Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

Wenn wir nun in nachstehendem die badische Enquete einer Betrachtung
mit Rücksicht auf ihre Mustergültigkeit unterziehen, so soll dies weniger in bezug
auf den Plan geschehen, welcher den Erhebungen zu gründe lag und welchen
wir im ganzen gern als mustergiltig anerkennen, als vielmehr in bezug auf das
gelieferte Material, aus welchem Fehler und Lücken, wie sie ja bei jedem Werke
unausbleiblich sind, sich deutlicher erkennen lassen. Daß wir, indem wir die
Ergebnisse der badischen Erhebungen kritisiren, darauf angewiesen sind, mehr
die Fehler als die Vorzüge derselben zu berühren, liegt auf der Hand, Wir
verwahren uns daher gegen die Auffassung, als ob wir dadurch das Erhebungs¬
werk als Ganzes verurteilen oder auch nur mit einem weitgehenden Tadel
treffen wollten. Bemerkt sei noch, daß wir in unsern Ausführungen die Be¬
handlung, welche das Erhebungsmerk im badischen Landtage und in dem Zeutral-
ansschusfe des landwirtschaftlichen Vereins gefunden hat, thunlichst beiseite setzen
und mehr das Werk an sich betrachten werden/")

Die Resultate der badischen Erhebungen sind in vier Bänden erschienen.
Drei enthalten die Einzelberichte, der vierte eine zusammenfassende Darstellung,
an welche wir uns hauptsächlich anlehnen werden.

Die zusammenfassende Darstellung hat, dem Erhebungsprogramm folgend,
ihren Stoff derart gegliedert, daß einzeln zur Behandlung gelangen: Allgemeine
Bewirtschaftungsverhältuisse, Besitz- und Erbrechtsverhültnisse, Kaufpreise der
Güter und Liegenschaftslimsatz, Versicherungswesen, Pachtwesen, Gelegenheit zum
Nebenverdienst, Organisation des Kredits, Haushaltverbrauch und Ertrags-
verhältuisse, Verschuldung. Wir wollen -- oder richtiger müssen -- dieser
einmal gegebenen Gliederung in unsern Betrachtungen folgen, wenn wir es auch
im übrigen einstweilen dahingestellt sein lassen, ob sie nach jeder Richtung zweck¬
entsprechend ist.

l^. Allgemeine Bewirtschaftungsverhältnisse.

Hier fällt vor allem ein Punkt in die Augen, der auch für Erhebungen
in andern Bundesstaaten von großer Wichtigkeit sein wird und dem man daher
eine besondre Aufmerksamkeit wird schenken müssen. Es soll nämlich aus den
Erhebungen sich zweifellos erweisen, daß die ungünstige ökonomische Lage der
ländlichen Bevölkerung oft zu nicht geringem Teile daher rühre, "daß die Be¬
völkerung mit der Zeit über den gegebenen Nahrungsspielraum hinausgewachsen
ist, die Gemarkungen also im Verhältnis zu der ansässigen Bevölkerung zu klein
sind." Unsers Trachtens ist diese Behauptung nicht ganz richtig. Daß in Baden



5) Auch die Kritik, welche die Erhebungen in einer Schrift! "Die Lage der Landwirt-
schaft in Baden, von A, E. Sprenger, Ministerialrnt a. D," erfahren haben, lassen wir bei¬
seite, da diese Schrift, obgleich sie im einzelnen manches Bemerkenswerte bringt, in der Haupt¬
sache doch auf der unrichtigen Annahme beruht, die Rohcrträgnisse seien durchschnittlich um
25 Prozent höher, als sie durch die Erhebungen festgestellt wurden.
Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

Wenn wir nun in nachstehendem die badische Enquete einer Betrachtung
mit Rücksicht auf ihre Mustergültigkeit unterziehen, so soll dies weniger in bezug
auf den Plan geschehen, welcher den Erhebungen zu gründe lag und welchen
wir im ganzen gern als mustergiltig anerkennen, als vielmehr in bezug auf das
gelieferte Material, aus welchem Fehler und Lücken, wie sie ja bei jedem Werke
unausbleiblich sind, sich deutlicher erkennen lassen. Daß wir, indem wir die
Ergebnisse der badischen Erhebungen kritisiren, darauf angewiesen sind, mehr
die Fehler als die Vorzüge derselben zu berühren, liegt auf der Hand, Wir
verwahren uns daher gegen die Auffassung, als ob wir dadurch das Erhebungs¬
werk als Ganzes verurteilen oder auch nur mit einem weitgehenden Tadel
treffen wollten. Bemerkt sei noch, daß wir in unsern Ausführungen die Be¬
handlung, welche das Erhebungsmerk im badischen Landtage und in dem Zeutral-
ansschusfe des landwirtschaftlichen Vereins gefunden hat, thunlichst beiseite setzen
und mehr das Werk an sich betrachten werden/")

Die Resultate der badischen Erhebungen sind in vier Bänden erschienen.
Drei enthalten die Einzelberichte, der vierte eine zusammenfassende Darstellung,
an welche wir uns hauptsächlich anlehnen werden.

Die zusammenfassende Darstellung hat, dem Erhebungsprogramm folgend,
ihren Stoff derart gegliedert, daß einzeln zur Behandlung gelangen: Allgemeine
Bewirtschaftungsverhältuisse, Besitz- und Erbrechtsverhültnisse, Kaufpreise der
Güter und Liegenschaftslimsatz, Versicherungswesen, Pachtwesen, Gelegenheit zum
Nebenverdienst, Organisation des Kredits, Haushaltverbrauch und Ertrags-
verhältuisse, Verschuldung. Wir wollen — oder richtiger müssen — dieser
einmal gegebenen Gliederung in unsern Betrachtungen folgen, wenn wir es auch
im übrigen einstweilen dahingestellt sein lassen, ob sie nach jeder Richtung zweck¬
entsprechend ist.

l^. Allgemeine Bewirtschaftungsverhältnisse.

Hier fällt vor allem ein Punkt in die Augen, der auch für Erhebungen
in andern Bundesstaaten von großer Wichtigkeit sein wird und dem man daher
eine besondre Aufmerksamkeit wird schenken müssen. Es soll nämlich aus den
Erhebungen sich zweifellos erweisen, daß die ungünstige ökonomische Lage der
ländlichen Bevölkerung oft zu nicht geringem Teile daher rühre, „daß die Be¬
völkerung mit der Zeit über den gegebenen Nahrungsspielraum hinausgewachsen
ist, die Gemarkungen also im Verhältnis zu der ansässigen Bevölkerung zu klein
sind." Unsers Trachtens ist diese Behauptung nicht ganz richtig. Daß in Baden



5) Auch die Kritik, welche die Erhebungen in einer Schrift! „Die Lage der Landwirt-
schaft in Baden, von A, E. Sprenger, Ministerialrnt a. D," erfahren haben, lassen wir bei¬
seite, da diese Schrift, obgleich sie im einzelnen manches Bemerkenswerte bringt, in der Haupt¬
sache doch auf der unrichtigen Annahme beruht, die Rohcrträgnisse seien durchschnittlich um
25 Prozent höher, als sie durch die Erhebungen festgestellt wurden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156725"/>
          <fw type="header" place="top"> Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2011"> Wenn wir nun in nachstehendem die badische Enquete einer Betrachtung<lb/>
mit Rücksicht auf ihre Mustergültigkeit unterziehen, so soll dies weniger in bezug<lb/>
auf den Plan geschehen, welcher den Erhebungen zu gründe lag und welchen<lb/>
wir im ganzen gern als mustergiltig anerkennen, als vielmehr in bezug auf das<lb/>
gelieferte Material, aus welchem Fehler und Lücken, wie sie ja bei jedem Werke<lb/>
unausbleiblich sind, sich deutlicher erkennen lassen. Daß wir, indem wir die<lb/>
Ergebnisse der badischen Erhebungen kritisiren, darauf angewiesen sind, mehr<lb/>
die Fehler als die Vorzüge derselben zu berühren, liegt auf der Hand, Wir<lb/>
verwahren uns daher gegen die Auffassung, als ob wir dadurch das Erhebungs¬<lb/>
werk als Ganzes verurteilen oder auch nur mit einem weitgehenden Tadel<lb/>
treffen wollten. Bemerkt sei noch, daß wir in unsern Ausführungen die Be¬<lb/>
handlung, welche das Erhebungsmerk im badischen Landtage und in dem Zeutral-<lb/>
ansschusfe des landwirtschaftlichen Vereins gefunden hat, thunlichst beiseite setzen<lb/>
und mehr das Werk an sich betrachten werden/")</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2012"> Die Resultate der badischen Erhebungen sind in vier Bänden erschienen.<lb/>
Drei enthalten die Einzelberichte, der vierte eine zusammenfassende Darstellung,<lb/>
an welche wir uns hauptsächlich anlehnen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2013"> Die zusammenfassende Darstellung hat, dem Erhebungsprogramm folgend,<lb/>
ihren Stoff derart gegliedert, daß einzeln zur Behandlung gelangen: Allgemeine<lb/>
Bewirtschaftungsverhältuisse, Besitz- und Erbrechtsverhültnisse, Kaufpreise der<lb/>
Güter und Liegenschaftslimsatz, Versicherungswesen, Pachtwesen, Gelegenheit zum<lb/>
Nebenverdienst, Organisation des Kredits, Haushaltverbrauch und Ertrags-<lb/>
verhältuisse, Verschuldung. Wir wollen &#x2014; oder richtiger müssen &#x2014; dieser<lb/>
einmal gegebenen Gliederung in unsern Betrachtungen folgen, wenn wir es auch<lb/>
im übrigen einstweilen dahingestellt sein lassen, ob sie nach jeder Richtung zweck¬<lb/>
entsprechend ist.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> l^. Allgemeine Bewirtschaftungsverhältnisse.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2014" next="#ID_2015"> Hier fällt vor allem ein Punkt in die Augen, der auch für Erhebungen<lb/>
in andern Bundesstaaten von großer Wichtigkeit sein wird und dem man daher<lb/>
eine besondre Aufmerksamkeit wird schenken müssen. Es soll nämlich aus den<lb/>
Erhebungen sich zweifellos erweisen, daß die ungünstige ökonomische Lage der<lb/>
ländlichen Bevölkerung oft zu nicht geringem Teile daher rühre, &#x201E;daß die Be¬<lb/>
völkerung mit der Zeit über den gegebenen Nahrungsspielraum hinausgewachsen<lb/>
ist, die Gemarkungen also im Verhältnis zu der ansässigen Bevölkerung zu klein<lb/>
sind." Unsers Trachtens ist diese Behauptung nicht ganz richtig. Daß in Baden</p><lb/>
            <note xml:id="FID_20" place="foot"> 5) Auch die Kritik, welche die Erhebungen in einer Schrift! &#x201E;Die Lage der Landwirt-<lb/>
schaft in Baden, von A, E. Sprenger, Ministerialrnt a. D," erfahren haben, lassen wir bei¬<lb/>
seite, da diese Schrift, obgleich sie im einzelnen manches Bemerkenswerte bringt, in der Haupt¬<lb/>
sache doch auf der unrichtigen Annahme beruht, die Rohcrträgnisse seien durchschnittlich um<lb/>
25 Prozent höher, als sie durch die Erhebungen festgestellt wurden.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0454] Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden. Wenn wir nun in nachstehendem die badische Enquete einer Betrachtung mit Rücksicht auf ihre Mustergültigkeit unterziehen, so soll dies weniger in bezug auf den Plan geschehen, welcher den Erhebungen zu gründe lag und welchen wir im ganzen gern als mustergiltig anerkennen, als vielmehr in bezug auf das gelieferte Material, aus welchem Fehler und Lücken, wie sie ja bei jedem Werke unausbleiblich sind, sich deutlicher erkennen lassen. Daß wir, indem wir die Ergebnisse der badischen Erhebungen kritisiren, darauf angewiesen sind, mehr die Fehler als die Vorzüge derselben zu berühren, liegt auf der Hand, Wir verwahren uns daher gegen die Auffassung, als ob wir dadurch das Erhebungs¬ werk als Ganzes verurteilen oder auch nur mit einem weitgehenden Tadel treffen wollten. Bemerkt sei noch, daß wir in unsern Ausführungen die Be¬ handlung, welche das Erhebungsmerk im badischen Landtage und in dem Zeutral- ansschusfe des landwirtschaftlichen Vereins gefunden hat, thunlichst beiseite setzen und mehr das Werk an sich betrachten werden/") Die Resultate der badischen Erhebungen sind in vier Bänden erschienen. Drei enthalten die Einzelberichte, der vierte eine zusammenfassende Darstellung, an welche wir uns hauptsächlich anlehnen werden. Die zusammenfassende Darstellung hat, dem Erhebungsprogramm folgend, ihren Stoff derart gegliedert, daß einzeln zur Behandlung gelangen: Allgemeine Bewirtschaftungsverhältuisse, Besitz- und Erbrechtsverhültnisse, Kaufpreise der Güter und Liegenschaftslimsatz, Versicherungswesen, Pachtwesen, Gelegenheit zum Nebenverdienst, Organisation des Kredits, Haushaltverbrauch und Ertrags- verhältuisse, Verschuldung. Wir wollen — oder richtiger müssen — dieser einmal gegebenen Gliederung in unsern Betrachtungen folgen, wenn wir es auch im übrigen einstweilen dahingestellt sein lassen, ob sie nach jeder Richtung zweck¬ entsprechend ist. l^. Allgemeine Bewirtschaftungsverhältnisse. Hier fällt vor allem ein Punkt in die Augen, der auch für Erhebungen in andern Bundesstaaten von großer Wichtigkeit sein wird und dem man daher eine besondre Aufmerksamkeit wird schenken müssen. Es soll nämlich aus den Erhebungen sich zweifellos erweisen, daß die ungünstige ökonomische Lage der ländlichen Bevölkerung oft zu nicht geringem Teile daher rühre, „daß die Be¬ völkerung mit der Zeit über den gegebenen Nahrungsspielraum hinausgewachsen ist, die Gemarkungen also im Verhältnis zu der ansässigen Bevölkerung zu klein sind." Unsers Trachtens ist diese Behauptung nicht ganz richtig. Daß in Baden 5) Auch die Kritik, welche die Erhebungen in einer Schrift! „Die Lage der Landwirt- schaft in Baden, von A, E. Sprenger, Ministerialrnt a. D," erfahren haben, lassen wir bei¬ seite, da diese Schrift, obgleich sie im einzelnen manches Bemerkenswerte bringt, in der Haupt¬ sache doch auf der unrichtigen Annahme beruht, die Rohcrträgnisse seien durchschnittlich um 25 Prozent höher, als sie durch die Erhebungen festgestellt wurden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/454
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/454>, abgerufen am 27.09.2024.