde, sonst hätte ihr Verhalten gegenüber den weitaus meisten dieser Vorlagen gerade das entgegengesetzte sein müssen. Junge Herzen E Lhristopher Boeck rzählung von l.. Das Zimmer der Erzieherin er in aller Welt hat nur die blaue Hyazinthe hier vor das Fenster gestellt? Es ist gar nicht gut für junge Mädchen, so etwas in ihrem Zimmer zu haben, dann träumen sie des Nachts nur wirres Zeug. Habe Vater vorhin die Treppe damit heraufkommen sehen. So, das hast du gesehen, Ärmchen? Dann bitte doch deinen Vater, einen Augenblick heraufzukommen. Ja, Mutter; meinst du aber nicht — Was soll ich meinen? Daß wir den alten Schaukelstuhl heraushetzen könnten? Im Boudoir nimmt er sich eigentlich nicht gut aus. Glaubst du, daß ich einen Schaukelstuhl gehabt habe, als ich beim Grafen Erzieherin war? — Geh jetzt hinunter, und dann sage Stine gleich, daß sie einen Leuchter bringen solle. Die Lampe ist in dieser Jahreszeit gänzlich überflüssig. Annas blonder Zopf verschwand durch die Tür. — Und das Streichholzstativ — es steht alles auf dem Küchentisch, rief die Mutter hinter ihr her, und dann sagte sie, in die Stube hinein: Wir wollen dieser dummen kleinen Gouvernante doch wahrhaftig keine Graupen in den Kopf setzen, nicht wahr, Desideria? Desideria schüttelte ihren vierzehnjährigen Kopf mit den dunkeln Locken ein wenig verächtlich und bemerkte: Ne Prinzessin ist sie ja wohl auch gerade nicht, Mutter! Frau Lönberg sah sich um. Sie soll es nett haben, damit Ludvigsens Er¬ zieherin nicht auf uns sticheln kann; die hat es ja wie eine Hofdame. Ach, da bist du ja, Mads! Der Apotheker erschien in diesem Augenblick in der Tür. Was wünschst du, liebe Jelde? Ich wünsche keine blauen Hyazinthen hier oben zu haben. Wie kommst du nur darauf? Ich dachte nur — Sein Gesicht nahm eine Färbung an, die stark an die der Hyazinthe er¬ innerte. So, du dachtest! Ach, Desideria, laufe doch mal hinunter und sieh nach, ob Stine nicht kommt! Da ist Stine, Mutter! Stine kam mit dem Leuchter und den Streichhölzern herein. Da sind die Sachen. Kann ich Ihnen sonst noch helfen? Wie oft soll ich es sagen, Stine, daß Sie mich in der dritten Person an¬ reden sollen. Es schickt sich nicht, daß Sie die Herrschaft Sie anreden! Nicht einer von den Dienstboten beim Grafen nimmt sich das heraus, und sie sind doch alle nur vom Lande. Stellen Sie die Sachen hier auf den Tisch, und dann gehn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/440>, abgerufen am 27.09.2024.