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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

marck, geraten haben, die Hand von der Sache zu lassen. Wir glauben, daß
Vismarck als Reichskanzler empfohlen haben würde, den Fonds womöglich zu


*s*
Unbegründete konfessionelle Beschwerden.

Der Haß im allgemeinen
und der Konfessionshaß im besondern macht blind, darum hat, wer in dieser kon¬
fessionell aufgeregten Zeit als Friedensstifter waltet, bald hüben bald drüben Star-
vperationen vorzunehmen. In Ur. 23 der "Wartburg" beschwert sich der Heraus¬
geber darüber, daß eine Anzahl Schriften seines Verlags in Preußen auf das
Verzeichnis der Bücher gesetzt worden seien, die in sittlicher oder religiöser Be¬
ziehung Ärgernis zu erregen geeignet sind und darum nicht auf dem Wege der
Kolportage vertrieben werden dürfen. Es sind, wie man aus den angeführten
Titeln ersieht, Flugschriften zur Förderung der Los von Rom-Bewegung, zum Teil
von bekannten in Osterreich tätigen "Evangelisatoren." Der Titel der ersten lautet:
Die neueste katholische Bewegung zur Befreiung vom Papsttum. Das Papsttum ist
eine Einrichtung der katholischen Kirche, und eine von Evangelischen geleitete Be¬
wegung zur Befreiung vom Papsttum heißt auf deutsch Proselytenmacherei unter
den Katholiken. Wenn Schriften zu solchem Zweck in katholischen Häusern feil¬
geboten werden, so erregt das bei der bekannten Stimmung der Katholiken im
Deutschen Reich Erbitterung gegen die Evangelischen -- an Bekehrung ist gar nicht
zu denken; evangelische Käufer aber, die bis dahin harmlose Bürger, Bauern oder
Arbeiter waren, werden durch solche Schriften ganz unnötiger- und zweckloserweise in
das schädliche Konfessionsgezänk hineingesetzt. Man kann der Ansicht sein, daß Bücher¬
zensur und Kolportageverbote unterbleiben sollten, weil die Freiheit die Übel, die sie
erzeugt, selbst am besten heilt; aber solange die Einrichtung besteht, werden Schriften
der bezeichneten Art mit Recht von ihr getroffen; wir setzen voraus, daß frieden¬
störende katholische Flugschriften und populäre Bücher nicht anders behandelt werden.

Nun zur andern Seite! Der Dürrsche Verlag in Leipzig gibt eine "Deutsche
Bibliothek" für Lehrerseminare heraus, die auch in katholischen Seminaren benutzt
wird. Die Schlesische Volkszeitung gesteht dem Werke zu, daß es manche Vorzüge
habe, nennt es aber taktlos, daß in den Band: "Deutsche Dichter und Prosaisten
von Luther bis Lessing" auch Luthers Schrift: "An den christlichen Adel deutscher
Nation von des christlichen Standes Besserung" und "das wüste Tendenzgedicht"
von Sachs: "Die Wittenbergische Nachtigall" aufgenommen worden seien. Luthers
Mahnruf an den christlichen dentschen Adel gehört in der Tat, wie der Verleger
sagt, zum Schönsten und Vollendetsten von allem, was Luther geschrieben hat, und
von Hans Sachsens berühmtem Gedicht schreibt der milde, religiöse und sittlich
ernste Otto von Leixner, es leuchte aus ihm "in untrüglichen Zügen warme und
echte Überzeugung hervor." In beiden Literaturdenkmälern werden allerdings die
unerträglichen Zustände des damaligen Kirchenwesens geschildert, aber diese muß
unser Lehrerstand, anch der katholische, kennen lernen, damit er die Notwendigkeit
der Reformation, die sich ja auch auf den der alten Kirche treu gebliebner Teil
erstreckt hat, begreifen lerne. Dahin müssen wir die Katholiken bringen, daß sie
die Reformation als ein weltgeschichtlich unvermeidliches Ereignis und die Evan¬
gelischen nicht mehr als Abgefallne, sondern als Christen einer andern, der katho¬
lischen religiös gleichberechtigten Konfession ansehen lernen; nur unter dieser Be¬
dingung kann ihnen die volle bürgerliche Gleichberechtigung eingeräumt werden, und
nur auf dieser Grundlage ist der konfessionelle Friede möglich.


Eine neue deutsche Chrestomathie.

Dem Verleger Eugen Diederichs (in
Jena und Leipzig) geht es nahe, daß die Bildungsfrönerei die Deutschen dahin
gebracht hat, nicht mehr die großen Persönlichkeiten der Vergangenheit selbst auf
sich wirken zu lassen, sondern bloß noch Bücher über sie zu lesen. Um die Wirkung
aufs neue herzustellen, gibt er unter dem Gesamttitel "Erziehung zu deutscher
Bildung" nette kleine Bändchen heraus, deren jedes Beiträge zur Charakteristik
eines literarischen Großgeistes und eine Blütenlese aus seinen Schriften samt Porträt


Maßgebliches und Unmaßgebliches

marck, geraten haben, die Hand von der Sache zu lassen. Wir glauben, daß
Vismarck als Reichskanzler empfohlen haben würde, den Fonds womöglich zu


*s*
Unbegründete konfessionelle Beschwerden.

Der Haß im allgemeinen
und der Konfessionshaß im besondern macht blind, darum hat, wer in dieser kon¬
fessionell aufgeregten Zeit als Friedensstifter waltet, bald hüben bald drüben Star-
vperationen vorzunehmen. In Ur. 23 der „Wartburg" beschwert sich der Heraus¬
geber darüber, daß eine Anzahl Schriften seines Verlags in Preußen auf das
Verzeichnis der Bücher gesetzt worden seien, die in sittlicher oder religiöser Be¬
ziehung Ärgernis zu erregen geeignet sind und darum nicht auf dem Wege der
Kolportage vertrieben werden dürfen. Es sind, wie man aus den angeführten
Titeln ersieht, Flugschriften zur Förderung der Los von Rom-Bewegung, zum Teil
von bekannten in Osterreich tätigen „Evangelisatoren." Der Titel der ersten lautet:
Die neueste katholische Bewegung zur Befreiung vom Papsttum. Das Papsttum ist
eine Einrichtung der katholischen Kirche, und eine von Evangelischen geleitete Be¬
wegung zur Befreiung vom Papsttum heißt auf deutsch Proselytenmacherei unter
den Katholiken. Wenn Schriften zu solchem Zweck in katholischen Häusern feil¬
geboten werden, so erregt das bei der bekannten Stimmung der Katholiken im
Deutschen Reich Erbitterung gegen die Evangelischen — an Bekehrung ist gar nicht
zu denken; evangelische Käufer aber, die bis dahin harmlose Bürger, Bauern oder
Arbeiter waren, werden durch solche Schriften ganz unnötiger- und zweckloserweise in
das schädliche Konfessionsgezänk hineingesetzt. Man kann der Ansicht sein, daß Bücher¬
zensur und Kolportageverbote unterbleiben sollten, weil die Freiheit die Übel, die sie
erzeugt, selbst am besten heilt; aber solange die Einrichtung besteht, werden Schriften
der bezeichneten Art mit Recht von ihr getroffen; wir setzen voraus, daß frieden¬
störende katholische Flugschriften und populäre Bücher nicht anders behandelt werden.

Nun zur andern Seite! Der Dürrsche Verlag in Leipzig gibt eine „Deutsche
Bibliothek" für Lehrerseminare heraus, die auch in katholischen Seminaren benutzt
wird. Die Schlesische Volkszeitung gesteht dem Werke zu, daß es manche Vorzüge
habe, nennt es aber taktlos, daß in den Band: „Deutsche Dichter und Prosaisten
von Luther bis Lessing" auch Luthers Schrift: „An den christlichen Adel deutscher
Nation von des christlichen Standes Besserung" und „das wüste Tendenzgedicht"
von Sachs: „Die Wittenbergische Nachtigall" aufgenommen worden seien. Luthers
Mahnruf an den christlichen dentschen Adel gehört in der Tat, wie der Verleger
sagt, zum Schönsten und Vollendetsten von allem, was Luther geschrieben hat, und
von Hans Sachsens berühmtem Gedicht schreibt der milde, religiöse und sittlich
ernste Otto von Leixner, es leuchte aus ihm „in untrüglichen Zügen warme und
echte Überzeugung hervor." In beiden Literaturdenkmälern werden allerdings die
unerträglichen Zustände des damaligen Kirchenwesens geschildert, aber diese muß
unser Lehrerstand, anch der katholische, kennen lernen, damit er die Notwendigkeit
der Reformation, die sich ja auch auf den der alten Kirche treu gebliebner Teil
erstreckt hat, begreifen lerne. Dahin müssen wir die Katholiken bringen, daß sie
die Reformation als ein weltgeschichtlich unvermeidliches Ereignis und die Evan¬
gelischen nicht mehr als Abgefallne, sondern als Christen einer andern, der katho¬
lischen religiös gleichberechtigten Konfession ansehen lernen; nur unter dieser Be¬
dingung kann ihnen die volle bürgerliche Gleichberechtigung eingeräumt werden, und
nur auf dieser Grundlage ist der konfessionelle Friede möglich.


Eine neue deutsche Chrestomathie.

Dem Verleger Eugen Diederichs (in
Jena und Leipzig) geht es nahe, daß die Bildungsfrönerei die Deutschen dahin
gebracht hat, nicht mehr die großen Persönlichkeiten der Vergangenheit selbst auf
sich wirken zu lassen, sondern bloß noch Bücher über sie zu lesen. Um die Wirkung
aufs neue herzustellen, gibt er unter dem Gesamttitel „Erziehung zu deutscher
Bildung" nette kleine Bändchen heraus, deren jedes Beiträge zur Charakteristik
eines literarischen Großgeistes und eine Blütenlese aus seinen Schriften samt Porträt


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[0119] Maßgebliches und Unmaßgebliches marck, geraten haben, die Hand von der Sache zu lassen. Wir glauben, daß Vismarck als Reichskanzler empfohlen haben würde, den Fonds womöglich zu *s* Unbegründete konfessionelle Beschwerden. Der Haß im allgemeinen und der Konfessionshaß im besondern macht blind, darum hat, wer in dieser kon¬ fessionell aufgeregten Zeit als Friedensstifter waltet, bald hüben bald drüben Star- vperationen vorzunehmen. In Ur. 23 der „Wartburg" beschwert sich der Heraus¬ geber darüber, daß eine Anzahl Schriften seines Verlags in Preußen auf das Verzeichnis der Bücher gesetzt worden seien, die in sittlicher oder religiöser Be¬ ziehung Ärgernis zu erregen geeignet sind und darum nicht auf dem Wege der Kolportage vertrieben werden dürfen. Es sind, wie man aus den angeführten Titeln ersieht, Flugschriften zur Förderung der Los von Rom-Bewegung, zum Teil von bekannten in Osterreich tätigen „Evangelisatoren." Der Titel der ersten lautet: Die neueste katholische Bewegung zur Befreiung vom Papsttum. Das Papsttum ist eine Einrichtung der katholischen Kirche, und eine von Evangelischen geleitete Be¬ wegung zur Befreiung vom Papsttum heißt auf deutsch Proselytenmacherei unter den Katholiken. Wenn Schriften zu solchem Zweck in katholischen Häusern feil¬ geboten werden, so erregt das bei der bekannten Stimmung der Katholiken im Deutschen Reich Erbitterung gegen die Evangelischen — an Bekehrung ist gar nicht zu denken; evangelische Käufer aber, die bis dahin harmlose Bürger, Bauern oder Arbeiter waren, werden durch solche Schriften ganz unnötiger- und zweckloserweise in das schädliche Konfessionsgezänk hineingesetzt. Man kann der Ansicht sein, daß Bücher¬ zensur und Kolportageverbote unterbleiben sollten, weil die Freiheit die Übel, die sie erzeugt, selbst am besten heilt; aber solange die Einrichtung besteht, werden Schriften der bezeichneten Art mit Recht von ihr getroffen; wir setzen voraus, daß frieden¬ störende katholische Flugschriften und populäre Bücher nicht anders behandelt werden. Nun zur andern Seite! Der Dürrsche Verlag in Leipzig gibt eine „Deutsche Bibliothek" für Lehrerseminare heraus, die auch in katholischen Seminaren benutzt wird. Die Schlesische Volkszeitung gesteht dem Werke zu, daß es manche Vorzüge habe, nennt es aber taktlos, daß in den Band: „Deutsche Dichter und Prosaisten von Luther bis Lessing" auch Luthers Schrift: „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" und „das wüste Tendenzgedicht" von Sachs: „Die Wittenbergische Nachtigall" aufgenommen worden seien. Luthers Mahnruf an den christlichen dentschen Adel gehört in der Tat, wie der Verleger sagt, zum Schönsten und Vollendetsten von allem, was Luther geschrieben hat, und von Hans Sachsens berühmtem Gedicht schreibt der milde, religiöse und sittlich ernste Otto von Leixner, es leuchte aus ihm „in untrüglichen Zügen warme und echte Überzeugung hervor." In beiden Literaturdenkmälern werden allerdings die unerträglichen Zustände des damaligen Kirchenwesens geschildert, aber diese muß unser Lehrerstand, anch der katholische, kennen lernen, damit er die Notwendigkeit der Reformation, die sich ja auch auf den der alten Kirche treu gebliebner Teil erstreckt hat, begreifen lerne. Dahin müssen wir die Katholiken bringen, daß sie die Reformation als ein weltgeschichtlich unvermeidliches Ereignis und die Evan¬ gelischen nicht mehr als Abgefallne, sondern als Christen einer andern, der katho¬ lischen religiös gleichberechtigten Konfession ansehen lernen; nur unter dieser Be¬ dingung kann ihnen die volle bürgerliche Gleichberechtigung eingeräumt werden, und nur auf dieser Grundlage ist der konfessionelle Friede möglich. Eine neue deutsche Chrestomathie. Dem Verleger Eugen Diederichs (in Jena und Leipzig) geht es nahe, daß die Bildungsfrönerei die Deutschen dahin gebracht hat, nicht mehr die großen Persönlichkeiten der Vergangenheit selbst auf sich wirken zu lassen, sondern bloß noch Bücher über sie zu lesen. Um die Wirkung aufs neue herzustellen, gibt er unter dem Gesamttitel „Erziehung zu deutscher Bildung" nette kleine Bändchen heraus, deren jedes Beiträge zur Charakteristik eines literarischen Großgeistes und eine Blütenlese aus seinen Schriften samt Porträt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/119>, abgerufen am 27.09.2024.