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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Ein Ausflug nach Nürnberg.

So flüchtig die Eindrücke sind, die eine Fahrt mit der Eisenbahn von den
Gegenden zurückläßt, durch welche man mit der ruhelosen Eile eines Schnellzuges
hindnrchbranst, so werden doch Jedem, der von Hof in das Maiuthal hinabsteigt,
unvergeßlich schöne Landschaftsbilder sich darbieten, falls Wetter und Jahreszeit
ihn begünstigen und die Tagesstunde eine vortheilhafte Beleuchtung hinzufügt.
Ich erblickte sie zuerst in der warmen und vollen Nachmittagssonne eines der
letzten Augusttage. Die waldigen Bergzüge, die sich in wechselnden Linien, bald
weite Fernsichten öffnend, bald den Weg zu malerischen Schluchten verengert, zu
beiden Seiten der Bahn hinziehen, schillerten bereits in den mannichfachen Farben
des herannahenden Herbstes. Culmbach, am Fuße eines kegelartigen Hügels, dessen
Spitze mit einem alten Schlosse -- jetzt zur Strafanstalt verwendet -- gekrönt
ist, gelegen, gewährt einen überraschend pitoresken Anblick. Bei Lichtenfels mündet
das Mainthal in die weite fränkische Ebene. Diese Stadt liegt in einem breiten
Gebirgspässe, auf der südöstlichen Seite von dem Kloster Vierzehnheiligen über¬
ragt, während auf den westlichen Bergen jenseits des Mains die Thürme von
Kloster Banz in stolzer Schönheit sich erheben. Wendet man^von der nächsten
Station, die kaum eine Meile über Lichtenfels hinaus liegt, wie deun überhaupt
ans der bayerischen Bahn zum Mißvergnügen > eiliger Reisenden die Stationen
in sehr geringen Entfernungen aus einander folgen, seine Blicke auf diese gro߬
artige Scenerie zurück, so stellt sie sich noch ungleich schöner dar. Jetzt erst sällt
die kühne, weitherrschende Lage des Klosters Banz in die Augen. Die schrägen
Strahlen der allmählich sinkenden Sonne färbten, als ich es sah, seine prächtigen Ge¬
bäude, sowie die von Vierzehnheiligen aus den gegenüberliegenden Bergen und brachen
sich auf den Scheiben der zahlreichen Fenster; die ganze Gegend erglühte in der
Prächtigen Beleuchtung des Abends. Die Bahn verläßt später den Main, hier
noch einen ziemlich schmalen, seichten, überall, von Sandbänken durchschnittenen
Fluß, und wendet sich südwärts. An ihrer östlichen Seite ziehen sich in mäßiger
Entfernung die Abhänge der fränkischen Schweiz hin, während man nach Westen


Grenzboten. IV. ->8ö2. 26
Ein Ausflug nach Nürnberg.

So flüchtig die Eindrücke sind, die eine Fahrt mit der Eisenbahn von den
Gegenden zurückläßt, durch welche man mit der ruhelosen Eile eines Schnellzuges
hindnrchbranst, so werden doch Jedem, der von Hof in das Maiuthal hinabsteigt,
unvergeßlich schöne Landschaftsbilder sich darbieten, falls Wetter und Jahreszeit
ihn begünstigen und die Tagesstunde eine vortheilhafte Beleuchtung hinzufügt.
Ich erblickte sie zuerst in der warmen und vollen Nachmittagssonne eines der
letzten Augusttage. Die waldigen Bergzüge, die sich in wechselnden Linien, bald
weite Fernsichten öffnend, bald den Weg zu malerischen Schluchten verengert, zu
beiden Seiten der Bahn hinziehen, schillerten bereits in den mannichfachen Farben
des herannahenden Herbstes. Culmbach, am Fuße eines kegelartigen Hügels, dessen
Spitze mit einem alten Schlosse — jetzt zur Strafanstalt verwendet — gekrönt
ist, gelegen, gewährt einen überraschend pitoresken Anblick. Bei Lichtenfels mündet
das Mainthal in die weite fränkische Ebene. Diese Stadt liegt in einem breiten
Gebirgspässe, auf der südöstlichen Seite von dem Kloster Vierzehnheiligen über¬
ragt, während auf den westlichen Bergen jenseits des Mains die Thürme von
Kloster Banz in stolzer Schönheit sich erheben. Wendet man^von der nächsten
Station, die kaum eine Meile über Lichtenfels hinaus liegt, wie deun überhaupt
ans der bayerischen Bahn zum Mißvergnügen > eiliger Reisenden die Stationen
in sehr geringen Entfernungen aus einander folgen, seine Blicke auf diese gro߬
artige Scenerie zurück, so stellt sie sich noch ungleich schöner dar. Jetzt erst sällt
die kühne, weitherrschende Lage des Klosters Banz in die Augen. Die schrägen
Strahlen der allmählich sinkenden Sonne färbten, als ich es sah, seine prächtigen Ge¬
bäude, sowie die von Vierzehnheiligen aus den gegenüberliegenden Bergen und brachen
sich auf den Scheiben der zahlreichen Fenster; die ganze Gegend erglühte in der
Prächtigen Beleuchtung des Abends. Die Bahn verläßt später den Main, hier
noch einen ziemlich schmalen, seichten, überall, von Sandbänken durchschnittenen
Fluß, und wendet sich südwärts. An ihrer östlichen Seite ziehen sich in mäßiger
Entfernung die Abhänge der fränkischen Schweiz hin, während man nach Westen


Grenzboten. IV. ->8ö2. 26
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[0211] Ein Ausflug nach Nürnberg. So flüchtig die Eindrücke sind, die eine Fahrt mit der Eisenbahn von den Gegenden zurückläßt, durch welche man mit der ruhelosen Eile eines Schnellzuges hindnrchbranst, so werden doch Jedem, der von Hof in das Maiuthal hinabsteigt, unvergeßlich schöne Landschaftsbilder sich darbieten, falls Wetter und Jahreszeit ihn begünstigen und die Tagesstunde eine vortheilhafte Beleuchtung hinzufügt. Ich erblickte sie zuerst in der warmen und vollen Nachmittagssonne eines der letzten Augusttage. Die waldigen Bergzüge, die sich in wechselnden Linien, bald weite Fernsichten öffnend, bald den Weg zu malerischen Schluchten verengert, zu beiden Seiten der Bahn hinziehen, schillerten bereits in den mannichfachen Farben des herannahenden Herbstes. Culmbach, am Fuße eines kegelartigen Hügels, dessen Spitze mit einem alten Schlosse — jetzt zur Strafanstalt verwendet — gekrönt ist, gelegen, gewährt einen überraschend pitoresken Anblick. Bei Lichtenfels mündet das Mainthal in die weite fränkische Ebene. Diese Stadt liegt in einem breiten Gebirgspässe, auf der südöstlichen Seite von dem Kloster Vierzehnheiligen über¬ ragt, während auf den westlichen Bergen jenseits des Mains die Thürme von Kloster Banz in stolzer Schönheit sich erheben. Wendet man^von der nächsten Station, die kaum eine Meile über Lichtenfels hinaus liegt, wie deun überhaupt ans der bayerischen Bahn zum Mißvergnügen > eiliger Reisenden die Stationen in sehr geringen Entfernungen aus einander folgen, seine Blicke auf diese gro߬ artige Scenerie zurück, so stellt sie sich noch ungleich schöner dar. Jetzt erst sällt die kühne, weitherrschende Lage des Klosters Banz in die Augen. Die schrägen Strahlen der allmählich sinkenden Sonne färbten, als ich es sah, seine prächtigen Ge¬ bäude, sowie die von Vierzehnheiligen aus den gegenüberliegenden Bergen und brachen sich auf den Scheiben der zahlreichen Fenster; die ganze Gegend erglühte in der Prächtigen Beleuchtung des Abends. Die Bahn verläßt später den Main, hier noch einen ziemlich schmalen, seichten, überall, von Sandbänken durchschnittenen Fluß, und wendet sich südwärts. An ihrer östlichen Seite ziehen sich in mäßiger Entfernung die Abhänge der fränkischen Schweiz hin, während man nach Westen Grenzboten. IV. ->8ö2. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/211>, abgerufen am 27.09.2024.