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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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der König von Spanien oder der Christen Gott oder der große Gott über uns
Allen mit seinem Kopf büßen soll, wenn er wider diesen Befehl handelt."

Die Sonne erwärmt die Erde noch, aber die Christen wohnen jetzt schon
zu vielen Hunderten in Japan, und sie werden dort bleiben und sich von Jahr
zu Jahr mehren. Die Sonne der Civilisation von heute duldet unter sich
auch in den entferntesten Theilen der Welt keine Absperrung mehr. Japan
wirb, mag sein Adel wollen oder nicht, mag seine Negierung fördern oder wie
bisher nach Kräften hemmen, dem Verkehr mit dem Westen geöffnet bleibe"
zu unserm Vortheil und nicht weniger zu seinem eignen. Gewaltsamer Wider¬
stand würde einen Krieg entzünden, der binnen wenigen Wochen nicht blos
Ieddo, sondern auch Miako und alle wichtigen Theile der Küste in die Hände
der Angreifer bringen müßte. Man darf annehmen, daß die Regierung dies
begreift, und wenn die Feudalfürsten sich dieser Einsicht auf die Dauer ver¬
schließen, so ist mit Sicherheit vorauszusagen, daß sie in nicht langer Zeit eine
Revolution gegen sich haben werden, welche, von der Negierung benutzt und
von den Fremden unterstützt, ihre Macht für immer brechen wird.




Der Spielbkrg.

Im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts hat fast in allen Staaten das
Gefängnißwcsen eine vollständige, den Grundsätzen der Humanität entsprechende
Umgestaltung erfahren, und die längere oder geringere Frist, welche diese Reform-
bestrebungen bis zu ihrer Verwirklichung bedurften, könnte als ein sicherer
Maßstab für die Entwickelung der Gesetzgebung und der Aufklärung in den
betreffenden Staaten gelten. Wenden wir dies auf Oestreich an, so ist das
Resultat nicht günstig.' Hier haben im Gefängnißwesen während der gedachten
Periode zwar mehre Verbesserungen stattgefunden, aber eine gründliche Reform
läßt noch immer auf sich warten. Die nur für leichte Vergehen bestimmten
Arrestlocale der Bezirks- und Landesgerichte, die gewöhnlich' von den Stän¬
den der einzelnen Provinzen erhaltenen Arbeitshäuser, Besserungsanstalten
und Strafhäuser befanden sich schon früher in einem besseren Zustande, als die
Gefängnisse für schwere gemeine^-- aber auch für politische Verbrecher und die
Kerker' der Militärsträflinge.

Uebrigens waren selbst die Gefängnißlocale einer und derselben Gattung
nicht überall gleich, und der Unterschied zwischen dem Criminal in Wien, Prag
oder Gratz und den finstern Kasematten einiger Festungen und Bergschlösser
war auffallend genug").



Wie es im Gefängnißlocal des wiener Landgerichts aussieht, hat vor kurzem der
Journalist Max Falk, Mitarbeiter des "Wanderer", im "Magyarorzag" erzählt. Derselbe war
wegen Preßvergehen einige Wochen hier delirirt, wurde aber fast ganz wie ein gemeiner
Sträfling behandelt. Mit Mühe und nur durch besondre Begünstigung blieb er von dem
gewöhnlichen Sträflingsanzug befreit, während der Pole Osinsty, ebenfalls wegen Preß-
vergehe" verurtheilt, diesen anlegen mußte. Falls Zelle war sehr unwohnlich; sein Bett be¬
stand aus drei Bietern, die auf Eisenstangen ruhten, einem Strohsack, Strohkopstisscn, Lein¬
tuch und Wolldecke; außerdem gab es hier noch zwei Bänke, ein hölzernes Wassergeschirr und
das bekannte unaussprechliche Möbel. Der Gefangne bat um die Erlaubniß, sich eine Feder-

der König von Spanien oder der Christen Gott oder der große Gott über uns
Allen mit seinem Kopf büßen soll, wenn er wider diesen Befehl handelt."

Die Sonne erwärmt die Erde noch, aber die Christen wohnen jetzt schon
zu vielen Hunderten in Japan, und sie werden dort bleiben und sich von Jahr
zu Jahr mehren. Die Sonne der Civilisation von heute duldet unter sich
auch in den entferntesten Theilen der Welt keine Absperrung mehr. Japan
wirb, mag sein Adel wollen oder nicht, mag seine Negierung fördern oder wie
bisher nach Kräften hemmen, dem Verkehr mit dem Westen geöffnet bleibe»
zu unserm Vortheil und nicht weniger zu seinem eignen. Gewaltsamer Wider¬
stand würde einen Krieg entzünden, der binnen wenigen Wochen nicht blos
Ieddo, sondern auch Miako und alle wichtigen Theile der Küste in die Hände
der Angreifer bringen müßte. Man darf annehmen, daß die Regierung dies
begreift, und wenn die Feudalfürsten sich dieser Einsicht auf die Dauer ver¬
schließen, so ist mit Sicherheit vorauszusagen, daß sie in nicht langer Zeit eine
Revolution gegen sich haben werden, welche, von der Negierung benutzt und
von den Fremden unterstützt, ihre Macht für immer brechen wird.




Der Spielbkrg.

Im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts hat fast in allen Staaten das
Gefängnißwcsen eine vollständige, den Grundsätzen der Humanität entsprechende
Umgestaltung erfahren, und die längere oder geringere Frist, welche diese Reform-
bestrebungen bis zu ihrer Verwirklichung bedurften, könnte als ein sicherer
Maßstab für die Entwickelung der Gesetzgebung und der Aufklärung in den
betreffenden Staaten gelten. Wenden wir dies auf Oestreich an, so ist das
Resultat nicht günstig.' Hier haben im Gefängnißwesen während der gedachten
Periode zwar mehre Verbesserungen stattgefunden, aber eine gründliche Reform
läßt noch immer auf sich warten. Die nur für leichte Vergehen bestimmten
Arrestlocale der Bezirks- und Landesgerichte, die gewöhnlich' von den Stän¬
den der einzelnen Provinzen erhaltenen Arbeitshäuser, Besserungsanstalten
und Strafhäuser befanden sich schon früher in einem besseren Zustande, als die
Gefängnisse für schwere gemeine^— aber auch für politische Verbrecher und die
Kerker' der Militärsträflinge.

Uebrigens waren selbst die Gefängnißlocale einer und derselben Gattung
nicht überall gleich, und der Unterschied zwischen dem Criminal in Wien, Prag
oder Gratz und den finstern Kasematten einiger Festungen und Bergschlösser
war auffallend genug").



Wie es im Gefängnißlocal des wiener Landgerichts aussieht, hat vor kurzem der
Journalist Max Falk, Mitarbeiter des „Wanderer", im „Magyarorzag" erzählt. Derselbe war
wegen Preßvergehen einige Wochen hier delirirt, wurde aber fast ganz wie ein gemeiner
Sträfling behandelt. Mit Mühe und nur durch besondre Begünstigung blieb er von dem
gewöhnlichen Sträflingsanzug befreit, während der Pole Osinsty, ebenfalls wegen Preß-
vergehe» verurtheilt, diesen anlegen mußte. Falls Zelle war sehr unwohnlich; sein Bett be¬
stand aus drei Bietern, die auf Eisenstangen ruhten, einem Strohsack, Strohkopstisscn, Lein¬
tuch und Wolldecke; außerdem gab es hier noch zwei Bänke, ein hölzernes Wassergeschirr und
das bekannte unaussprechliche Möbel. Der Gefangne bat um die Erlaubniß, sich eine Feder-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/280>, abgerufen am 27.09.2024.