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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Cin Reisebild ans Nordamerika
Von Goddam nach Porkopolis.

Damit der Leser nicht in Zweifel sei, in welche wundersame, geheimnißvolle
Ecke der Welt er mit der Ueberschrift des folgenden Reisebildes verschlagen ist,
diene ihm zur Nachricht, daß wir im Begriff sind, unsren Gegenfüßlern, den
Vaukecs, einen Besuch abzustatten. Goddam ist die auf der Manhattan-Insel
am Ausflusse des Hudson gelegene große Stadt, welche der Freund der Geogra¬
phie im Ungewitter oder sonst einem guten Handbuche der Erdkunde unter dem
Namen Newyork beschrieben findet. Warum, von wem und wann nach Christi
Geburt die Metropole deö "Empire State" so getauft wurde, ist vou den Gelehr¬
ten noch zu untersuchen. Doch dürfte" dieselben in Betreff des Grundes an dem
Umstände einen Anhalt haben, daß man diesen ihren Ehren- oder Spitznamen
zuweilen auch xoä-clam geschrieben sieht, und hinsichtlich des Namengebers wage
ich die Vermuthung, daß es derselbe wunderliche Kanz gewesen ist, der das recht¬
schaffene Volk Kentuckys "Maiszwiebäcke", die ehrenwerthern Bürger Missouris
"Brechmittel", die blauen Flaußröcke, welche Ohio bewohnen, "Bocksaugen" und
ihre Hauptstadt Cincinnati grob genug "Porkopolis" hieß. Aufschluß zu geben
aber, was es mit letzterem Titel für eine Bewandtniß hat, verspare ich auf das
Ende; denn halbgelöste Räthsel sind bekanntermaßen die Würze der Rede.

Am 31. August vorigen Jahres hatte ich, nach beinahe achtwöchentlicher Fahrt
über die See, den amerikanischen Boden betreten. Mein Plan war, mich den
September über in Newyork aufzuhalten, sodann auf etliche Tage nach Boston,
dem Athen der Uankees, zu gehen und von dort, am Niagara vorbei, nach den
westlichen Staaten zu reisen. Ein Brief aus Ohio strich diese Rechnung durch
und zwang mich, von Gothams Gewimmel Abschied zu nehmen, nachdem ich mich
aus der überschwänglichen Glückseligkeit, endlich wieder Land unter den Füßen zu
haben, kaum soweit wiedergefunden hatte, um einen Blick aus der Krähennest-


Grmzboten. IV. 18os. 46
Cin Reisebild ans Nordamerika
Von Goddam nach Porkopolis.

Damit der Leser nicht in Zweifel sei, in welche wundersame, geheimnißvolle
Ecke der Welt er mit der Ueberschrift des folgenden Reisebildes verschlagen ist,
diene ihm zur Nachricht, daß wir im Begriff sind, unsren Gegenfüßlern, den
Vaukecs, einen Besuch abzustatten. Goddam ist die auf der Manhattan-Insel
am Ausflusse des Hudson gelegene große Stadt, welche der Freund der Geogra¬
phie im Ungewitter oder sonst einem guten Handbuche der Erdkunde unter dem
Namen Newyork beschrieben findet. Warum, von wem und wann nach Christi
Geburt die Metropole deö „Empire State" so getauft wurde, ist vou den Gelehr¬
ten noch zu untersuchen. Doch dürfte» dieselben in Betreff des Grundes an dem
Umstände einen Anhalt haben, daß man diesen ihren Ehren- oder Spitznamen
zuweilen auch xoä-clam geschrieben sieht, und hinsichtlich des Namengebers wage
ich die Vermuthung, daß es derselbe wunderliche Kanz gewesen ist, der das recht¬
schaffene Volk Kentuckys „Maiszwiebäcke", die ehrenwerthern Bürger Missouris
„Brechmittel", die blauen Flaußröcke, welche Ohio bewohnen, „Bocksaugen" und
ihre Hauptstadt Cincinnati grob genug „Porkopolis" hieß. Aufschluß zu geben
aber, was es mit letzterem Titel für eine Bewandtniß hat, verspare ich auf das
Ende; denn halbgelöste Räthsel sind bekanntermaßen die Würze der Rede.

Am 31. August vorigen Jahres hatte ich, nach beinahe achtwöchentlicher Fahrt
über die See, den amerikanischen Boden betreten. Mein Plan war, mich den
September über in Newyork aufzuhalten, sodann auf etliche Tage nach Boston,
dem Athen der Uankees, zu gehen und von dort, am Niagara vorbei, nach den
westlichen Staaten zu reisen. Ein Brief aus Ohio strich diese Rechnung durch
und zwang mich, von Gothams Gewimmel Abschied zu nehmen, nachdem ich mich
aus der überschwänglichen Glückseligkeit, endlich wieder Land unter den Füßen zu
haben, kaum soweit wiedergefunden hatte, um einen Blick aus der Krähennest-


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[0371] Cin Reisebild ans Nordamerika Von Goddam nach Porkopolis. Damit der Leser nicht in Zweifel sei, in welche wundersame, geheimnißvolle Ecke der Welt er mit der Ueberschrift des folgenden Reisebildes verschlagen ist, diene ihm zur Nachricht, daß wir im Begriff sind, unsren Gegenfüßlern, den Vaukecs, einen Besuch abzustatten. Goddam ist die auf der Manhattan-Insel am Ausflusse des Hudson gelegene große Stadt, welche der Freund der Geogra¬ phie im Ungewitter oder sonst einem guten Handbuche der Erdkunde unter dem Namen Newyork beschrieben findet. Warum, von wem und wann nach Christi Geburt die Metropole deö „Empire State" so getauft wurde, ist vou den Gelehr¬ ten noch zu untersuchen. Doch dürfte» dieselben in Betreff des Grundes an dem Umstände einen Anhalt haben, daß man diesen ihren Ehren- oder Spitznamen zuweilen auch xoä-clam geschrieben sieht, und hinsichtlich des Namengebers wage ich die Vermuthung, daß es derselbe wunderliche Kanz gewesen ist, der das recht¬ schaffene Volk Kentuckys „Maiszwiebäcke", die ehrenwerthern Bürger Missouris „Brechmittel", die blauen Flaußröcke, welche Ohio bewohnen, „Bocksaugen" und ihre Hauptstadt Cincinnati grob genug „Porkopolis" hieß. Aufschluß zu geben aber, was es mit letzterem Titel für eine Bewandtniß hat, verspare ich auf das Ende; denn halbgelöste Räthsel sind bekanntermaßen die Würze der Rede. Am 31. August vorigen Jahres hatte ich, nach beinahe achtwöchentlicher Fahrt über die See, den amerikanischen Boden betreten. Mein Plan war, mich den September über in Newyork aufzuhalten, sodann auf etliche Tage nach Boston, dem Athen der Uankees, zu gehen und von dort, am Niagara vorbei, nach den westlichen Staaten zu reisen. Ein Brief aus Ohio strich diese Rechnung durch und zwang mich, von Gothams Gewimmel Abschied zu nehmen, nachdem ich mich aus der überschwänglichen Glückseligkeit, endlich wieder Land unter den Füßen zu haben, kaum soweit wiedergefunden hatte, um einen Blick aus der Krähennest- Grmzboten. IV. 18os. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/371>, abgerufen am 27.09.2024.