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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Hunderte, namentlich Copernikus und Gutenberg. Luther und Melanchthon sollte
Thorvaldsen für die Frauenkirche ausführen: an der Büste des Erstem hatj er
zuletzt gearbeitet, das unvollendete Thonmodell steht in dem letzten Cabinet des
zweiten Stockwerks. Unter der unabsehbaren Reihe, von Portraitbüsten ist die
hohe Aristokratie aller Länder glänzend vertreten, besonders die englische: an den
meisten dieser ehrenwerthen Lords und Lady's geht man gleichgiltig vorüber, aber
die in Lebensgröße modellirte Statue der damals (1814) vierjährigen Georgina
Russell, Tochter des Herzogs Bedford (genannt 1a k-meiuUa), wird Niemand
nnbewundert lassen. Von gekrönten Häuptern erinnere ich auch nur der Büsten
Ludwig's von Bayern und Alexander's des Ersten. Ans Metternich's Gesicht
(Profil in einem Medaillon) spricht in satyrhafter Behaglichkeit das Bewußtsein
überlegener Schlauheit. Das Portrait vou Goethe's Sohn (eben so) zeigt die
hohe, stark gewölbte Stirn des Vaters und eine noch stärker gebogene Adlernase,
während durch den vortretenden Unterkiefer der Ausdruck vergröbert, ich möchte
sagen brutaliftrt wird. Zwei Kopfe, die in der edelsten jungfräulichen Schönheit
glänzen, sind die des norwegischen Landschaftsmalers Dahl und der Albanerin
Vittoria. Unter den Heroen der Wissenschaft und Kunst ziehen besonders die
Büsten Wilhelm von Humboldt's, Walter Scott's und Horace Vernet's die Auf¬
merksamkeit an, das herrliche Denkmal Byron's (lebensgroß, in moderner Tracht)
und Thorvaldsen's eigene Statue ist bereits erwähnt. >

Wer konnte von hier gehn, ohne einen Blick dankbarer Rührung auf Thor¬
valdsen's Grab geworfen zu haben? Es liegt in der Mitte des freien Hofes,
auf dessen dunkelen Mauern Palmen, Eichen und Lorbeer" und im Friese wett¬
rennende Genien uach Art der etrurischen Gräber gemalt sind. Eines Denkmals
von fremder Hand bedarf der nicht, dessen Schöpfungen ringsumher der Nach¬
welt so laut seinen Ruhm verkünden: sein Grab ist ein längliches Blumenbeet,
mit den einfachen Blumen bepflanzt, die der nordische-Sommer hervorbringt, von
einer, steinernen Einfassung umzogen, auf der sein Name, Geburth- und Todestag
eingehauen sind. Keine kalten dumpfen Mauern wölben sich über der schönen
Ruhestätte, die Sonne blickt hell darauf nieder, und der Wind fährt darüber hin
und spielt mit den Blumen, die aus seinem Staube blühn.




Wochenb erlebt.

Wir haben die Weihnachtsbaume sehr früh an¬
gezündet, und Frankfurt nimmt sich reizend im Lichtgefunkel seines Christmarktes, wie
seiner Weihnachtsausstellungen aus. Gleichzeitig haben uns freilich die?. Jesuiten
verlassen, bei deren Früh- und Abcndvredigten der erleuchtete Dom ebenfalls einen


Hunderte, namentlich Copernikus und Gutenberg. Luther und Melanchthon sollte
Thorvaldsen für die Frauenkirche ausführen: an der Büste des Erstem hatj er
zuletzt gearbeitet, das unvollendete Thonmodell steht in dem letzten Cabinet des
zweiten Stockwerks. Unter der unabsehbaren Reihe, von Portraitbüsten ist die
hohe Aristokratie aller Länder glänzend vertreten, besonders die englische: an den
meisten dieser ehrenwerthen Lords und Lady's geht man gleichgiltig vorüber, aber
die in Lebensgröße modellirte Statue der damals (1814) vierjährigen Georgina
Russell, Tochter des Herzogs Bedford (genannt 1a k-meiuUa), wird Niemand
nnbewundert lassen. Von gekrönten Häuptern erinnere ich auch nur der Büsten
Ludwig's von Bayern und Alexander's des Ersten. Ans Metternich's Gesicht
(Profil in einem Medaillon) spricht in satyrhafter Behaglichkeit das Bewußtsein
überlegener Schlauheit. Das Portrait vou Goethe's Sohn (eben so) zeigt die
hohe, stark gewölbte Stirn des Vaters und eine noch stärker gebogene Adlernase,
während durch den vortretenden Unterkiefer der Ausdruck vergröbert, ich möchte
sagen brutaliftrt wird. Zwei Kopfe, die in der edelsten jungfräulichen Schönheit
glänzen, sind die des norwegischen Landschaftsmalers Dahl und der Albanerin
Vittoria. Unter den Heroen der Wissenschaft und Kunst ziehen besonders die
Büsten Wilhelm von Humboldt's, Walter Scott's und Horace Vernet's die Auf¬
merksamkeit an, das herrliche Denkmal Byron's (lebensgroß, in moderner Tracht)
und Thorvaldsen's eigene Statue ist bereits erwähnt. >

Wer konnte von hier gehn, ohne einen Blick dankbarer Rührung auf Thor¬
valdsen's Grab geworfen zu haben? Es liegt in der Mitte des freien Hofes,
auf dessen dunkelen Mauern Palmen, Eichen und Lorbeer» und im Friese wett¬
rennende Genien uach Art der etrurischen Gräber gemalt sind. Eines Denkmals
von fremder Hand bedarf der nicht, dessen Schöpfungen ringsumher der Nach¬
welt so laut seinen Ruhm verkünden: sein Grab ist ein längliches Blumenbeet,
mit den einfachen Blumen bepflanzt, die der nordische-Sommer hervorbringt, von
einer, steinernen Einfassung umzogen, auf der sein Name, Geburth- und Todestag
eingehauen sind. Keine kalten dumpfen Mauern wölben sich über der schönen
Ruhestätte, die Sonne blickt hell darauf nieder, und der Wind fährt darüber hin
und spielt mit den Blumen, die aus seinem Staube blühn.




Wochenb erlebt.

Wir haben die Weihnachtsbaume sehr früh an¬
gezündet, und Frankfurt nimmt sich reizend im Lichtgefunkel seines Christmarktes, wie
seiner Weihnachtsausstellungen aus. Gleichzeitig haben uns freilich die?. Jesuiten
verlassen, bei deren Früh- und Abcndvredigten der erleuchtete Dom ebenfalls einen


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[0513] Hunderte, namentlich Copernikus und Gutenberg. Luther und Melanchthon sollte Thorvaldsen für die Frauenkirche ausführen: an der Büste des Erstem hatj er zuletzt gearbeitet, das unvollendete Thonmodell steht in dem letzten Cabinet des zweiten Stockwerks. Unter der unabsehbaren Reihe, von Portraitbüsten ist die hohe Aristokratie aller Länder glänzend vertreten, besonders die englische: an den meisten dieser ehrenwerthen Lords und Lady's geht man gleichgiltig vorüber, aber die in Lebensgröße modellirte Statue der damals (1814) vierjährigen Georgina Russell, Tochter des Herzogs Bedford (genannt 1a k-meiuUa), wird Niemand nnbewundert lassen. Von gekrönten Häuptern erinnere ich auch nur der Büsten Ludwig's von Bayern und Alexander's des Ersten. Ans Metternich's Gesicht (Profil in einem Medaillon) spricht in satyrhafter Behaglichkeit das Bewußtsein überlegener Schlauheit. Das Portrait vou Goethe's Sohn (eben so) zeigt die hohe, stark gewölbte Stirn des Vaters und eine noch stärker gebogene Adlernase, während durch den vortretenden Unterkiefer der Ausdruck vergröbert, ich möchte sagen brutaliftrt wird. Zwei Kopfe, die in der edelsten jungfräulichen Schönheit glänzen, sind die des norwegischen Landschaftsmalers Dahl und der Albanerin Vittoria. Unter den Heroen der Wissenschaft und Kunst ziehen besonders die Büsten Wilhelm von Humboldt's, Walter Scott's und Horace Vernet's die Auf¬ merksamkeit an, das herrliche Denkmal Byron's (lebensgroß, in moderner Tracht) und Thorvaldsen's eigene Statue ist bereits erwähnt. > Wer konnte von hier gehn, ohne einen Blick dankbarer Rührung auf Thor¬ valdsen's Grab geworfen zu haben? Es liegt in der Mitte des freien Hofes, auf dessen dunkelen Mauern Palmen, Eichen und Lorbeer» und im Friese wett¬ rennende Genien uach Art der etrurischen Gräber gemalt sind. Eines Denkmals von fremder Hand bedarf der nicht, dessen Schöpfungen ringsumher der Nach¬ welt so laut seinen Ruhm verkünden: sein Grab ist ein längliches Blumenbeet, mit den einfachen Blumen bepflanzt, die der nordische-Sommer hervorbringt, von einer, steinernen Einfassung umzogen, auf der sein Name, Geburth- und Todestag eingehauen sind. Keine kalten dumpfen Mauern wölben sich über der schönen Ruhestätte, die Sonne blickt hell darauf nieder, und der Wind fährt darüber hin und spielt mit den Blumen, die aus seinem Staube blühn. Wochenb erlebt. Wir haben die Weihnachtsbaume sehr früh an¬ gezündet, und Frankfurt nimmt sich reizend im Lichtgefunkel seines Christmarktes, wie seiner Weihnachtsausstellungen aus. Gleichzeitig haben uns freilich die?. Jesuiten verlassen, bei deren Früh- und Abcndvredigten der erleuchtete Dom ebenfalls einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/513>, abgerufen am 27.09.2024.