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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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truppcn zu dessen Unterstützung bereit ist, glauben wir nicht; andererseits sind wir
fest überzeugt, daß er zur geeigneten Zeit nicht unterbleiben wird, und wenn wir auch
zugeben, daß es schwer sein dürste, dem Zaren den Frieden in Moskau zu dictiren,
so ist doch schon viel gewonnen, wenn'er die beiden wichtigen Ausfallspfortcn ver¬
liert, dnrch die er beständig den Sund und die Dardanellen bedrohte, und deren
Besitz allein Rußland zu einer maritimen, und dadurch zu einer Weltmacht erhebt. --


Denkierbriefe

vom wallachi scheu Donauufer, von Prinzessin Aurelie
Ghika, in deutscher Sprache herausgegeben, nebst einem ungesiegelten Briefe an die
Verfasserin von F. Paalzow. Berlin, Franz Duncker. -- Ein wunderliches Buch,
das wir von allen möglichen Seiten betrachtet haben, aber ohne zu wissen, was wir
daraus macheu sollen. "Diese Briefe, sagt der Herausgeber in der Einleitung,
verbreiten sich über die gesammten europäischen Verhältnisse, berühren alle Fragen,
die heute uoch die Welt bewegen und sie sür lange noch bewegen werden; sie be¬
sprechen das Verhältniß der Türkei zur europäischen Civilisation, das. des Socialis¬
mus zum Christenthum; über die heutige Jugend und die gegenwärtige Erziehung;
über die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der Hauptvölker Europas; über Vater¬
landsliebe und Heimatsgefühl; sie geben eine interessante und originelle Darstellung
des socialen Zustandes in der Wallachei." -- Das alles und noch manches andere
wird in der That in diesen Briefen behandelt, aber auf jene halb vornehm nach¬
lässige, halb gutmüthig schwärmerische Weise, die den Pariser Damen aus der
feineren Gesellschaft so geläufig ist, die aber den an ernstes Nachdenken gewöhnten
Deutschen verstimmen muß. Auffallend richtige Bemerkungen drängen sich neben
ungeschnlte Ausdrücke der Empfindung; ein ernsthaft festgehaltener Unterschied zwi¬
schen wirklicher Kenntniß und flüchtiger, dnrch Einbildungskraft verdorbener An¬
schauung wird nie gemacht und man kann sich weder aus ein festes Princip stützen,
noch sich vertranungsvoll dem natürlichen unreflectirten Strom der Empfindung
überlassen. Es ist dasselbe leichtfertig gefühlvolle Salongeschwätz, welches uns in
den raisonnirenden Excursen-der George Sand anwidert, während ihre eigentlichen
Dichtungen uns bezaubern.

Die Prinzessin Ghika ist nämlich nach dem Bericht des Herausgebers eine geborne
Französin, Tochter des Obersten de Sondiren. Ihr Geburtsort liegt am Fuß der
Pyrenäen. "In Paris, wo die ebenso schöne und liebenswürdige als hochgebildete
Dame eine der Zierden der Salons war, in denen sie erschien, machte sie die Bekannt¬
schaft ihres Gemahls, des Prinzen Gregor Ghika, eines Neffen des Fürsten Alexander,
welcher bis 1842 regierte... Der Prinz führte die ausgezeichnete französische Dame
in ihre neue Heimat. In der vornehmen Gesellschaft des reichen und luxuriösen
Bukarest war die neue glänzende Erscheinung auss zuvorkommendste aufgenommen." --
Die Prinzessin scheint mit dem türkischen Hofe in nähere Berührung getreten zu sein,
wenigstens sagt sie S. 6: "Seine kaiserliche Majestät der Sultan, der. obgleich höchst
civilisirt, noch kein prohibitiver Haberecht ist, sondern sich herabläßt das Gute zu er-
muthigen, wo es sich zeigt, ist nicht gemeint gewesen, die Anrüchigkeit des salischen
Gesetzes im Punkte der Intelligenz bis auf mich auszudehnen. Er hat mir vielmehr,
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truppcn zu dessen Unterstützung bereit ist, glauben wir nicht; andererseits sind wir
fest überzeugt, daß er zur geeigneten Zeit nicht unterbleiben wird, und wenn wir auch
zugeben, daß es schwer sein dürste, dem Zaren den Frieden in Moskau zu dictiren,
so ist doch schon viel gewonnen, wenn'er die beiden wichtigen Ausfallspfortcn ver¬
liert, dnrch die er beständig den Sund und die Dardanellen bedrohte, und deren
Besitz allein Rußland zu einer maritimen, und dadurch zu einer Weltmacht erhebt. —


Denkierbriefe

vom wallachi scheu Donauufer, von Prinzessin Aurelie
Ghika, in deutscher Sprache herausgegeben, nebst einem ungesiegelten Briefe an die
Verfasserin von F. Paalzow. Berlin, Franz Duncker. — Ein wunderliches Buch,
das wir von allen möglichen Seiten betrachtet haben, aber ohne zu wissen, was wir
daraus macheu sollen. „Diese Briefe, sagt der Herausgeber in der Einleitung,
verbreiten sich über die gesammten europäischen Verhältnisse, berühren alle Fragen,
die heute uoch die Welt bewegen und sie sür lange noch bewegen werden; sie be¬
sprechen das Verhältniß der Türkei zur europäischen Civilisation, das. des Socialis¬
mus zum Christenthum; über die heutige Jugend und die gegenwärtige Erziehung;
über die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der Hauptvölker Europas; über Vater¬
landsliebe und Heimatsgefühl; sie geben eine interessante und originelle Darstellung
des socialen Zustandes in der Wallachei." — Das alles und noch manches andere
wird in der That in diesen Briefen behandelt, aber auf jene halb vornehm nach¬
lässige, halb gutmüthig schwärmerische Weise, die den Pariser Damen aus der
feineren Gesellschaft so geläufig ist, die aber den an ernstes Nachdenken gewöhnten
Deutschen verstimmen muß. Auffallend richtige Bemerkungen drängen sich neben
ungeschnlte Ausdrücke der Empfindung; ein ernsthaft festgehaltener Unterschied zwi¬
schen wirklicher Kenntniß und flüchtiger, dnrch Einbildungskraft verdorbener An¬
schauung wird nie gemacht und man kann sich weder aus ein festes Princip stützen,
noch sich vertranungsvoll dem natürlichen unreflectirten Strom der Empfindung
überlassen. Es ist dasselbe leichtfertig gefühlvolle Salongeschwätz, welches uns in
den raisonnirenden Excursen-der George Sand anwidert, während ihre eigentlichen
Dichtungen uns bezaubern.

Die Prinzessin Ghika ist nämlich nach dem Bericht des Herausgebers eine geborne
Französin, Tochter des Obersten de Sondiren. Ihr Geburtsort liegt am Fuß der
Pyrenäen. „In Paris, wo die ebenso schöne und liebenswürdige als hochgebildete
Dame eine der Zierden der Salons war, in denen sie erschien, machte sie die Bekannt¬
schaft ihres Gemahls, des Prinzen Gregor Ghika, eines Neffen des Fürsten Alexander,
welcher bis 1842 regierte... Der Prinz führte die ausgezeichnete französische Dame
in ihre neue Heimat. In der vornehmen Gesellschaft des reichen und luxuriösen
Bukarest war die neue glänzende Erscheinung auss zuvorkommendste aufgenommen." —
Die Prinzessin scheint mit dem türkischen Hofe in nähere Berührung getreten zu sein,
wenigstens sagt sie S. 6: „Seine kaiserliche Majestät der Sultan, der. obgleich höchst
civilisirt, noch kein prohibitiver Haberecht ist, sondern sich herabläßt das Gute zu er-
muthigen, wo es sich zeigt, ist nicht gemeint gewesen, die Anrüchigkeit des salischen
Gesetzes im Punkte der Intelligenz bis auf mich auszudehnen. Er hat mir vielmehr,
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[0363] truppcn zu dessen Unterstützung bereit ist, glauben wir nicht; andererseits sind wir fest überzeugt, daß er zur geeigneten Zeit nicht unterbleiben wird, und wenn wir auch zugeben, daß es schwer sein dürste, dem Zaren den Frieden in Moskau zu dictiren, so ist doch schon viel gewonnen, wenn'er die beiden wichtigen Ausfallspfortcn ver¬ liert, dnrch die er beständig den Sund und die Dardanellen bedrohte, und deren Besitz allein Rußland zu einer maritimen, und dadurch zu einer Weltmacht erhebt. — Denkierbriefe vom wallachi scheu Donauufer, von Prinzessin Aurelie Ghika, in deutscher Sprache herausgegeben, nebst einem ungesiegelten Briefe an die Verfasserin von F. Paalzow. Berlin, Franz Duncker. — Ein wunderliches Buch, das wir von allen möglichen Seiten betrachtet haben, aber ohne zu wissen, was wir daraus macheu sollen. „Diese Briefe, sagt der Herausgeber in der Einleitung, verbreiten sich über die gesammten europäischen Verhältnisse, berühren alle Fragen, die heute uoch die Welt bewegen und sie sür lange noch bewegen werden; sie be¬ sprechen das Verhältniß der Türkei zur europäischen Civilisation, das. des Socialis¬ mus zum Christenthum; über die heutige Jugend und die gegenwärtige Erziehung; über die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der Hauptvölker Europas; über Vater¬ landsliebe und Heimatsgefühl; sie geben eine interessante und originelle Darstellung des socialen Zustandes in der Wallachei." — Das alles und noch manches andere wird in der That in diesen Briefen behandelt, aber auf jene halb vornehm nach¬ lässige, halb gutmüthig schwärmerische Weise, die den Pariser Damen aus der feineren Gesellschaft so geläufig ist, die aber den an ernstes Nachdenken gewöhnten Deutschen verstimmen muß. Auffallend richtige Bemerkungen drängen sich neben ungeschnlte Ausdrücke der Empfindung; ein ernsthaft festgehaltener Unterschied zwi¬ schen wirklicher Kenntniß und flüchtiger, dnrch Einbildungskraft verdorbener An¬ schauung wird nie gemacht und man kann sich weder aus ein festes Princip stützen, noch sich vertranungsvoll dem natürlichen unreflectirten Strom der Empfindung überlassen. Es ist dasselbe leichtfertig gefühlvolle Salongeschwätz, welches uns in den raisonnirenden Excursen-der George Sand anwidert, während ihre eigentlichen Dichtungen uns bezaubern. Die Prinzessin Ghika ist nämlich nach dem Bericht des Herausgebers eine geborne Französin, Tochter des Obersten de Sondiren. Ihr Geburtsort liegt am Fuß der Pyrenäen. „In Paris, wo die ebenso schöne und liebenswürdige als hochgebildete Dame eine der Zierden der Salons war, in denen sie erschien, machte sie die Bekannt¬ schaft ihres Gemahls, des Prinzen Gregor Ghika, eines Neffen des Fürsten Alexander, welcher bis 1842 regierte... Der Prinz führte die ausgezeichnete französische Dame in ihre neue Heimat. In der vornehmen Gesellschaft des reichen und luxuriösen Bukarest war die neue glänzende Erscheinung auss zuvorkommendste aufgenommen." — Die Prinzessin scheint mit dem türkischen Hofe in nähere Berührung getreten zu sein, wenigstens sagt sie S. 6: „Seine kaiserliche Majestät der Sultan, der. obgleich höchst civilisirt, noch kein prohibitiver Haberecht ist, sondern sich herabläßt das Gute zu er- muthigen, wo es sich zeigt, ist nicht gemeint gewesen, die Anrüchigkeit des salischen Gesetzes im Punkte der Intelligenz bis auf mich auszudehnen. Er hat mir vielmehr, '"''' is*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/362>, abgerufen am 21.12.2024.