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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Krieg ums Theater,

ist, sucht er nur noch in Orchestervirtnosität zu brilliren. Er giebt denn auch
die denkbar virtuosesten Orchesterleistun gen; was man in dieser Beziehung bei ihm
zu hören bekommt, ist wirklich staunenswert. Aber die Kehrseite erscheint umso
kläglicher. Wieviel Lärmen um nichts! Das Konzert fand weit draußen vor
der Stadt in einem überfüllten Saale statt. Es wurde zwar während der
Aufführung nicht gegessen, aber umsomehr getrunken, was bei einer Saharci--
temperatur auch gewiß zu entschuldigen war. Als ich in den Saal trat, wurden
gerade die letzten Akkorde der "Akademischen Festouvertüre" von I. Brahms ge¬
spielt. Dann folgten wieder Liszt und Wagner je zweimal, C. M. v. Weber
in seiner von Berlioz arrangirten "Aufforderung zum Tanze" und dieser selbst
mit seiner Ouvertüre "Der Karneval in Rom." I. Strauß war leider nur
mit einem Walzer vertreten. Das zweite Violinkonzert von H. Wieniciwsli,
ein gänzlich nichtssagendes Tonstück, wurde von H. I. Sinn, dem Konzertmeister
der Kapelle zwar etwas müde und blasirt, aber im ganzen gut vorgetragen.
Nach dem "Römischen Karneval" verzog ich mich. Für die Reize des Cornet
ü, Piston habe ich keine Empfänglichkeit, und auch die Neuerung Bilses, in seinen
Konzerten dem armseligen Gezupf einer Zither Raum zu geben, vermochte mich
nicht zu kirren. Ich warte, bis er einmal mit einem Dudelsackvirtuoseu reisen
wird, was ja nicht mehr lange dauern kann; den will ich mir dann anhören.




Krieg ums Theater.

er Brand des Wiener Ringtheaters hat weit und breit den Anstoß
zur Einführung von Sicherheitsvorlehrnngen , und zu größerer
Strenge der Kontrole in den Schauspielhäusern gegeben. Schon
deshalb verdient der Krieg, welcher gegenwärtig in Wien geführt
wird, auch außerhalb beachtet zu werden. Es liegt in der Art
des Wieners, vielleicht eines jeden Publikums, die Maßregel" und Verordnungen,
welche doch einzig und allein in seinem Interesse getroffen worden sind, nach
dem Schwinden des ersten Schrecks als unnötige Belästigungen und als Be¬
einträchtigung armer Geschäftsleute, der Theatcrnutcrnehmer, zu kritisiren und
zu Gunsten der letztern darauf zu rechnen, daß die Behörden bald wieder fünf
gerade sein lassen werden. Der Statthalter von Niederösterreich, Baron Possinger,
erweist sich aber auch in diesem Falle als ein Mann von Energie und als un¬
beugsamer Hüter des Gesetzes. Darüber herrscht in den Kreisen sentimentaler
Theaterfreunde große Verstimmung, größere bei den Spekulanten, welche indessen


Krieg ums Theater,

ist, sucht er nur noch in Orchestervirtnosität zu brilliren. Er giebt denn auch
die denkbar virtuosesten Orchesterleistun gen; was man in dieser Beziehung bei ihm
zu hören bekommt, ist wirklich staunenswert. Aber die Kehrseite erscheint umso
kläglicher. Wieviel Lärmen um nichts! Das Konzert fand weit draußen vor
der Stadt in einem überfüllten Saale statt. Es wurde zwar während der
Aufführung nicht gegessen, aber umsomehr getrunken, was bei einer Saharci--
temperatur auch gewiß zu entschuldigen war. Als ich in den Saal trat, wurden
gerade die letzten Akkorde der „Akademischen Festouvertüre" von I. Brahms ge¬
spielt. Dann folgten wieder Liszt und Wagner je zweimal, C. M. v. Weber
in seiner von Berlioz arrangirten „Aufforderung zum Tanze" und dieser selbst
mit seiner Ouvertüre „Der Karneval in Rom." I. Strauß war leider nur
mit einem Walzer vertreten. Das zweite Violinkonzert von H. Wieniciwsli,
ein gänzlich nichtssagendes Tonstück, wurde von H. I. Sinn, dem Konzertmeister
der Kapelle zwar etwas müde und blasirt, aber im ganzen gut vorgetragen.
Nach dem „Römischen Karneval" verzog ich mich. Für die Reize des Cornet
ü, Piston habe ich keine Empfänglichkeit, und auch die Neuerung Bilses, in seinen
Konzerten dem armseligen Gezupf einer Zither Raum zu geben, vermochte mich
nicht zu kirren. Ich warte, bis er einmal mit einem Dudelsackvirtuoseu reisen
wird, was ja nicht mehr lange dauern kann; den will ich mir dann anhören.




Krieg ums Theater.

er Brand des Wiener Ringtheaters hat weit und breit den Anstoß
zur Einführung von Sicherheitsvorlehrnngen , und zu größerer
Strenge der Kontrole in den Schauspielhäusern gegeben. Schon
deshalb verdient der Krieg, welcher gegenwärtig in Wien geführt
wird, auch außerhalb beachtet zu werden. Es liegt in der Art
des Wieners, vielleicht eines jeden Publikums, die Maßregel» und Verordnungen,
welche doch einzig und allein in seinem Interesse getroffen worden sind, nach
dem Schwinden des ersten Schrecks als unnötige Belästigungen und als Be¬
einträchtigung armer Geschäftsleute, der Theatcrnutcrnehmer, zu kritisiren und
zu Gunsten der letztern darauf zu rechnen, daß die Behörden bald wieder fünf
gerade sein lassen werden. Der Statthalter von Niederösterreich, Baron Possinger,
erweist sich aber auch in diesem Falle als ein Mann von Energie und als un¬
beugsamer Hüter des Gesetzes. Darüber herrscht in den Kreisen sentimentaler
Theaterfreunde große Verstimmung, größere bei den Spekulanten, welche indessen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/48>, abgerufen am 27.09.2024.