Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Kleine Goethiana. Junge lebte noch 1820 in Leipzig als 84jähriger Greis in kümmerlichen Ver¬ I. stelln und das Veilchen. In Hirzels "Verzeichnis einer Goethebibliothek" wird unter dem Jahre Weder in der Verwechslung der beiden Dichter noch in den Textab¬ Die erwähnte Liedersammlung ist, wie der Herausgeber im Vorworte sagt, Die Liedersammlung Steffans zeigt nun, wie die Verwechslung zwischen Kleine Goethiana. Junge lebte noch 1820 in Leipzig als 84jähriger Greis in kümmerlichen Ver¬ I. stelln und das Veilchen. In Hirzels „Verzeichnis einer Goethebibliothek" wird unter dem Jahre Weder in der Verwechslung der beiden Dichter noch in den Textab¬ Die erwähnte Liedersammlung ist, wie der Herausgeber im Vorworte sagt, Die Liedersammlung Steffans zeigt nun, wie die Verwechslung zwischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156741"/> <fw type="header" place="top"> Kleine Goethiana.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2070" prev="#ID_2069"> Junge lebte noch 1820 in Leipzig als 84jähriger Greis in kümmerlichen Ver¬<lb/> hältnissen; er hatte seine Stelle einem Adjunkten überlassen müssen und bezog<lb/> von diesem nur eine kleine Pension.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> I. stelln und das Veilchen.</head><lb/> <p xml:id="ID_2071"> In Hirzels „Verzeichnis einer Goethebibliothek" wird unter dem Jahre<lb/> 1780 ein Liederheft aufgeführt: Sammlung verschiedener Lieder von guten<lb/> Dichtern und Tonkünstlern. Nürnberg bey Johann Michael Schmidt. Kupfer¬<lb/> stecher. M 1780. Hirzel hat diese Liedersammlung in sein Verzeichnis auf¬<lb/> genommen, weil sich im zweiten Heste derselben — im ganzen sind es drei —<lb/> eine Komposition des Goethischen „Veilchens" findet, die nicht nur Verände¬<lb/> rungen des Goethischen Textes zeigt, sondern auch die Unterschrift „Gleim"<lb/> trägt. Als Komponist des Liedes ist genannt I. A. Se---n.</p><lb/> <p xml:id="ID_2072"> Weder in der Verwechslung der beiden Dichter noch in den Textab¬<lb/> weichungen , die übrigens zum Teil der Komposition zuliebe gemacht sein<lb/> mögen, liegt etwas auffälliges zu einer Zeit, wo die Himburgische Sammlung<lb/> noch nicht erschienen war, wo die Jugendlieder Goethes nur zerstreut gedruckt<lb/> waren und sicherlich vielfach abschriftlich oder gar nur mündlich verbreitet wurden.<lb/> Im vorliegenden Falle läßt sich nachweisen, woher der Irrtum stammt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2073"> Die erwähnte Liedersammlung ist, wie der Herausgeber im Vorworte sagt,<lb/> teils aus Musenalmanachen, teils aus andern Quellen zusammengestellt. Beim<lb/> „Veilchen" ist man versucht, zunächst sich in den Musenalmanachen umzusehen,<lb/> zu denen ja nicht selten auch von Dilettanten, die anonym zu bleiben wünschten,<lb/> musikalische Beiträge geliefert wurden. Die Komposition stammt aber aus<lb/> andrer Quelle; sie ist entnommen der Sammlung deutscher Lieder für das<lb/> Klavier von Herrn Joseph Anton Steffan, k. k. Hofklaviermeister. Wien, bei<lb/> Joseph Edlen von Kurzböck, 1778—1781. Diese Sammlung, die aus vier<lb/> Abteilungen besteht, enthält in der ersten, 1778 erschienenen Abteilung unter<lb/> Nummer 14: Das Veilchen auf der Wiese. Von Gleim. Die Komposition<lb/> ist mit allen Textabweichungen genau dieselbe wie in der Sammlung Schmidts.<lb/> Sie würde also in dem Hirzelschen Verzeichnis lieber unter 1778 aufzuführen<lb/> und dabei auf den Nachdruck von 1780 nur zu verweisen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_2074" next="#ID_2075"> Die Liedersammlung Steffans zeigt nun, wie die Verwechslung zwischen<lb/> Goethe und Gleim entstanden ist. Die erste Sammlung der Steffanschen Lieder<lb/> wird nämlich durch ein „Veilchen" eröffnet, das allerdings von Gleim ist:<lb/> Das Veilchen im Hornung. In Korkes Ausgabe von Gleims Werken steht<lb/> es, sehr verändert, unter der zuerst 1794 erschienenen Liedersammlung „Das<lb/> Hüttchen" mit der Überschrift „An das Veilchen neben dem Hüttchen." Natürlich<lb/> muß es aber schon in den siebziger Jahren irgendwo einzeln gedruckt gewesen<lb/> sein. Auch in diesem Liede soll das Veilchen des Mädchens Brust schmücken,<lb/> auch dort heißt es das „arme" Veilchen, auch dort „stirbt" das Veilchen. Der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
Kleine Goethiana.
Junge lebte noch 1820 in Leipzig als 84jähriger Greis in kümmerlichen Ver¬
hältnissen; er hatte seine Stelle einem Adjunkten überlassen müssen und bezog
von diesem nur eine kleine Pension.
I. stelln und das Veilchen.
In Hirzels „Verzeichnis einer Goethebibliothek" wird unter dem Jahre
1780 ein Liederheft aufgeführt: Sammlung verschiedener Lieder von guten
Dichtern und Tonkünstlern. Nürnberg bey Johann Michael Schmidt. Kupfer¬
stecher. M 1780. Hirzel hat diese Liedersammlung in sein Verzeichnis auf¬
genommen, weil sich im zweiten Heste derselben — im ganzen sind es drei —
eine Komposition des Goethischen „Veilchens" findet, die nicht nur Verände¬
rungen des Goethischen Textes zeigt, sondern auch die Unterschrift „Gleim"
trägt. Als Komponist des Liedes ist genannt I. A. Se---n.
Weder in der Verwechslung der beiden Dichter noch in den Textab¬
weichungen , die übrigens zum Teil der Komposition zuliebe gemacht sein
mögen, liegt etwas auffälliges zu einer Zeit, wo die Himburgische Sammlung
noch nicht erschienen war, wo die Jugendlieder Goethes nur zerstreut gedruckt
waren und sicherlich vielfach abschriftlich oder gar nur mündlich verbreitet wurden.
Im vorliegenden Falle läßt sich nachweisen, woher der Irrtum stammt.
Die erwähnte Liedersammlung ist, wie der Herausgeber im Vorworte sagt,
teils aus Musenalmanachen, teils aus andern Quellen zusammengestellt. Beim
„Veilchen" ist man versucht, zunächst sich in den Musenalmanachen umzusehen,
zu denen ja nicht selten auch von Dilettanten, die anonym zu bleiben wünschten,
musikalische Beiträge geliefert wurden. Die Komposition stammt aber aus
andrer Quelle; sie ist entnommen der Sammlung deutscher Lieder für das
Klavier von Herrn Joseph Anton Steffan, k. k. Hofklaviermeister. Wien, bei
Joseph Edlen von Kurzböck, 1778—1781. Diese Sammlung, die aus vier
Abteilungen besteht, enthält in der ersten, 1778 erschienenen Abteilung unter
Nummer 14: Das Veilchen auf der Wiese. Von Gleim. Die Komposition
ist mit allen Textabweichungen genau dieselbe wie in der Sammlung Schmidts.
Sie würde also in dem Hirzelschen Verzeichnis lieber unter 1778 aufzuführen
und dabei auf den Nachdruck von 1780 nur zu verweisen sein.
Die Liedersammlung Steffans zeigt nun, wie die Verwechslung zwischen
Goethe und Gleim entstanden ist. Die erste Sammlung der Steffanschen Lieder
wird nämlich durch ein „Veilchen" eröffnet, das allerdings von Gleim ist:
Das Veilchen im Hornung. In Korkes Ausgabe von Gleims Werken steht
es, sehr verändert, unter der zuerst 1794 erschienenen Liedersammlung „Das
Hüttchen" mit der Überschrift „An das Veilchen neben dem Hüttchen." Natürlich
muß es aber schon in den siebziger Jahren irgendwo einzeln gedruckt gewesen
sein. Auch in diesem Liede soll das Veilchen des Mädchens Brust schmücken,
auch dort heißt es das „arme" Veilchen, auch dort „stirbt" das Veilchen. Der
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