Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Ausführung desselben ebenso roh, als von der schmächtigsten Dünnheit und
flachsten Nüchternheit ist, werden wir ein allen Gebäuden der neuen Straße
wiederfinden. Das wenigstens hätten sich die Architekten des neuen Stils von den
Gebäuden einer nicht lange vergangenen Zeit, auf welche sie mit Geringschä¬
tzung herabblicken, sollen gesagt sein lassen, daß die Meister derselben -- vorab
Klenze -- es verstanden, sich geschickte Arbeiter heranzubilden. Wie sonnen es
jene verantworten, allen besseren Geschmack und jede Geschicklichkeit der Arbeit
so jämmerlich zu Grunde geben zu lassen? Nur derjenige, welcher keine Achtung
vor seinem eigenen Werke hat, kann sich mit einer so rohen Ausführung zu¬
frieden geben.

Doch Eines wenigstens ist an dem Bau zu loben: man hat den Versuch
gemacht, an ihm zu zeigen, daß sich mit gebranntem Stein an einem Orte, wo
die natürlichen fehlen, ein reiches Gebäude unschwer ausführen lasse, und da¬
mit der wichtigen Industrie der Terracottafabrikativn einen neuen Anstoß geben
wollen. Der Aufwand von Kosten, den der Staat hierfür macht, scheint wohl
berechtigt. Ob übrigens die Anfertigung des Materials der Art ist, daß seine
Dauer diesen Aufwand noch weiter rechtfertigen wird, das zu entscheiden muß
der Zeit überlassen bleiben. Besser aber hätte das Beispiel nachgewirkt und
leichter die Nachahmung hervorgerufen, wenn nicbt hafnerartig das Ganze be¬
kleidet, sondern das Aeußere mit dem Maucrkerne zugleich herauf gemauert
wäre, die Mauer mit sichtbaren Fugen sich als Mauer ausgesprochen und nicht
die Imitation eines Kachelofens hätte sein wollen.

Eine passende Anwendung des den Zweck des Gebäudes bezeichnenden
Bildcrschmucks ist, wie es scheint, dem Architekten am wenigsten angelegen.
Denn die Figuren, welche noch auf einigen Strcckpfeilern, wie sich aus den
darüber angebrachten Postamenten vermuthen läßt, aufzurichten sind, stehen in zu
geringem Zusammenhange mit der Architektur, als daß die allegorische Andeu¬
tung in ausdrucksvoller Weise den wirklichen Inhalt kundgeben könnte. -- So
spricht weder die Form noch die Ausschmückung des Gebäudes seine Zweckbe¬
stimmung aus. Seine Erscheinung ist theilweise eine Maske, theilweise ein
Näthsel; und damit -- ganz abgesehen von dem Mangel eines organischen
Aufbaues und dem Widersinn der ornamentalen Einkleidung -- auch die künst¬
lerische Anstrengung gänzlich vernichtet.


Ratio malen useum.

An diesem ist wenigstens der Versuch gemacht worden, sowohl in der
Gliederung die innere Eintheilung, als im allegorischen Bilderwerk den Charak¬
ter des Ganzen deutlicher anklingen zu lassen.

Das Gebäude (von einem andern Architekten) theilt sich seiner Längen-
ausdehnung nach in einen Mittelbau und zwei Nebenflügel. Der breite Mittel-


die Ausführung desselben ebenso roh, als von der schmächtigsten Dünnheit und
flachsten Nüchternheit ist, werden wir ein allen Gebäuden der neuen Straße
wiederfinden. Das wenigstens hätten sich die Architekten des neuen Stils von den
Gebäuden einer nicht lange vergangenen Zeit, auf welche sie mit Geringschä¬
tzung herabblicken, sollen gesagt sein lassen, daß die Meister derselben — vorab
Klenze — es verstanden, sich geschickte Arbeiter heranzubilden. Wie sonnen es
jene verantworten, allen besseren Geschmack und jede Geschicklichkeit der Arbeit
so jämmerlich zu Grunde geben zu lassen? Nur derjenige, welcher keine Achtung
vor seinem eigenen Werke hat, kann sich mit einer so rohen Ausführung zu¬
frieden geben.

Doch Eines wenigstens ist an dem Bau zu loben: man hat den Versuch
gemacht, an ihm zu zeigen, daß sich mit gebranntem Stein an einem Orte, wo
die natürlichen fehlen, ein reiches Gebäude unschwer ausführen lasse, und da¬
mit der wichtigen Industrie der Terracottafabrikativn einen neuen Anstoß geben
wollen. Der Aufwand von Kosten, den der Staat hierfür macht, scheint wohl
berechtigt. Ob übrigens die Anfertigung des Materials der Art ist, daß seine
Dauer diesen Aufwand noch weiter rechtfertigen wird, das zu entscheiden muß
der Zeit überlassen bleiben. Besser aber hätte das Beispiel nachgewirkt und
leichter die Nachahmung hervorgerufen, wenn nicbt hafnerartig das Ganze be¬
kleidet, sondern das Aeußere mit dem Maucrkerne zugleich herauf gemauert
wäre, die Mauer mit sichtbaren Fugen sich als Mauer ausgesprochen und nicht
die Imitation eines Kachelofens hätte sein wollen.

Eine passende Anwendung des den Zweck des Gebäudes bezeichnenden
Bildcrschmucks ist, wie es scheint, dem Architekten am wenigsten angelegen.
Denn die Figuren, welche noch auf einigen Strcckpfeilern, wie sich aus den
darüber angebrachten Postamenten vermuthen läßt, aufzurichten sind, stehen in zu
geringem Zusammenhange mit der Architektur, als daß die allegorische Andeu¬
tung in ausdrucksvoller Weise den wirklichen Inhalt kundgeben könnte. — So
spricht weder die Form noch die Ausschmückung des Gebäudes seine Zweckbe¬
stimmung aus. Seine Erscheinung ist theilweise eine Maske, theilweise ein
Näthsel; und damit — ganz abgesehen von dem Mangel eines organischen
Aufbaues und dem Widersinn der ornamentalen Einkleidung — auch die künst¬
lerische Anstrengung gänzlich vernichtet.


Ratio malen useum.

An diesem ist wenigstens der Versuch gemacht worden, sowohl in der
Gliederung die innere Eintheilung, als im allegorischen Bilderwerk den Charak¬
ter des Ganzen deutlicher anklingen zu lassen.

Das Gebäude (von einem andern Architekten) theilt sich seiner Längen-
ausdehnung nach in einen Mittelbau und zwei Nebenflügel. Der breite Mittel-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188447"/>
              <p xml:id="ID_1322" prev="#ID_1321"> die Ausführung desselben ebenso roh, als von der schmächtigsten Dünnheit und<lb/>
flachsten Nüchternheit ist, werden wir ein allen Gebäuden der neuen Straße<lb/>
wiederfinden. Das wenigstens hätten sich die Architekten des neuen Stils von den<lb/>
Gebäuden einer nicht lange vergangenen Zeit, auf welche sie mit Geringschä¬<lb/>
tzung herabblicken, sollen gesagt sein lassen, daß die Meister derselben &#x2014; vorab<lb/>
Klenze &#x2014; es verstanden, sich geschickte Arbeiter heranzubilden. Wie sonnen es<lb/>
jene verantworten, allen besseren Geschmack und jede Geschicklichkeit der Arbeit<lb/>
so jämmerlich zu Grunde geben zu lassen? Nur derjenige, welcher keine Achtung<lb/>
vor seinem eigenen Werke hat, kann sich mit einer so rohen Ausführung zu¬<lb/>
frieden geben.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1323"> Doch Eines wenigstens ist an dem Bau zu loben: man hat den Versuch<lb/>
gemacht, an ihm zu zeigen, daß sich mit gebranntem Stein an einem Orte, wo<lb/>
die natürlichen fehlen, ein reiches Gebäude unschwer ausführen lasse, und da¬<lb/>
mit der wichtigen Industrie der Terracottafabrikativn einen neuen Anstoß geben<lb/>
wollen. Der Aufwand von Kosten, den der Staat hierfür macht, scheint wohl<lb/>
berechtigt. Ob übrigens die Anfertigung des Materials der Art ist, daß seine<lb/>
Dauer diesen Aufwand noch weiter rechtfertigen wird, das zu entscheiden muß<lb/>
der Zeit überlassen bleiben. Besser aber hätte das Beispiel nachgewirkt und<lb/>
leichter die Nachahmung hervorgerufen, wenn nicbt hafnerartig das Ganze be¬<lb/>
kleidet, sondern das Aeußere mit dem Maucrkerne zugleich herauf gemauert<lb/>
wäre, die Mauer mit sichtbaren Fugen sich als Mauer ausgesprochen und nicht<lb/>
die Imitation eines Kachelofens hätte sein wollen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1324"> Eine passende Anwendung des den Zweck des Gebäudes bezeichnenden<lb/>
Bildcrschmucks ist, wie es scheint, dem Architekten am wenigsten angelegen.<lb/>
Denn die Figuren, welche noch auf einigen Strcckpfeilern, wie sich aus den<lb/>
darüber angebrachten Postamenten vermuthen läßt, aufzurichten sind, stehen in zu<lb/>
geringem Zusammenhange mit der Architektur, als daß die allegorische Andeu¬<lb/>
tung in ausdrucksvoller Weise den wirklichen Inhalt kundgeben könnte. &#x2014; So<lb/>
spricht weder die Form noch die Ausschmückung des Gebäudes seine Zweckbe¬<lb/>
stimmung aus. Seine Erscheinung ist theilweise eine Maske, theilweise ein<lb/>
Näthsel; und damit &#x2014; ganz abgesehen von dem Mangel eines organischen<lb/>
Aufbaues und dem Widersinn der ornamentalen Einkleidung &#x2014; auch die künst¬<lb/>
lerische Anstrengung gänzlich vernichtet.</p><lb/>
            </div>
            <div n="3">
              <head> Ratio malen useum.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_1325"> An diesem ist wenigstens der Versuch gemacht worden, sowohl in der<lb/>
Gliederung die innere Eintheilung, als im allegorischen Bilderwerk den Charak¬<lb/>
ter des Ganzen deutlicher anklingen zu lassen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1326" next="#ID_1327"> Das Gebäude (von einem andern Architekten) theilt sich seiner Längen-<lb/>
ausdehnung nach in einen Mittelbau und zwei Nebenflügel. Der breite Mittel-</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0420] die Ausführung desselben ebenso roh, als von der schmächtigsten Dünnheit und flachsten Nüchternheit ist, werden wir ein allen Gebäuden der neuen Straße wiederfinden. Das wenigstens hätten sich die Architekten des neuen Stils von den Gebäuden einer nicht lange vergangenen Zeit, auf welche sie mit Geringschä¬ tzung herabblicken, sollen gesagt sein lassen, daß die Meister derselben — vorab Klenze — es verstanden, sich geschickte Arbeiter heranzubilden. Wie sonnen es jene verantworten, allen besseren Geschmack und jede Geschicklichkeit der Arbeit so jämmerlich zu Grunde geben zu lassen? Nur derjenige, welcher keine Achtung vor seinem eigenen Werke hat, kann sich mit einer so rohen Ausführung zu¬ frieden geben. Doch Eines wenigstens ist an dem Bau zu loben: man hat den Versuch gemacht, an ihm zu zeigen, daß sich mit gebranntem Stein an einem Orte, wo die natürlichen fehlen, ein reiches Gebäude unschwer ausführen lasse, und da¬ mit der wichtigen Industrie der Terracottafabrikativn einen neuen Anstoß geben wollen. Der Aufwand von Kosten, den der Staat hierfür macht, scheint wohl berechtigt. Ob übrigens die Anfertigung des Materials der Art ist, daß seine Dauer diesen Aufwand noch weiter rechtfertigen wird, das zu entscheiden muß der Zeit überlassen bleiben. Besser aber hätte das Beispiel nachgewirkt und leichter die Nachahmung hervorgerufen, wenn nicbt hafnerartig das Ganze be¬ kleidet, sondern das Aeußere mit dem Maucrkerne zugleich herauf gemauert wäre, die Mauer mit sichtbaren Fugen sich als Mauer ausgesprochen und nicht die Imitation eines Kachelofens hätte sein wollen. Eine passende Anwendung des den Zweck des Gebäudes bezeichnenden Bildcrschmucks ist, wie es scheint, dem Architekten am wenigsten angelegen. Denn die Figuren, welche noch auf einigen Strcckpfeilern, wie sich aus den darüber angebrachten Postamenten vermuthen läßt, aufzurichten sind, stehen in zu geringem Zusammenhange mit der Architektur, als daß die allegorische Andeu¬ tung in ausdrucksvoller Weise den wirklichen Inhalt kundgeben könnte. — So spricht weder die Form noch die Ausschmückung des Gebäudes seine Zweckbe¬ stimmung aus. Seine Erscheinung ist theilweise eine Maske, theilweise ein Näthsel; und damit — ganz abgesehen von dem Mangel eines organischen Aufbaues und dem Widersinn der ornamentalen Einkleidung — auch die künst¬ lerische Anstrengung gänzlich vernichtet. Ratio malen useum. An diesem ist wenigstens der Versuch gemacht worden, sowohl in der Gliederung die innere Eintheilung, als im allegorischen Bilderwerk den Charak¬ ter des Ganzen deutlicher anklingen zu lassen. Das Gebäude (von einem andern Architekten) theilt sich seiner Längen- ausdehnung nach in einen Mittelbau und zwei Nebenflügel. Der breite Mittel-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/420
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/420>, abgerufen am 27.09.2024.