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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

und sodann die Regelung dieser Verhältnisse durch Revision der Vorteilsrechts¬
ordnung vom 23. März 1808, namentlich hinsichtlich der Gutsschätzung und
des kindlichen Anschlages und unter Annahme der Bestimmungen der hannöverschen
Höfeorduung vom 2. Juni 1874 zu vollziehen." Was hier erreicht werden soll,
halten auch wir für ersprießlich, aber wir meinen, man dürfte weiter gehen und
den Wunsch aussprechen, daß gerade durch die Reichsgesetzgebung die bäuerlichen
Besitzverhältnisse in großen Zügen eine gewisse Regelung erfahren sollten, während
dann nur die Einzelheiten den Bundesstaaten zu verbleiben hätten. Dabei könnte
dann nicht nur für Hofgütcr, sondern auch für den Parzellenbesitz das Nötige
bestimmt werden.

Wenn in irgendeiner Sache, so ist es gerade in dieser wünschenswert, daß
alle Bundesstaaten eingehende Erhebungen veranstalten. Wir denken uns die
Aufgabe der Reichsgesetzgebung in dieser Richtung etwa wie folgt.

Es wäre zu bestimmen, daß alle Bundesstaaten Höferollen nach dem Prinzip
der hannöverschen einzuführen haben. Doch wäre den Bundesstaaten die Ein¬
führung von Bestimmungen freizustellen, welche, soweit wünschenswert, im ein¬
zelnen Falle und unter bestimmten Voraussetzungen eine Einsprache der Behörde
gegen die Eintragung ermöglichen. (Hierdurch könnte beispielsweise die allzu-
große Vermehrung der Hofgüter in Gegenden, welche für den Kleinbcsitz günstiger
sind, gehindert werden.) Für Parzellengüter wäre zu bestimmen, daß die Einzel¬
staaten auf Grund geeigneter Erhebungen eine nicht zu niedrige Grenze für die
Teilbarkeit der Liegenschaften einzuführen haben, und zwar nicht in einheitlicher
Höhe für das ganze Staatsgebiet, sondern verschieden nach den Kulturverhält¬
nissen der einzelnen Gegenden, sowie nach Bodenklassen.

Wir glauben, daß durch solche reichsgcsetzliche Bestimmungen, welche, nur
allgemeine Grundsätze aufstellend, es den Bundesstaaten überlassen würden, die
Einzelheiten vollständig ihren besondern Verhältnissen anzupassen, keiner der
deutschen Staaten sich beengt fühlen würde, und wir sind überzeugt, daß Er¬
hebungen über diesen Punkt allenthalben dazu führen würden, die Zweckmäßig¬
keit einer derartigen Regelung der bäuerlichen Besitzverhältnisse zu bestätigen.*)


Z. Kaufpreise und Liegenschaftsumsatz.

Bei den Erhebungen ist man fast überall auf große Mißverhältnisse zwischen
dem Kaufwert und dem Ertragswert der in landwirtschaftlicher Benutzung
stehenden Güter gestoßen. Der Kaufwert wurde fast allenthalben zu hoch be¬
funden. Wir fragen, ob man nicht lieber sagen sollte: der derzeitige Ertrag
zu niedrig. Es scheint, daß der Erhebungsbericht von der Ansicht ausgeht, es
solle von Rechtswegen der Kaufwert immer und unter allen Umständen dem
Reinertrage sich anpassen. Folgerichtig müßte man ein Grundstück, das zur Zeit



*) Der deutsche Landwirtschaftsrat hat im Frühjahre d. I, eine Resolution gefaßt, welche
im Prinzip ebenfalls auf die oben ausgesprochenen Vorschläge hinausläuft.
Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

und sodann die Regelung dieser Verhältnisse durch Revision der Vorteilsrechts¬
ordnung vom 23. März 1808, namentlich hinsichtlich der Gutsschätzung und
des kindlichen Anschlages und unter Annahme der Bestimmungen der hannöverschen
Höfeorduung vom 2. Juni 1874 zu vollziehen." Was hier erreicht werden soll,
halten auch wir für ersprießlich, aber wir meinen, man dürfte weiter gehen und
den Wunsch aussprechen, daß gerade durch die Reichsgesetzgebung die bäuerlichen
Besitzverhältnisse in großen Zügen eine gewisse Regelung erfahren sollten, während
dann nur die Einzelheiten den Bundesstaaten zu verbleiben hätten. Dabei könnte
dann nicht nur für Hofgütcr, sondern auch für den Parzellenbesitz das Nötige
bestimmt werden.

Wenn in irgendeiner Sache, so ist es gerade in dieser wünschenswert, daß
alle Bundesstaaten eingehende Erhebungen veranstalten. Wir denken uns die
Aufgabe der Reichsgesetzgebung in dieser Richtung etwa wie folgt.

Es wäre zu bestimmen, daß alle Bundesstaaten Höferollen nach dem Prinzip
der hannöverschen einzuführen haben. Doch wäre den Bundesstaaten die Ein¬
führung von Bestimmungen freizustellen, welche, soweit wünschenswert, im ein¬
zelnen Falle und unter bestimmten Voraussetzungen eine Einsprache der Behörde
gegen die Eintragung ermöglichen. (Hierdurch könnte beispielsweise die allzu-
große Vermehrung der Hofgüter in Gegenden, welche für den Kleinbcsitz günstiger
sind, gehindert werden.) Für Parzellengüter wäre zu bestimmen, daß die Einzel¬
staaten auf Grund geeigneter Erhebungen eine nicht zu niedrige Grenze für die
Teilbarkeit der Liegenschaften einzuführen haben, und zwar nicht in einheitlicher
Höhe für das ganze Staatsgebiet, sondern verschieden nach den Kulturverhält¬
nissen der einzelnen Gegenden, sowie nach Bodenklassen.

Wir glauben, daß durch solche reichsgcsetzliche Bestimmungen, welche, nur
allgemeine Grundsätze aufstellend, es den Bundesstaaten überlassen würden, die
Einzelheiten vollständig ihren besondern Verhältnissen anzupassen, keiner der
deutschen Staaten sich beengt fühlen würde, und wir sind überzeugt, daß Er¬
hebungen über diesen Punkt allenthalben dazu führen würden, die Zweckmäßig¬
keit einer derartigen Regelung der bäuerlichen Besitzverhältnisse zu bestätigen.*)


Z. Kaufpreise und Liegenschaftsumsatz.

Bei den Erhebungen ist man fast überall auf große Mißverhältnisse zwischen
dem Kaufwert und dem Ertragswert der in landwirtschaftlicher Benutzung
stehenden Güter gestoßen. Der Kaufwert wurde fast allenthalben zu hoch be¬
funden. Wir fragen, ob man nicht lieber sagen sollte: der derzeitige Ertrag
zu niedrig. Es scheint, daß der Erhebungsbericht von der Ansicht ausgeht, es
solle von Rechtswegen der Kaufwert immer und unter allen Umständen dem
Reinertrage sich anpassen. Folgerichtig müßte man ein Grundstück, das zur Zeit



*) Der deutsche Landwirtschaftsrat hat im Frühjahre d. I, eine Resolution gefaßt, welche
im Prinzip ebenfalls auf die oben ausgesprochenen Vorschläge hinausläuft.
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[0461] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. und sodann die Regelung dieser Verhältnisse durch Revision der Vorteilsrechts¬ ordnung vom 23. März 1808, namentlich hinsichtlich der Gutsschätzung und des kindlichen Anschlages und unter Annahme der Bestimmungen der hannöverschen Höfeorduung vom 2. Juni 1874 zu vollziehen." Was hier erreicht werden soll, halten auch wir für ersprießlich, aber wir meinen, man dürfte weiter gehen und den Wunsch aussprechen, daß gerade durch die Reichsgesetzgebung die bäuerlichen Besitzverhältnisse in großen Zügen eine gewisse Regelung erfahren sollten, während dann nur die Einzelheiten den Bundesstaaten zu verbleiben hätten. Dabei könnte dann nicht nur für Hofgütcr, sondern auch für den Parzellenbesitz das Nötige bestimmt werden. Wenn in irgendeiner Sache, so ist es gerade in dieser wünschenswert, daß alle Bundesstaaten eingehende Erhebungen veranstalten. Wir denken uns die Aufgabe der Reichsgesetzgebung in dieser Richtung etwa wie folgt. Es wäre zu bestimmen, daß alle Bundesstaaten Höferollen nach dem Prinzip der hannöverschen einzuführen haben. Doch wäre den Bundesstaaten die Ein¬ führung von Bestimmungen freizustellen, welche, soweit wünschenswert, im ein¬ zelnen Falle und unter bestimmten Voraussetzungen eine Einsprache der Behörde gegen die Eintragung ermöglichen. (Hierdurch könnte beispielsweise die allzu- große Vermehrung der Hofgüter in Gegenden, welche für den Kleinbcsitz günstiger sind, gehindert werden.) Für Parzellengüter wäre zu bestimmen, daß die Einzel¬ staaten auf Grund geeigneter Erhebungen eine nicht zu niedrige Grenze für die Teilbarkeit der Liegenschaften einzuführen haben, und zwar nicht in einheitlicher Höhe für das ganze Staatsgebiet, sondern verschieden nach den Kulturverhält¬ nissen der einzelnen Gegenden, sowie nach Bodenklassen. Wir glauben, daß durch solche reichsgcsetzliche Bestimmungen, welche, nur allgemeine Grundsätze aufstellend, es den Bundesstaaten überlassen würden, die Einzelheiten vollständig ihren besondern Verhältnissen anzupassen, keiner der deutschen Staaten sich beengt fühlen würde, und wir sind überzeugt, daß Er¬ hebungen über diesen Punkt allenthalben dazu führen würden, die Zweckmäßig¬ keit einer derartigen Regelung der bäuerlichen Besitzverhältnisse zu bestätigen.*) Z. Kaufpreise und Liegenschaftsumsatz. Bei den Erhebungen ist man fast überall auf große Mißverhältnisse zwischen dem Kaufwert und dem Ertragswert der in landwirtschaftlicher Benutzung stehenden Güter gestoßen. Der Kaufwert wurde fast allenthalben zu hoch be¬ funden. Wir fragen, ob man nicht lieber sagen sollte: der derzeitige Ertrag zu niedrig. Es scheint, daß der Erhebungsbericht von der Ansicht ausgeht, es solle von Rechtswegen der Kaufwert immer und unter allen Umständen dem Reinertrage sich anpassen. Folgerichtig müßte man ein Grundstück, das zur Zeit *) Der deutsche Landwirtschaftsrat hat im Frühjahre d. I, eine Resolution gefaßt, welche im Prinzip ebenfalls auf die oben ausgesprochenen Vorschläge hinausläuft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/461>, abgerufen am 27.09.2024.