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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Ausübe, den Heimkehrenden warmen Dank für ihre aufreibende und verant¬
wortliche Arbeit auszusprechen. Es ist jetzt nicht die Zeit und nicht hier der Ort,
den Umfang der einzelnen Talente abzuschätzen, und was ihre Thätigkeit viel¬
leicht zu wünschen ließ, hervorzuheben. Denn sie sind die Männer, welche
in der nächsten Zukunft die Führer der Vvlkspcirtei, die Vertreter der liberalen
Forderungen sein werden. Und wie wir fest auf die Zukunft des preußischen
Staates vertrauen, so vertrauen wir auf die Umsicht und Thätigkeit, welche
unsere Vertreter durch die nächsten Monate in ihrer Heimath erweisen werden.
Denn was den Preußen jetzt mehr als alles Andere noththut, ist Organisation
der Partei und Disciplin, eine willige, selbstlose Unterordnung des Einzelnen
H unter die leitenden Führer.




Vermischte Literatur.
Heinrich Moritz Richter: Georg von Podicbrad's Bestrebungen um Er¬
langung der deutschen Kaiserkrone und seine Beziehungen zu den deutschen Reichs-
fürsten. Wien und Leipzig, (typogr. lit. art. Anstalt, Zamarski und Ditt-
marsch) 1863.

Wenn Jemand behufs der Beurtheilung einer wichtigen historischen Persönlich¬
keit dieselbe von einem willkürlichen und falschen Gesichtspunkte aus betrachtet und
sich dann wundert, wie Andere an dein Original des verzerrten Bildes haben
Wohlgefallen finden könne", so ist die Schuld dieser Verwunderung entweder außer¬
gewöhnliche Naivetät oder Absichtlichkeit. Diese Wahl müssen wir dem Verfasser des
obengenannten Schriftchens stellen. Er hat sich vorgenommen, Georg von Podiebrad
des Nimbus zu entkleiden, den ihm die neueren Bearbeitungen seiner Geschichte, die er
nicht einmal vollständig berücksichtigt, durch die Hervorhebung seiner reformatorischen
Bedeutung gegeben haben. Zu dem Ende betrachtet er das Verhalten des Böhmcn-
königs zu den bewegenden Factoren seiner Zeit, zur religiösen und zur innern poli¬
tischen Frage, einmal als Frivolität, ein andermal als Charakterlosigkeit und findet
in unmoralischen, sich selbst vernichtenden Ehrgeiz die einzige Triebfeder seiner Hand¬
lungen. Diese Weisheit schallt aus einem Winkel der, den Herr Richter als den
Hochsitz historischer Aufklärung feiert. S. 43 und 4" findet sich nämlich ein Panc-
gvrikus auf Herrn Höflcr, dessen Arbeite" er "im höchsten Ausmaße verdienstvoll"
nennt. Nach solchen Autoritäten läßt sich abmesse", wie schwer es dem Herrn Ver¬
fasser geworden ist, sich selber z" befriedigen. Ihrer Form nach bildet die Schrift
bei aller verdienstlichen Kürze ein gelungenes Specimen der --- falva vonia -- deut¬
schen Sprache dieser Frciction östreichischer Gelehrsamkeit, die sich in grammatika¬
lischer Beziehung etwa an dem Vorbilde der heimischen Polizcivcrordnungcn heran¬
gebildet zu haben scheint. Dazu kommt auch hier wieder die gelehrt scheinen sollende


Ausübe, den Heimkehrenden warmen Dank für ihre aufreibende und verant¬
wortliche Arbeit auszusprechen. Es ist jetzt nicht die Zeit und nicht hier der Ort,
den Umfang der einzelnen Talente abzuschätzen, und was ihre Thätigkeit viel¬
leicht zu wünschen ließ, hervorzuheben. Denn sie sind die Männer, welche
in der nächsten Zukunft die Führer der Vvlkspcirtei, die Vertreter der liberalen
Forderungen sein werden. Und wie wir fest auf die Zukunft des preußischen
Staates vertrauen, so vertrauen wir auf die Umsicht und Thätigkeit, welche
unsere Vertreter durch die nächsten Monate in ihrer Heimath erweisen werden.
Denn was den Preußen jetzt mehr als alles Andere noththut, ist Organisation
der Partei und Disciplin, eine willige, selbstlose Unterordnung des Einzelnen
H unter die leitenden Führer.




Vermischte Literatur.
Heinrich Moritz Richter: Georg von Podicbrad's Bestrebungen um Er¬
langung der deutschen Kaiserkrone und seine Beziehungen zu den deutschen Reichs-
fürsten. Wien und Leipzig, (typogr. lit. art. Anstalt, Zamarski und Ditt-
marsch) 1863.

Wenn Jemand behufs der Beurtheilung einer wichtigen historischen Persönlich¬
keit dieselbe von einem willkürlichen und falschen Gesichtspunkte aus betrachtet und
sich dann wundert, wie Andere an dein Original des verzerrten Bildes haben
Wohlgefallen finden könne», so ist die Schuld dieser Verwunderung entweder außer¬
gewöhnliche Naivetät oder Absichtlichkeit. Diese Wahl müssen wir dem Verfasser des
obengenannten Schriftchens stellen. Er hat sich vorgenommen, Georg von Podiebrad
des Nimbus zu entkleiden, den ihm die neueren Bearbeitungen seiner Geschichte, die er
nicht einmal vollständig berücksichtigt, durch die Hervorhebung seiner reformatorischen
Bedeutung gegeben haben. Zu dem Ende betrachtet er das Verhalten des Böhmcn-
königs zu den bewegenden Factoren seiner Zeit, zur religiösen und zur innern poli¬
tischen Frage, einmal als Frivolität, ein andermal als Charakterlosigkeit und findet
in unmoralischen, sich selbst vernichtenden Ehrgeiz die einzige Triebfeder seiner Hand¬
lungen. Diese Weisheit schallt aus einem Winkel der, den Herr Richter als den
Hochsitz historischer Aufklärung feiert. S. 43 und 4» findet sich nämlich ein Panc-
gvrikus auf Herrn Höflcr, dessen Arbeite» er „im höchsten Ausmaße verdienstvoll"
nennt. Nach solchen Autoritäten läßt sich abmesse», wie schwer es dem Herrn Ver¬
fasser geworden ist, sich selber z» befriedigen. Ihrer Form nach bildet die Schrift
bei aller verdienstlichen Kürze ein gelungenes Specimen der —- falva vonia — deut¬
schen Sprache dieser Frciction östreichischer Gelehrsamkeit, die sich in grammatika¬
lischer Beziehung etwa an dem Vorbilde der heimischen Polizcivcrordnungcn heran¬
gebildet zu haben scheint. Dazu kommt auch hier wieder die gelehrt scheinen sollende


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[0398] Ausübe, den Heimkehrenden warmen Dank für ihre aufreibende und verant¬ wortliche Arbeit auszusprechen. Es ist jetzt nicht die Zeit und nicht hier der Ort, den Umfang der einzelnen Talente abzuschätzen, und was ihre Thätigkeit viel¬ leicht zu wünschen ließ, hervorzuheben. Denn sie sind die Männer, welche in der nächsten Zukunft die Führer der Vvlkspcirtei, die Vertreter der liberalen Forderungen sein werden. Und wie wir fest auf die Zukunft des preußischen Staates vertrauen, so vertrauen wir auf die Umsicht und Thätigkeit, welche unsere Vertreter durch die nächsten Monate in ihrer Heimath erweisen werden. Denn was den Preußen jetzt mehr als alles Andere noththut, ist Organisation der Partei und Disciplin, eine willige, selbstlose Unterordnung des Einzelnen H unter die leitenden Führer. Vermischte Literatur. Heinrich Moritz Richter: Georg von Podicbrad's Bestrebungen um Er¬ langung der deutschen Kaiserkrone und seine Beziehungen zu den deutschen Reichs- fürsten. Wien und Leipzig, (typogr. lit. art. Anstalt, Zamarski und Ditt- marsch) 1863. Wenn Jemand behufs der Beurtheilung einer wichtigen historischen Persönlich¬ keit dieselbe von einem willkürlichen und falschen Gesichtspunkte aus betrachtet und sich dann wundert, wie Andere an dein Original des verzerrten Bildes haben Wohlgefallen finden könne», so ist die Schuld dieser Verwunderung entweder außer¬ gewöhnliche Naivetät oder Absichtlichkeit. Diese Wahl müssen wir dem Verfasser des obengenannten Schriftchens stellen. Er hat sich vorgenommen, Georg von Podiebrad des Nimbus zu entkleiden, den ihm die neueren Bearbeitungen seiner Geschichte, die er nicht einmal vollständig berücksichtigt, durch die Hervorhebung seiner reformatorischen Bedeutung gegeben haben. Zu dem Ende betrachtet er das Verhalten des Böhmcn- königs zu den bewegenden Factoren seiner Zeit, zur religiösen und zur innern poli¬ tischen Frage, einmal als Frivolität, ein andermal als Charakterlosigkeit und findet in unmoralischen, sich selbst vernichtenden Ehrgeiz die einzige Triebfeder seiner Hand¬ lungen. Diese Weisheit schallt aus einem Winkel der, den Herr Richter als den Hochsitz historischer Aufklärung feiert. S. 43 und 4» findet sich nämlich ein Panc- gvrikus auf Herrn Höflcr, dessen Arbeite» er „im höchsten Ausmaße verdienstvoll" nennt. Nach solchen Autoritäten läßt sich abmesse», wie schwer es dem Herrn Ver¬ fasser geworden ist, sich selber z» befriedigen. Ihrer Form nach bildet die Schrift bei aller verdienstlichen Kürze ein gelungenes Specimen der —- falva vonia — deut¬ schen Sprache dieser Frciction östreichischer Gelehrsamkeit, die sich in grammatika¬ lischer Beziehung etwa an dem Vorbilde der heimischen Polizcivcrordnungcn heran¬ gebildet zu haben scheint. Dazu kommt auch hier wieder die gelehrt scheinen sollende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/398>, abgerufen am 27.09.2024.