Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.Die baltischen Provinzen Rußlands. n. Land und Leute. Die drei Ostseeprovinzen Liv-, Est- und Kurland bilden sammt den zu Mrenzbotm IV. 1867. 27
Die baltischen Provinzen Rußlands. n. Land und Leute. Die drei Ostseeprovinzen Liv-, Est- und Kurland bilden sammt den zu Mrenzbotm IV. 1867. 27
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Die baltischen Provinzen Rußlands.
n.
Land und Leute.
Die drei Ostseeprovinzen Liv-, Est- und Kurland bilden sammt den zu
ihnen gehörigen Inseln Oesel, Moon, Runo, Dagden und Worms ein Terri¬
torium von 1784 Quadrat-Meilen, das etwa 1,830,000 Bewohner zählt.? Das
im Herzen Livlands liegende Städtchen Wall, gleich weit entfernt von der
Nord-, wie von der Südgrenze des deutscher Cultur gewonnenen Landes, be¬
zeichnet die Grenze zwischen den beiden UrVölkern, welche nach wie vor die
überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung repräsentiren; nach Norden hin, bis
an die felsige Südküste des finnischen Meerbusens dehnen sich die Side des
Estenvolks aus, südlich, von Wall bis an die flachen Ufer des Njeman, wird
der Boden Liv- und Kurlands von Letten bearbeitet, einem litthauischen Stamm,
dessen Sprache von allen in Europa gesprochenen Idiomen dem Sanskrit am
nächsten stehen soll. Zwischen beiden Völkern verstreut, bald in Städten und
Flecken zu compacten Massen an einander geschlossen, bald aus einsamen Edel-
höfen und Pfarrhäusern, Krüger, Mühlen und Schulmeistereien angesiedelt,
leben und herrschen etwa 200,000 Deutsche, zum Theil Nachkommen der tapferen
Eroberer dieses Küstenlandes, zum größten Theil neuere Einwanderer der ver¬
schiedensten Berufsarten; alles was nicht zum Bauernstande gehört, ist deutsch
tMrtet. Mit Genauigkeit festzustellen, wer der deutschen, wer der lettisch-
estnischen Bevölkerung angehört, hat noch niemand unternommen, und wird
^um jemandem gelingen, denn jährlich nimmt die Zahl derer zu, die aus
dem unterworfenen in den herrschenden Stamm übergehen. Der Schulmeister,
der in einem der Seminare Liv- oder Kurlands seine Bildung empfangen hat,
der jüngere Sohn des behäbigen Bauerwirths, der in die Stadt gezogen ist,
um ein Handwerk zu lernen oder Handlungslehrling zu werden, der talentvolle
Bauerknabe, dem die Gunst des Gutsherrn oder die Freundschaft des benach¬
barten Pastors eine gelehrte Laufbahn erschlossen, der umsichtige Wirthschafts¬
aufseher, der es zum Amtmann oder Verwalter gebracht, die Knechtstochter
Mrenzbotm IV. 1867. 27
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