Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Europa wird klerikal. Unter allen Wandlungen der letzten zwanzig Jahre Wir haben also mir zur Kennzeichnung der Stellung des Klerus auf den Maßgebliches und Unmaßgebliches Europa wird klerikal. Unter allen Wandlungen der letzten zwanzig Jahre Wir haben also mir zur Kennzeichnung der Stellung des Klerus auf den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224302"/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Europa wird klerikal.</head> <p xml:id="ID_154"> Unter allen Wandlungen der letzten zwanzig Jahre<lb/> ist keine auffälliger, als die der oeolessia xrssss. in eine eeelsssig, triumphans.<lb/> Zwar so weit wie in Frankreich, wo die R<zvuo clef vsux Reinach den Bankrott<lb/> der Wissenschaft und den Triumph des Glaubens Perkündigt, sind wir wohl noch<lb/> nicht; aber die deutsche Presse giebt wenigstens zu verstehen, daß ihr die brennenden<lb/> Fragen der sechziger und siebziger Jahre gleichgiltig geworden sind; die Stadt<lb/> des gottlosen Alls, der Tingeltangel, der Karfreitags- und Bußtagsfeier auf dem<lb/> Spandauer Bock ist die Stadt der Kirchen und der puritanischen Sonntagsfeier<lb/> geworden, und gegen das vom Zentrum gestellte Neichstagspräsidium wagen die<lb/> ehemaligen Kulturkämpfer kaum noch mit ein wenig harmlosen Spott aufzube¬<lb/> gehren. Und da der Fürstbischof Kopp durch Verordnung vom 11. November<lb/> vorigen Jahres „die Gründung von Bauernvereinen und Wirtschaftsgenosfenschaften,<lb/> besonders aber die Errichtung von Naiffeisenschen Darlehnskassenvereinen in den<lb/> ländlichen Pfarreien" empfiehlt, so wird es übers Jahr kein schlesisches Dorf mit<lb/> katholischer Bevölkerung mehr geben, das sich nicht landwirtschaftlicher Genossen¬<lb/> schaften unter geistlicher Leitung erfreute; die übrigen deutschen Diözesen aber<lb/> werden jedenfalls nachfolgen. Gegen das zuletzt angeführte haben wir natürlich<lb/> nicht das mindeste einzuwenden; im Gegenteil! Wir sind, wie bekannt, leiden¬<lb/> schaftliche Freunde des Dorflebens, des Bauernstands und der Landwirtschaft, und<lb/> während wir dem Bunde der Landwirte, der den Bauernstand in falsche und ver¬<lb/> derbliche Bahnen zu treiben bemüht ist, vom ersten Augenblick an energisch ent¬<lb/> gegengetreten sind, haben wir zugleich niemals aufgehört, Mittel, die den Bauern¬<lb/> stand fördern können, mit freudiger Anerkennung zu begrüßen, dahin rechnen wir<lb/> aber vor allem die genossenschaftliche Selbsthilfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_155" next="#ID_156"> Wir haben also mir zur Kennzeichnung der Stellung des Klerus auf den<lb/> Schritt des politischen Kardinals hingewiesen. Den Sieg des Glaubens über den<lb/> Unglauben und die Wiederbelebung des christlichen Geistes sehen die einen in diesen<lb/> Erscheinungen. Indes, da der Zweifel Friedrichs von Logan, wo das Christentum<lb/> denn sei, für die Denkenden bis auf den heutigen Tag noch nicht gelöst ist, so<lb/> wolle» wir uns lieber an das unzweifelhafte halten und nur die Erfolge des Klerus<lb/> anerkennen. In Deutschland giebt es eigentlich nur noch eine Stelle, wo von Zeit<lb/> zu Zeit ein energischer Protest gegen diese Erfolge laut wird, die Hamburger<lb/> Nachrichten, aber gerade diese Stelle ist aus zwei Gründen ganz ungeeignet für<lb/> einen erfolgreichen Kampf gegen die klerikale Strömung. Jedes Wesen kaun in dem<lb/> Kampf ums Dasein nur mit den Mitteln siegen, in denen seine Stärke liegt. Die<lb/> Stärke des Protestantismus liegt in der Freiheit, und seine Niederlage ist besiegelt,<lb/> sobald er mit Rom in der Pflege der Autorität wetteifern will. Im Kultur¬<lb/> kampfe hätte nnr eine aufrichtig und rücksichtslos liberale Regierung siegen können;<lb/> eine Regierung, die die Autorität der Bischöfe und des Papstes nicht vernichte»,<lb/> sondern für ihre Zwecke verwenden will, hat diesen Autoritäten gegenüber, die über<lb/> tausend Jahre älter sind als der Preußische Staat, vou vornherein verspielt. Und<lb/> dann hat das genannte Blatt die Unterdrückung der Arbeiterbewegung als Haupt¬<lb/> ziel im Auge. Dieses Ziel kaun aber die Regierung nur mit Hilfe der Zentrums-<lb/> partei erreichen. Am 23. Dezember brachte die Germania einen Leitartikel über<lb/> den Hamburger Aufstand, um den sie von den Hamburger Nachrichten beneidet<lb/> worden sein mag. Nur ein Paar Sätze hätte dieses Blatt streichen müssen, um<lb/> ihn zu dem seinigen machen zu können, Sätze, die den Preis des großen West-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Europa wird klerikal. Unter allen Wandlungen der letzten zwanzig Jahre
ist keine auffälliger, als die der oeolessia xrssss. in eine eeelsssig, triumphans.
Zwar so weit wie in Frankreich, wo die R<zvuo clef vsux Reinach den Bankrott
der Wissenschaft und den Triumph des Glaubens Perkündigt, sind wir wohl noch
nicht; aber die deutsche Presse giebt wenigstens zu verstehen, daß ihr die brennenden
Fragen der sechziger und siebziger Jahre gleichgiltig geworden sind; die Stadt
des gottlosen Alls, der Tingeltangel, der Karfreitags- und Bußtagsfeier auf dem
Spandauer Bock ist die Stadt der Kirchen und der puritanischen Sonntagsfeier
geworden, und gegen das vom Zentrum gestellte Neichstagspräsidium wagen die
ehemaligen Kulturkämpfer kaum noch mit ein wenig harmlosen Spott aufzube¬
gehren. Und da der Fürstbischof Kopp durch Verordnung vom 11. November
vorigen Jahres „die Gründung von Bauernvereinen und Wirtschaftsgenosfenschaften,
besonders aber die Errichtung von Naiffeisenschen Darlehnskassenvereinen in den
ländlichen Pfarreien" empfiehlt, so wird es übers Jahr kein schlesisches Dorf mit
katholischer Bevölkerung mehr geben, das sich nicht landwirtschaftlicher Genossen¬
schaften unter geistlicher Leitung erfreute; die übrigen deutschen Diözesen aber
werden jedenfalls nachfolgen. Gegen das zuletzt angeführte haben wir natürlich
nicht das mindeste einzuwenden; im Gegenteil! Wir sind, wie bekannt, leiden¬
schaftliche Freunde des Dorflebens, des Bauernstands und der Landwirtschaft, und
während wir dem Bunde der Landwirte, der den Bauernstand in falsche und ver¬
derbliche Bahnen zu treiben bemüht ist, vom ersten Augenblick an energisch ent¬
gegengetreten sind, haben wir zugleich niemals aufgehört, Mittel, die den Bauern¬
stand fördern können, mit freudiger Anerkennung zu begrüßen, dahin rechnen wir
aber vor allem die genossenschaftliche Selbsthilfe.
Wir haben also mir zur Kennzeichnung der Stellung des Klerus auf den
Schritt des politischen Kardinals hingewiesen. Den Sieg des Glaubens über den
Unglauben und die Wiederbelebung des christlichen Geistes sehen die einen in diesen
Erscheinungen. Indes, da der Zweifel Friedrichs von Logan, wo das Christentum
denn sei, für die Denkenden bis auf den heutigen Tag noch nicht gelöst ist, so
wolle» wir uns lieber an das unzweifelhafte halten und nur die Erfolge des Klerus
anerkennen. In Deutschland giebt es eigentlich nur noch eine Stelle, wo von Zeit
zu Zeit ein energischer Protest gegen diese Erfolge laut wird, die Hamburger
Nachrichten, aber gerade diese Stelle ist aus zwei Gründen ganz ungeeignet für
einen erfolgreichen Kampf gegen die klerikale Strömung. Jedes Wesen kaun in dem
Kampf ums Dasein nur mit den Mitteln siegen, in denen seine Stärke liegt. Die
Stärke des Protestantismus liegt in der Freiheit, und seine Niederlage ist besiegelt,
sobald er mit Rom in der Pflege der Autorität wetteifern will. Im Kultur¬
kampfe hätte nnr eine aufrichtig und rücksichtslos liberale Regierung siegen können;
eine Regierung, die die Autorität der Bischöfe und des Papstes nicht vernichte»,
sondern für ihre Zwecke verwenden will, hat diesen Autoritäten gegenüber, die über
tausend Jahre älter sind als der Preußische Staat, vou vornherein verspielt. Und
dann hat das genannte Blatt die Unterdrückung der Arbeiterbewegung als Haupt¬
ziel im Auge. Dieses Ziel kaun aber die Regierung nur mit Hilfe der Zentrums-
partei erreichen. Am 23. Dezember brachte die Germania einen Leitartikel über
den Hamburger Aufstand, um den sie von den Hamburger Nachrichten beneidet
worden sein mag. Nur ein Paar Sätze hätte dieses Blatt streichen müssen, um
ihn zu dem seinigen machen zu können, Sätze, die den Preis des großen West-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |