Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
<Lin bahnbrechendes Werk.

Mit diesem Ausdruck hat. wenn wir der Vorrede glauben dürfen, "die
Kritik" Friedrich von Hellwald's "Culturgeschichte in ihrer
natürlichen Entwicklung bis zur Gegenwart, Augsburg 1875"
anerkannt; das mußte geschehen sein, ehe das Buch, welches lieferungs¬
weise erschien, zum Abschlüsse gediehen war. In den Recensionen, die
uns zu Gesicht gekommen, haben wir mit Einer Ausnahme*) jenen
Ausdruck nicht gefunden: indeß wurde das Buch allenthalben, auch in
Blättern wie dem Leipziger Literarischen Centralblatt und noch jüngst
in einem ausführlichen Artikel der Preußischen Jahrbücher, zwar bekämpft,
aber doch als eine ernsthafte wissenschaftliche Leistung aufgefaßt, und so
haben auch wir dasselbe zur Hand genommen, um zu sehen, wie weit
die überaus wichtige und interessante Aufgabe, welche der Titel bezeich¬
net, vom Versasser gelöst worden sei. Ohne sonderliche Gemüthsbewegung
lasen wir die ersten 60 Seiten, wo die Hypothesen der darwinistischen
Schule mit dem sicheren Tone, welcher jugendliche Orthodoxieen auszu¬
zeichnen pflegt, vorgetragen werden: von da an aber, wo das Buch
wirklich geschichtlichen Boden betritt, sind wir dem Verfasser auf seiner Wan¬
derung durch Zeiten und Völker mit wachsendem Erstaunen gefolgt, und wir
müssen, nachdem wir seine 800 Seiten durchgelesen, was nicht Jeder seiner
Kritiker von sich rühmen dürfte, unser Urtheil dahin aussprechen: daß hier
von einem völlig unberufenen Manne mit völlig unzureichenden Material
ein Buch zusammengetragen worden ist. das wir nicht anstehen, nach Form
und Inhalt eines der schlechtesten. wo nicht das schlechteste zu nennen. das
uns seit 30 Jahren vorgekommen. Das Urtheil klingt verwegen: den Beweis
^er hoffen wir in aller nur wünschenswerthen Vollständigkeit zu erbringen.

Der allgemeine Standpunkt des Buches, an welchen sich die uns zu Ge-



') 2in Märzheft von Westermann's Monatsheften.
Grenzboten III. I87K.
<Lin bahnbrechendes Werk.

Mit diesem Ausdruck hat. wenn wir der Vorrede glauben dürfen, „die
Kritik" Friedrich von Hellwald's „Culturgeschichte in ihrer
natürlichen Entwicklung bis zur Gegenwart, Augsburg 1875"
anerkannt; das mußte geschehen sein, ehe das Buch, welches lieferungs¬
weise erschien, zum Abschlüsse gediehen war. In den Recensionen, die
uns zu Gesicht gekommen, haben wir mit Einer Ausnahme*) jenen
Ausdruck nicht gefunden: indeß wurde das Buch allenthalben, auch in
Blättern wie dem Leipziger Literarischen Centralblatt und noch jüngst
in einem ausführlichen Artikel der Preußischen Jahrbücher, zwar bekämpft,
aber doch als eine ernsthafte wissenschaftliche Leistung aufgefaßt, und so
haben auch wir dasselbe zur Hand genommen, um zu sehen, wie weit
die überaus wichtige und interessante Aufgabe, welche der Titel bezeich¬
net, vom Versasser gelöst worden sei. Ohne sonderliche Gemüthsbewegung
lasen wir die ersten 60 Seiten, wo die Hypothesen der darwinistischen
Schule mit dem sicheren Tone, welcher jugendliche Orthodoxieen auszu¬
zeichnen pflegt, vorgetragen werden: von da an aber, wo das Buch
wirklich geschichtlichen Boden betritt, sind wir dem Verfasser auf seiner Wan¬
derung durch Zeiten und Völker mit wachsendem Erstaunen gefolgt, und wir
müssen, nachdem wir seine 800 Seiten durchgelesen, was nicht Jeder seiner
Kritiker von sich rühmen dürfte, unser Urtheil dahin aussprechen: daß hier
von einem völlig unberufenen Manne mit völlig unzureichenden Material
ein Buch zusammengetragen worden ist. das wir nicht anstehen, nach Form
und Inhalt eines der schlechtesten. wo nicht das schlechteste zu nennen. das
uns seit 30 Jahren vorgekommen. Das Urtheil klingt verwegen: den Beweis
^er hoffen wir in aller nur wünschenswerthen Vollständigkeit zu erbringen.

Der allgemeine Standpunkt des Buches, an welchen sich die uns zu Ge-



') 2in Märzheft von Westermann's Monatsheften.
Grenzboten III. I87K.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136240"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> &lt;Lin bahnbrechendes Werk.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_298"> Mit diesem Ausdruck hat. wenn wir der Vorrede glauben dürfen, &#x201E;die<lb/>
Kritik" Friedrich von Hellwald's &#x201E;Culturgeschichte in ihrer<lb/>
natürlichen Entwicklung bis zur Gegenwart, Augsburg 1875"<lb/>
anerkannt; das mußte geschehen sein, ehe das Buch, welches lieferungs¬<lb/>
weise erschien, zum Abschlüsse gediehen war. In den Recensionen, die<lb/>
uns zu Gesicht gekommen, haben wir mit Einer Ausnahme*) jenen<lb/>
Ausdruck nicht gefunden: indeß wurde das Buch allenthalben, auch in<lb/>
Blättern wie dem Leipziger Literarischen Centralblatt und noch jüngst<lb/>
in einem ausführlichen Artikel der Preußischen Jahrbücher, zwar bekämpft,<lb/>
aber doch als eine ernsthafte wissenschaftliche Leistung aufgefaßt, und so<lb/>
haben auch wir dasselbe zur Hand genommen, um zu sehen, wie weit<lb/>
die überaus wichtige und interessante Aufgabe, welche der Titel bezeich¬<lb/>
net, vom Versasser gelöst worden sei. Ohne sonderliche Gemüthsbewegung<lb/>
lasen wir die ersten 60 Seiten, wo die Hypothesen der darwinistischen<lb/>
Schule mit dem sicheren Tone, welcher jugendliche Orthodoxieen auszu¬<lb/>
zeichnen pflegt, vorgetragen werden: von da an aber, wo das Buch<lb/>
wirklich geschichtlichen Boden betritt, sind wir dem Verfasser auf seiner Wan¬<lb/>
derung durch Zeiten und Völker mit wachsendem Erstaunen gefolgt, und wir<lb/>
müssen, nachdem wir seine 800 Seiten durchgelesen, was nicht Jeder seiner<lb/>
Kritiker von sich rühmen dürfte, unser Urtheil dahin aussprechen: daß hier<lb/>
von einem völlig unberufenen Manne mit völlig unzureichenden Material<lb/>
ein Buch zusammengetragen worden ist. das wir nicht anstehen, nach Form<lb/>
und Inhalt eines der schlechtesten. wo nicht das schlechteste zu nennen. das<lb/>
uns seit 30 Jahren vorgekommen. Das Urtheil klingt verwegen: den Beweis<lb/>
^er hoffen wir in aller nur wünschenswerthen Vollständigkeit zu erbringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_299" next="#ID_300"> Der allgemeine Standpunkt des Buches, an welchen sich die uns zu Ge-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_6" place="foot"> ') 2in Märzheft von Westermann's Monatsheften.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. I87K.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0129] <Lin bahnbrechendes Werk. Mit diesem Ausdruck hat. wenn wir der Vorrede glauben dürfen, „die Kritik" Friedrich von Hellwald's „Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung bis zur Gegenwart, Augsburg 1875" anerkannt; das mußte geschehen sein, ehe das Buch, welches lieferungs¬ weise erschien, zum Abschlüsse gediehen war. In den Recensionen, die uns zu Gesicht gekommen, haben wir mit Einer Ausnahme*) jenen Ausdruck nicht gefunden: indeß wurde das Buch allenthalben, auch in Blättern wie dem Leipziger Literarischen Centralblatt und noch jüngst in einem ausführlichen Artikel der Preußischen Jahrbücher, zwar bekämpft, aber doch als eine ernsthafte wissenschaftliche Leistung aufgefaßt, und so haben auch wir dasselbe zur Hand genommen, um zu sehen, wie weit die überaus wichtige und interessante Aufgabe, welche der Titel bezeich¬ net, vom Versasser gelöst worden sei. Ohne sonderliche Gemüthsbewegung lasen wir die ersten 60 Seiten, wo die Hypothesen der darwinistischen Schule mit dem sicheren Tone, welcher jugendliche Orthodoxieen auszu¬ zeichnen pflegt, vorgetragen werden: von da an aber, wo das Buch wirklich geschichtlichen Boden betritt, sind wir dem Verfasser auf seiner Wan¬ derung durch Zeiten und Völker mit wachsendem Erstaunen gefolgt, und wir müssen, nachdem wir seine 800 Seiten durchgelesen, was nicht Jeder seiner Kritiker von sich rühmen dürfte, unser Urtheil dahin aussprechen: daß hier von einem völlig unberufenen Manne mit völlig unzureichenden Material ein Buch zusammengetragen worden ist. das wir nicht anstehen, nach Form und Inhalt eines der schlechtesten. wo nicht das schlechteste zu nennen. das uns seit 30 Jahren vorgekommen. Das Urtheil klingt verwegen: den Beweis ^er hoffen wir in aller nur wünschenswerthen Vollständigkeit zu erbringen. Der allgemeine Standpunkt des Buches, an welchen sich die uns zu Ge- ') 2in Märzheft von Westermann's Monatsheften. Grenzboten III. I87K.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/129
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/129>, abgerufen am 27.09.2024.