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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runde", Komödianten und wilden Tieren

Sie kämpfen, Luzinde wird entwaffnet, aber durch die ankommenden Freunde
geschützt.

In dem Schauspiele "Die Geschwister," das in der ersten Zeit von Goethes
Aufenthalt in Weimar 1776 entstand, tritt uns ein treues Abbild der Auf¬
fassung entgegen, wie sich junge Mädchen jener Zeit den Geliebten dachten
und im Traum vorstellten. Marianne gesteht ihrem vermeintlichen Bruder
Wilhelm, daß er ihr ganzes Herz, ihren ganzen Kopf einnehme, daß die
liebsten und besten Menschen in den Romanen alle aussahen wie er, daß sie
ihn in den großen Gärten spazieren, reiten, reisen und sich duellieren sah.

In dem Singspiele "Die ungleichen Hausgenossen," das unvollendet ge¬
blieben ist und in den Tag- und Jahresheften in das Jahr 1789 verwiesen
wird, sollte es nach den vorhandnen Aufzeichnungen des Dichters wahrscheinlich
auch zum Duell kommen. In diesem Sinne ist das Fragment zu verstehn:

In dem Lustspiel "Der Grvßkophta" erkennt der Ritter den Betrug des
Grafen und ruft ihm drohend zu, daß seine Geister ihn nicht erschrecken, und
daß eine Klinge gegen ihn bereit sei. Der Graf weicht feige aus, ein drei¬
facher Harnisch der Rechtschaffenheit, der Weisheit und der Zauberkraft schütze
seine Brust, der Ritter werde darum die Stücke der zerbrochnen Klinge beschämt
zu seinen Füßen suchen. Schluß folgt)




Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren
Robert Thomas Tebe"seri"nerungen von
(Fortsetzung)

es blieb einige Tage in Köln auf der christlichen Herberge, wo es
ziemlich schmutzig war, und wanderte dann über Deutz, wo ich eine
Nacht zubrachte, Mülheim a. Rh. und Düsseldorf nach Krefeld. Hier
ging ich wieder einmal auf falschen Tappen und besuchte die Metzger.
Einer von ihnen stellte mit mir ein regelrechtes Examen an, zeigte
mir allerhand Fleischstücke, über deren Kenntnis ich mich ausweisen
mußte, und erlaubte mir dann, ein Stück Wurst abzuschneiden, eine Aufforderung,
der ich mit mehr Eifer als Bescheidenheit nachkam, wobei er mit einer gewissen
Anerkennung bemerkte, ich sei ein "zünftiger" Metzger. In Elberfeld langte ich


Unter Runde», Komödianten und wilden Tieren

Sie kämpfen, Luzinde wird entwaffnet, aber durch die ankommenden Freunde
geschützt.

In dem Schauspiele „Die Geschwister," das in der ersten Zeit von Goethes
Aufenthalt in Weimar 1776 entstand, tritt uns ein treues Abbild der Auf¬
fassung entgegen, wie sich junge Mädchen jener Zeit den Geliebten dachten
und im Traum vorstellten. Marianne gesteht ihrem vermeintlichen Bruder
Wilhelm, daß er ihr ganzes Herz, ihren ganzen Kopf einnehme, daß die
liebsten und besten Menschen in den Romanen alle aussahen wie er, daß sie
ihn in den großen Gärten spazieren, reiten, reisen und sich duellieren sah.

In dem Singspiele „Die ungleichen Hausgenossen," das unvollendet ge¬
blieben ist und in den Tag- und Jahresheften in das Jahr 1789 verwiesen
wird, sollte es nach den vorhandnen Aufzeichnungen des Dichters wahrscheinlich
auch zum Duell kommen. In diesem Sinne ist das Fragment zu verstehn:

In dem Lustspiel „Der Grvßkophta" erkennt der Ritter den Betrug des
Grafen und ruft ihm drohend zu, daß seine Geister ihn nicht erschrecken, und
daß eine Klinge gegen ihn bereit sei. Der Graf weicht feige aus, ein drei¬
facher Harnisch der Rechtschaffenheit, der Weisheit und der Zauberkraft schütze
seine Brust, der Ritter werde darum die Stücke der zerbrochnen Klinge beschämt
zu seinen Füßen suchen. Schluß folgt)




Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren
Robert Thomas Tebe»seri»nerungen von
(Fortsetzung)

es blieb einige Tage in Köln auf der christlichen Herberge, wo es
ziemlich schmutzig war, und wanderte dann über Deutz, wo ich eine
Nacht zubrachte, Mülheim a. Rh. und Düsseldorf nach Krefeld. Hier
ging ich wieder einmal auf falschen Tappen und besuchte die Metzger.
Einer von ihnen stellte mit mir ein regelrechtes Examen an, zeigte
mir allerhand Fleischstücke, über deren Kenntnis ich mich ausweisen
mußte, und erlaubte mir dann, ein Stück Wurst abzuschneiden, eine Aufforderung,
der ich mit mehr Eifer als Bescheidenheit nachkam, wobei er mit einer gewissen
Anerkennung bemerkte, ich sei ein „zünftiger" Metzger. In Elberfeld langte ich


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[0154] Unter Runde», Komödianten und wilden Tieren Sie kämpfen, Luzinde wird entwaffnet, aber durch die ankommenden Freunde geschützt. In dem Schauspiele „Die Geschwister," das in der ersten Zeit von Goethes Aufenthalt in Weimar 1776 entstand, tritt uns ein treues Abbild der Auf¬ fassung entgegen, wie sich junge Mädchen jener Zeit den Geliebten dachten und im Traum vorstellten. Marianne gesteht ihrem vermeintlichen Bruder Wilhelm, daß er ihr ganzes Herz, ihren ganzen Kopf einnehme, daß die liebsten und besten Menschen in den Romanen alle aussahen wie er, daß sie ihn in den großen Gärten spazieren, reiten, reisen und sich duellieren sah. In dem Singspiele „Die ungleichen Hausgenossen," das unvollendet ge¬ blieben ist und in den Tag- und Jahresheften in das Jahr 1789 verwiesen wird, sollte es nach den vorhandnen Aufzeichnungen des Dichters wahrscheinlich auch zum Duell kommen. In diesem Sinne ist das Fragment zu verstehn: In dem Lustspiel „Der Grvßkophta" erkennt der Ritter den Betrug des Grafen und ruft ihm drohend zu, daß seine Geister ihn nicht erschrecken, und daß eine Klinge gegen ihn bereit sei. Der Graf weicht feige aus, ein drei¬ facher Harnisch der Rechtschaffenheit, der Weisheit und der Zauberkraft schütze seine Brust, der Ritter werde darum die Stücke der zerbrochnen Klinge beschämt zu seinen Füßen suchen. Schluß folgt) Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren Robert Thomas Tebe»seri»nerungen von (Fortsetzung) es blieb einige Tage in Köln auf der christlichen Herberge, wo es ziemlich schmutzig war, und wanderte dann über Deutz, wo ich eine Nacht zubrachte, Mülheim a. Rh. und Düsseldorf nach Krefeld. Hier ging ich wieder einmal auf falschen Tappen und besuchte die Metzger. Einer von ihnen stellte mit mir ein regelrechtes Examen an, zeigte mir allerhand Fleischstücke, über deren Kenntnis ich mich ausweisen mußte, und erlaubte mir dann, ein Stück Wurst abzuschneiden, eine Aufforderung, der ich mit mehr Eifer als Bescheidenheit nachkam, wobei er mit einer gewissen Anerkennung bemerkte, ich sei ein „zünftiger" Metzger. In Elberfeld langte ich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/154>, abgerufen am 27.09.2024.