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Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

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Die Pietisterey
Aber GOtt sey Danck! Jch bin sehr Orthodox
auf meine Ehre!
Jungfer Luischen.
Du bist nicht klug! was meinst du aber von
meiner Schwester? mich dünckt sie sucht der Mama
meine Heyrath aus dem Sinne zu reden.
Cathrine.
Sollte nicht etwas Neid mit unterlauffen?
Vielleicht wohl gar einige Neigung gegen den Herrn
Liebmann.
Jungfer Luischen.
Was sagst du? Meine Schwester ist so tu-
gendhafft! Sie ist mit lauter Religions-Zäncke-
reyen beschäfftiget. Es scheint, daß sie die Welt
recht ernstlich hasset. Sie kan sich ja kaum ent-
schliessen einen Fischbein-Rock zu tragen.
Cathrine.
Das ist wahr! Aber die strengste Tugend hat
ihre schwache Seite.
Jungfer Luischen.
Mich tröstet die Hoffnung, daß mein Vater
bald wieder kommen wird.
Cathrine.
Er wird ja freylich bald kommen müssen: Und
es heist auch in dem letzten Briefe: Er würde mit
ehesten eintreffen.
Jungfer Luischen.
Wenn er aber nicht käme? Könnte nicht auch
mein
Die Pietiſterey
Aber GOtt ſey Danck! Jch bin ſehr Orthodox
auf meine Ehre!
Jungfer Luischen.
Du biſt nicht klug! was meinſt du aber von
meiner Schweſter? mich duͤnckt ſie ſucht der Mama
meine Heyrath aus dem Sinne zu reden.
Cathrine.
Sollte nicht etwas Neid mit unterlauffen?
Vielleicht wohl gar einige Neigung gegen den Herrn
Liebmann.
Jungfer Luischen.
Was ſagſt du? Meine Schweſter iſt ſo tu-
gendhafft! Sie iſt mit lauter Religions-Zaͤncke-
reyen beſchaͤfftiget. Es ſcheint, daß ſie die Welt
recht ernſtlich haſſet. Sie kan ſich ja kaum ent-
ſchlieſſen einen Fiſchbein-Rock zu tragen.
Cathrine.
Das iſt wahr! Aber die ſtrengſte Tugend hat
ihre ſchwache Seite.
Jungfer Luischen.
Mich troͤſtet die Hoffnung, daß mein Vater
bald wieder kommen wird.
Cathrine.
Er wird ja freylich bald kommen muͤſſen: Und
es heiſt auch in dem letzten Briefe: Er wuͤrde mit
eheſten eintreffen.
Jungfer Luischen.
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[6/0026] Die Pietiſterey Aber GOtt ſey Danck! Jch bin ſehr Orthodox auf meine Ehre! Jungfer Luischen. Du biſt nicht klug! was meinſt du aber von meiner Schweſter? mich duͤnckt ſie ſucht der Mama meine Heyrath aus dem Sinne zu reden. Cathrine. Sollte nicht etwas Neid mit unterlauffen? Vielleicht wohl gar einige Neigung gegen den Herrn Liebmann. Jungfer Luischen. Was ſagſt du? Meine Schweſter iſt ſo tu- gendhafft! Sie iſt mit lauter Religions-Zaͤncke- reyen beſchaͤfftiget. Es ſcheint, daß ſie die Welt recht ernſtlich haſſet. Sie kan ſich ja kaum ent- ſchlieſſen einen Fiſchbein-Rock zu tragen. Cathrine. Das iſt wahr! Aber die ſtrengſte Tugend hat ihre ſchwache Seite. Jungfer Luischen. Mich troͤſtet die Hoffnung, daß mein Vater bald wieder kommen wird. Cathrine. Er wird ja freylich bald kommen muͤſſen: Und es heiſt auch in dem letzten Briefe: Er wuͤrde mit eheſten eintreffen. Jungfer Luischen. Wenn er aber nicht kaͤme? Koͤnnte nicht auch mein

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Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/26>, abgerufen am 29.03.2024.