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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Fremdenlegionen

en modernen Menschen ist der Begriff Fremdenlegion kaum noch
geläufig. Die einzigen Staaten, die davon noch etwas in ihren
Armeen übrig behalten haben, wenn man das Wort in seiner
engern Fassung nimmt, sind die Franzosen und die Holländer.
Aber auch in den Heeren dieser Völker sind die Regimenter, die
auf den alten Stamm gesetzt sind, jetzt schon so nationalisiert, daß sie kaum
noch den Namen von Fremdenlegionen verdienen. Besonders muß das von
den Truppen gesagt werden, die im holländischen Ostindien den Kolonialdienst
versehen.

Die Regimenter, die von der niederländischen Regierung in Dienst gehalten
werden, um ihre Herrschaft auf der Insel Sumatra zu behaupten, bestehn zu
zwei Dritteln aus Nationalholläudern und Eingebornen der Inseln, während
den Rest Deutsche stellen, die aus Rheinland. Westfalen und Hannover zu¬
fließen. Kann schon aus diesem Grunde das letzte Drittel kaum als fremd¬
ländisch bezeichnet werden, so kommt noch hinzu, daß es hauptsächlich die
Grenzdistrikte der genannten Provinzen sind, die den Niederlanden den ge¬
wünschten Bedarf liefern. Meist sind es auch Leute, die schon in preußischen
Kavallerieregimentern gedient haben, und denen die Aussicht auf guten Sold
und eine hohe Pension die Kapitulation im Heere des Nachbarstaats nahelegen.
Noch etwas andres darf man hierbei nicht außer acht lassen.

Von früher her ist man vielfach noch der Meinung, daß es der großen
Mehrzahl nach sogenannte entgleiste Existenzen seien, die den Dienst in der
holländischen Kolonialarmee suchen. Das ist keineswegs der Fall und stimmt
ebensowenig für die nationalhollündischen Soldaten wie für die, die von
außenher zugezogen sind. Daß allerdings aus guten bürgerlichen Stellungen
keine Kapitulanten zugelaufen kommen, ist selbstverständlich, aber andrerseits
liegt es auch auf der Hand, daß mit dem Abhub der Bevölkerungen der nieder¬
ländischen Armeeverwaltung keineswegs gedient wäre. Mag immerhin hier
und da ein Verlorner Sohn mit unterlaufen, dem der Boden der Heimat zu
heiß wurde, so vermag doch seine Erscheinung den Truppen, in die er tritt,
auch nicht entfernt den Charakter aufzudrücken. Im Gegenteil, im Laufe der
Jahre hat schon mancher Gescheiterte in dem festen militärischen Verbände den


Grenzboten III 1905 15


Fremdenlegionen

en modernen Menschen ist der Begriff Fremdenlegion kaum noch
geläufig. Die einzigen Staaten, die davon noch etwas in ihren
Armeen übrig behalten haben, wenn man das Wort in seiner
engern Fassung nimmt, sind die Franzosen und die Holländer.
Aber auch in den Heeren dieser Völker sind die Regimenter, die
auf den alten Stamm gesetzt sind, jetzt schon so nationalisiert, daß sie kaum
noch den Namen von Fremdenlegionen verdienen. Besonders muß das von
den Truppen gesagt werden, die im holländischen Ostindien den Kolonialdienst
versehen.

Die Regimenter, die von der niederländischen Regierung in Dienst gehalten
werden, um ihre Herrschaft auf der Insel Sumatra zu behaupten, bestehn zu
zwei Dritteln aus Nationalholläudern und Eingebornen der Inseln, während
den Rest Deutsche stellen, die aus Rheinland. Westfalen und Hannover zu¬
fließen. Kann schon aus diesem Grunde das letzte Drittel kaum als fremd¬
ländisch bezeichnet werden, so kommt noch hinzu, daß es hauptsächlich die
Grenzdistrikte der genannten Provinzen sind, die den Niederlanden den ge¬
wünschten Bedarf liefern. Meist sind es auch Leute, die schon in preußischen
Kavallerieregimentern gedient haben, und denen die Aussicht auf guten Sold
und eine hohe Pension die Kapitulation im Heere des Nachbarstaats nahelegen.
Noch etwas andres darf man hierbei nicht außer acht lassen.

Von früher her ist man vielfach noch der Meinung, daß es der großen
Mehrzahl nach sogenannte entgleiste Existenzen seien, die den Dienst in der
holländischen Kolonialarmee suchen. Das ist keineswegs der Fall und stimmt
ebensowenig für die nationalhollündischen Soldaten wie für die, die von
außenher zugezogen sind. Daß allerdings aus guten bürgerlichen Stellungen
keine Kapitulanten zugelaufen kommen, ist selbstverständlich, aber andrerseits
liegt es auch auf der Hand, daß mit dem Abhub der Bevölkerungen der nieder¬
ländischen Armeeverwaltung keineswegs gedient wäre. Mag immerhin hier
und da ein Verlorner Sohn mit unterlaufen, dem der Boden der Heimat zu
heiß wurde, so vermag doch seine Erscheinung den Truppen, in die er tritt,
auch nicht entfernt den Charakter aufzudrücken. Im Gegenteil, im Laufe der
Jahre hat schon mancher Gescheiterte in dem festen militärischen Verbände den


Grenzboten III 1905 15
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[0121] [Abbildung] Fremdenlegionen en modernen Menschen ist der Begriff Fremdenlegion kaum noch geläufig. Die einzigen Staaten, die davon noch etwas in ihren Armeen übrig behalten haben, wenn man das Wort in seiner engern Fassung nimmt, sind die Franzosen und die Holländer. Aber auch in den Heeren dieser Völker sind die Regimenter, die auf den alten Stamm gesetzt sind, jetzt schon so nationalisiert, daß sie kaum noch den Namen von Fremdenlegionen verdienen. Besonders muß das von den Truppen gesagt werden, die im holländischen Ostindien den Kolonialdienst versehen. Die Regimenter, die von der niederländischen Regierung in Dienst gehalten werden, um ihre Herrschaft auf der Insel Sumatra zu behaupten, bestehn zu zwei Dritteln aus Nationalholläudern und Eingebornen der Inseln, während den Rest Deutsche stellen, die aus Rheinland. Westfalen und Hannover zu¬ fließen. Kann schon aus diesem Grunde das letzte Drittel kaum als fremd¬ ländisch bezeichnet werden, so kommt noch hinzu, daß es hauptsächlich die Grenzdistrikte der genannten Provinzen sind, die den Niederlanden den ge¬ wünschten Bedarf liefern. Meist sind es auch Leute, die schon in preußischen Kavallerieregimentern gedient haben, und denen die Aussicht auf guten Sold und eine hohe Pension die Kapitulation im Heere des Nachbarstaats nahelegen. Noch etwas andres darf man hierbei nicht außer acht lassen. Von früher her ist man vielfach noch der Meinung, daß es der großen Mehrzahl nach sogenannte entgleiste Existenzen seien, die den Dienst in der holländischen Kolonialarmee suchen. Das ist keineswegs der Fall und stimmt ebensowenig für die nationalhollündischen Soldaten wie für die, die von außenher zugezogen sind. Daß allerdings aus guten bürgerlichen Stellungen keine Kapitulanten zugelaufen kommen, ist selbstverständlich, aber andrerseits liegt es auch auf der Hand, daß mit dem Abhub der Bevölkerungen der nieder¬ ländischen Armeeverwaltung keineswegs gedient wäre. Mag immerhin hier und da ein Verlorner Sohn mit unterlaufen, dem der Boden der Heimat zu heiß wurde, so vermag doch seine Erscheinung den Truppen, in die er tritt, auch nicht entfernt den Charakter aufzudrücken. Im Gegenteil, im Laufe der Jahre hat schon mancher Gescheiterte in dem festen militärischen Verbände den Grenzboten III 1905 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/121>, abgerufen am 27.09.2024.