Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Hauptargumcnt die Behauptung vorbringen, der Staat als Unternehmer pflege
schlechte Geschäfte zu machen! Hoffentlich bringen die Erhebungen in Preußen
die schwer verdächtigten VerPächter wieder zu Ehren.


6. Gelegenheit zum Nebenverdienst.

Wir haben zu diesem Punkte wenig zu bemerken. In voller Würdigung
der Wichtigkeit des Nebenverdienstes für die Kleinwirte hat man bei der badischen
Enquete diesem Gegenstande eingehende Aufmerksamkeit geschenkt. Das Resultat
ist, daß in Baden die Gelegenheit zum Nebenverdienst gegenüber der bedeutenden
Zahl der Zweigwirtschaften durchschnittlich nicht als ausreichend zu betrachten
sein dürfte. Konstatirt wird übrigens, daß ein reichlicher Nebenverdienst, wo er
vorhanden ist, meist seinen günstigen Einfluß auf die Lage der Bevölkerung
deutlich äußert, wenn auch vereinzelt Fälle vorkommen, in welchen der Neben¬
verdienst seine Verwendung mehr in verstärktem Wirtshausbesuch findet und
somit eher schädlich als nützlich wirkt. Die Hausindustrien scheinen in der Regel
nicht sehr lohnend zu sein, worauf wir an andrer Stelle schon hingewiesen
haben. Selbst die früher bedeutende Uhrenindustrie des Schwarzwaldes hat
sehr verloren. Hiernach werden wohl Versuche zur Einbürgerung einer Haus¬
industrie in Gegenden, welche eine solche bis jetzt nicht kennen, unter den heu¬
tigen Verhältnissen meist erfolglos bleiben.

Wenn wir hier etwas vermissen, so ist es die Berührung der Frage, in¬
wiefern hie und da vorübergehender reichlicher Nebenerwerb die Bildung von
Zwergwirtschaften begünstigt hat, die später nicht lebensfähig blieben. Es sind
uns derartige Fälle bekannt. Länger dauernde Bahn-, namentlich Tunnel-
Arbeiten haben in manchen Gegenden eine Menge von Taglöhnergütern entstehen
lassen, deren Besitzer in die elendeste Lage gerieten, sobald ihre Arbeitsquelle
versiegte, sich aber doch nicht entschließen konnten, die einmal begründete
"Heimstätte" wieder aufzugeben. Wenn wir auch zugeben müssen, daß auf dem
Boden unsrer heutigen Gesetzgebung ein Mittel gegen solche Vorkommnisse kaum
zu finden sein dürfte, so dürften Erhebungen in dieser Beziehung dennoch inso¬
fern von Wert sein, als sie zur Lösung der Frage beitragen könnten, wie weit
die künstliche Beschaffung von Gelegenheiten zum Nebenerwerb für einzelne
Gegenden einem thatsächlichen Bedürfnisse entsprechen würde oder nicht.


7. Kreditwesen.

Kurz zusammengefaßt bestehen auf diesem Gebiete die Ergebnisse der Er¬
hebungen in folgendem. Der eigentliche Wucher hat erfreulicherweise in letzter
Zeit abgenommen, was teils günstiger Einwirkung der im Lande bestehenden
Kreditinstitute (Sparkassen, Stiftungsfonds, Vorschußkassen, örtliche Darlehns-
kassen ?c.), teils den Wirkungen des Reichsgesetzes vom 24. Mai 1880 zuge-


Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Hauptargumcnt die Behauptung vorbringen, der Staat als Unternehmer pflege
schlechte Geschäfte zu machen! Hoffentlich bringen die Erhebungen in Preußen
die schwer verdächtigten VerPächter wieder zu Ehren.


6. Gelegenheit zum Nebenverdienst.

Wir haben zu diesem Punkte wenig zu bemerken. In voller Würdigung
der Wichtigkeit des Nebenverdienstes für die Kleinwirte hat man bei der badischen
Enquete diesem Gegenstande eingehende Aufmerksamkeit geschenkt. Das Resultat
ist, daß in Baden die Gelegenheit zum Nebenverdienst gegenüber der bedeutenden
Zahl der Zweigwirtschaften durchschnittlich nicht als ausreichend zu betrachten
sein dürfte. Konstatirt wird übrigens, daß ein reichlicher Nebenverdienst, wo er
vorhanden ist, meist seinen günstigen Einfluß auf die Lage der Bevölkerung
deutlich äußert, wenn auch vereinzelt Fälle vorkommen, in welchen der Neben¬
verdienst seine Verwendung mehr in verstärktem Wirtshausbesuch findet und
somit eher schädlich als nützlich wirkt. Die Hausindustrien scheinen in der Regel
nicht sehr lohnend zu sein, worauf wir an andrer Stelle schon hingewiesen
haben. Selbst die früher bedeutende Uhrenindustrie des Schwarzwaldes hat
sehr verloren. Hiernach werden wohl Versuche zur Einbürgerung einer Haus¬
industrie in Gegenden, welche eine solche bis jetzt nicht kennen, unter den heu¬
tigen Verhältnissen meist erfolglos bleiben.

Wenn wir hier etwas vermissen, so ist es die Berührung der Frage, in¬
wiefern hie und da vorübergehender reichlicher Nebenerwerb die Bildung von
Zwergwirtschaften begünstigt hat, die später nicht lebensfähig blieben. Es sind
uns derartige Fälle bekannt. Länger dauernde Bahn-, namentlich Tunnel-
Arbeiten haben in manchen Gegenden eine Menge von Taglöhnergütern entstehen
lassen, deren Besitzer in die elendeste Lage gerieten, sobald ihre Arbeitsquelle
versiegte, sich aber doch nicht entschließen konnten, die einmal begründete
„Heimstätte" wieder aufzugeben. Wenn wir auch zugeben müssen, daß auf dem
Boden unsrer heutigen Gesetzgebung ein Mittel gegen solche Vorkommnisse kaum
zu finden sein dürfte, so dürften Erhebungen in dieser Beziehung dennoch inso¬
fern von Wert sein, als sie zur Lösung der Frage beitragen könnten, wie weit
die künstliche Beschaffung von Gelegenheiten zum Nebenerwerb für einzelne
Gegenden einem thatsächlichen Bedürfnisse entsprechen würde oder nicht.


7. Kreditwesen.

Kurz zusammengefaßt bestehen auf diesem Gebiete die Ergebnisse der Er¬
hebungen in folgendem. Der eigentliche Wucher hat erfreulicherweise in letzter
Zeit abgenommen, was teils günstiger Einwirkung der im Lande bestehenden
Kreditinstitute (Sparkassen, Stiftungsfonds, Vorschußkassen, örtliche Darlehns-
kassen ?c.), teils den Wirkungen des Reichsgesetzes vom 24. Mai 1880 zuge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156779"/>
            <fw type="header" place="top"> Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2306" prev="#ID_2305"> Hauptargumcnt die Behauptung vorbringen, der Staat als Unternehmer pflege<lb/>
schlechte Geschäfte zu machen! Hoffentlich bringen die Erhebungen in Preußen<lb/>
die schwer verdächtigten VerPächter wieder zu Ehren.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 6. Gelegenheit zum Nebenverdienst.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2307"> Wir haben zu diesem Punkte wenig zu bemerken. In voller Würdigung<lb/>
der Wichtigkeit des Nebenverdienstes für die Kleinwirte hat man bei der badischen<lb/>
Enquete diesem Gegenstande eingehende Aufmerksamkeit geschenkt. Das Resultat<lb/>
ist, daß in Baden die Gelegenheit zum Nebenverdienst gegenüber der bedeutenden<lb/>
Zahl der Zweigwirtschaften durchschnittlich nicht als ausreichend zu betrachten<lb/>
sein dürfte. Konstatirt wird übrigens, daß ein reichlicher Nebenverdienst, wo er<lb/>
vorhanden ist, meist seinen günstigen Einfluß auf die Lage der Bevölkerung<lb/>
deutlich äußert, wenn auch vereinzelt Fälle vorkommen, in welchen der Neben¬<lb/>
verdienst seine Verwendung mehr in verstärktem Wirtshausbesuch findet und<lb/>
somit eher schädlich als nützlich wirkt. Die Hausindustrien scheinen in der Regel<lb/>
nicht sehr lohnend zu sein, worauf wir an andrer Stelle schon hingewiesen<lb/>
haben. Selbst die früher bedeutende Uhrenindustrie des Schwarzwaldes hat<lb/>
sehr verloren. Hiernach werden wohl Versuche zur Einbürgerung einer Haus¬<lb/>
industrie in Gegenden, welche eine solche bis jetzt nicht kennen, unter den heu¬<lb/>
tigen Verhältnissen meist erfolglos bleiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2308"> Wenn wir hier etwas vermissen, so ist es die Berührung der Frage, in¬<lb/>
wiefern hie und da vorübergehender reichlicher Nebenerwerb die Bildung von<lb/>
Zwergwirtschaften begünstigt hat, die später nicht lebensfähig blieben. Es sind<lb/>
uns derartige Fälle bekannt. Länger dauernde Bahn-, namentlich Tunnel-<lb/>
Arbeiten haben in manchen Gegenden eine Menge von Taglöhnergütern entstehen<lb/>
lassen, deren Besitzer in die elendeste Lage gerieten, sobald ihre Arbeitsquelle<lb/>
versiegte, sich aber doch nicht entschließen konnten, die einmal begründete<lb/>
&#x201E;Heimstätte" wieder aufzugeben. Wenn wir auch zugeben müssen, daß auf dem<lb/>
Boden unsrer heutigen Gesetzgebung ein Mittel gegen solche Vorkommnisse kaum<lb/>
zu finden sein dürfte, so dürften Erhebungen in dieser Beziehung dennoch inso¬<lb/>
fern von Wert sein, als sie zur Lösung der Frage beitragen könnten, wie weit<lb/>
die künstliche Beschaffung von Gelegenheiten zum Nebenerwerb für einzelne<lb/>
Gegenden einem thatsächlichen Bedürfnisse entsprechen würde oder nicht.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 7. Kreditwesen.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2309" next="#ID_2310"> Kurz zusammengefaßt bestehen auf diesem Gebiete die Ergebnisse der Er¬<lb/>
hebungen in folgendem. Der eigentliche Wucher hat erfreulicherweise in letzter<lb/>
Zeit abgenommen, was teils günstiger Einwirkung der im Lande bestehenden<lb/>
Kreditinstitute (Sparkassen, Stiftungsfonds, Vorschußkassen, örtliche Darlehns-<lb/>
kassen ?c.), teils den Wirkungen des Reichsgesetzes vom 24. Mai 1880 zuge-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0508] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. Hauptargumcnt die Behauptung vorbringen, der Staat als Unternehmer pflege schlechte Geschäfte zu machen! Hoffentlich bringen die Erhebungen in Preußen die schwer verdächtigten VerPächter wieder zu Ehren. 6. Gelegenheit zum Nebenverdienst. Wir haben zu diesem Punkte wenig zu bemerken. In voller Würdigung der Wichtigkeit des Nebenverdienstes für die Kleinwirte hat man bei der badischen Enquete diesem Gegenstande eingehende Aufmerksamkeit geschenkt. Das Resultat ist, daß in Baden die Gelegenheit zum Nebenverdienst gegenüber der bedeutenden Zahl der Zweigwirtschaften durchschnittlich nicht als ausreichend zu betrachten sein dürfte. Konstatirt wird übrigens, daß ein reichlicher Nebenverdienst, wo er vorhanden ist, meist seinen günstigen Einfluß auf die Lage der Bevölkerung deutlich äußert, wenn auch vereinzelt Fälle vorkommen, in welchen der Neben¬ verdienst seine Verwendung mehr in verstärktem Wirtshausbesuch findet und somit eher schädlich als nützlich wirkt. Die Hausindustrien scheinen in der Regel nicht sehr lohnend zu sein, worauf wir an andrer Stelle schon hingewiesen haben. Selbst die früher bedeutende Uhrenindustrie des Schwarzwaldes hat sehr verloren. Hiernach werden wohl Versuche zur Einbürgerung einer Haus¬ industrie in Gegenden, welche eine solche bis jetzt nicht kennen, unter den heu¬ tigen Verhältnissen meist erfolglos bleiben. Wenn wir hier etwas vermissen, so ist es die Berührung der Frage, in¬ wiefern hie und da vorübergehender reichlicher Nebenerwerb die Bildung von Zwergwirtschaften begünstigt hat, die später nicht lebensfähig blieben. Es sind uns derartige Fälle bekannt. Länger dauernde Bahn-, namentlich Tunnel- Arbeiten haben in manchen Gegenden eine Menge von Taglöhnergütern entstehen lassen, deren Besitzer in die elendeste Lage gerieten, sobald ihre Arbeitsquelle versiegte, sich aber doch nicht entschließen konnten, die einmal begründete „Heimstätte" wieder aufzugeben. Wenn wir auch zugeben müssen, daß auf dem Boden unsrer heutigen Gesetzgebung ein Mittel gegen solche Vorkommnisse kaum zu finden sein dürfte, so dürften Erhebungen in dieser Beziehung dennoch inso¬ fern von Wert sein, als sie zur Lösung der Frage beitragen könnten, wie weit die künstliche Beschaffung von Gelegenheiten zum Nebenerwerb für einzelne Gegenden einem thatsächlichen Bedürfnisse entsprechen würde oder nicht. 7. Kreditwesen. Kurz zusammengefaßt bestehen auf diesem Gebiete die Ergebnisse der Er¬ hebungen in folgendem. Der eigentliche Wucher hat erfreulicherweise in letzter Zeit abgenommen, was teils günstiger Einwirkung der im Lande bestehenden Kreditinstitute (Sparkassen, Stiftungsfonds, Vorschußkassen, örtliche Darlehns- kassen ?c.), teils den Wirkungen des Reichsgesetzes vom 24. Mai 1880 zuge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/508
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/508>, abgerufen am 27.09.2024.