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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und habe so viel Hoffnung, wenn Luisens zweite Mutter mit nicht abgeneigt ist, daß auch Jungfer Luise mich nicht verstoßen wird. -- Warum nicht gar heirathen! fuhr Tante aus, und erst noch sterben wollen, das würde mir eine saubere Hausfrau geben, welche siebenmal in den Keller geht, und wenn sie unten ist, nicht mehr weiß, was sie holen solle. Ja wolle, heirathen! -- Tante, sagte Luise, erst gestern sagtest du, es hätte mir auffallend gebessert. -- Frau Spendvögtin, sagte Herr Stößli, der Verdacht witterte, Ihr werdet mich doch nicht an Leib und Seele unglücklich machen wollen? Uebrigens, wenn ich nicht irre, ist Jungfer Luise majorenn. -- Ihr seid ein dummer Mensch! Meint Ihr, ich wolle Einsprache machen? Ich rede ja Euretwegen. Was wollt Ihr mit so einer kranken, vergeßlichen Frau, und was soll Luise mit einem Mann, wo nicht viel Rares sein muß, weil er keine Andere bekommt, hier einschleicht wie ein Dieb in der Nacht? Wenn's erzwängt sein muß, so erzwängt's, aber ich will nicht geplagt sein, mich laßt in Ruhe. -- O Frau Spendvögtin, sagte Herr Stößli, wenn ich Jungfer Luise habe, so frage ich Niemanden anderm was nach! Ich bin Manns genug, dafür zu sorgen, daß sie Niemand weiter zu plagen braucht. -- Selb ist eben noch zu untersuchen, sagte Frau Spendvögtin. Da legte sich Luise zwischen die Hadernden, besänftigte die Tante, welche hauptsächlich das Unerwartete in Harnisch gebracht hatte, daß sie endlich zum Bescheid kam, man wolle sehen, in einigen Tagen könne er den Bescheid holen. Herr Stößli ließ sich das gefallen, doch bat er dringlich, daß man sein Geheimniß bewahren möchte. Der Mensch hatte sehr Angst, es könnte ihm Etwas dazwischen kommen, und der Frau Spendvögtin traute er am allerwenigsten, er wußte wohl, warum, sollte sie doch die Haupterbin sein. Er war daher schon am folgenden Tage wieder da, fand die Tante geneigter und manierlicher, denn sie hatte nichts Böses von ihm vernommen. Er sei arbeitsam, hieß es, weniger ausschweifend als Andere, werde seinen Weg

und habe so viel Hoffnung, wenn Luisens zweite Mutter mit nicht abgeneigt ist, daß auch Jungfer Luise mich nicht verstoßen wird. — Warum nicht gar heirathen! fuhr Tante aus, und erst noch sterben wollen, das würde mir eine saubere Hausfrau geben, welche siebenmal in den Keller geht, und wenn sie unten ist, nicht mehr weiß, was sie holen solle. Ja wolle, heirathen! — Tante, sagte Luise, erst gestern sagtest du, es hätte mir auffallend gebessert. — Frau Spendvögtin, sagte Herr Stößli, der Verdacht witterte, Ihr werdet mich doch nicht an Leib und Seele unglücklich machen wollen? Uebrigens, wenn ich nicht irre, ist Jungfer Luise majorenn. — Ihr seid ein dummer Mensch! Meint Ihr, ich wolle Einsprache machen? Ich rede ja Euretwegen. Was wollt Ihr mit so einer kranken, vergeßlichen Frau, und was soll Luise mit einem Mann, wo nicht viel Rares sein muß, weil er keine Andere bekommt, hier einschleicht wie ein Dieb in der Nacht? Wenn's erzwängt sein muß, so erzwängt's, aber ich will nicht geplagt sein, mich laßt in Ruhe. — O Frau Spendvögtin, sagte Herr Stößli, wenn ich Jungfer Luise habe, so frage ich Niemanden anderm was nach! Ich bin Manns genug, dafür zu sorgen, daß sie Niemand weiter zu plagen braucht. — Selb ist eben noch zu untersuchen, sagte Frau Spendvögtin. Da legte sich Luise zwischen die Hadernden, besänftigte die Tante, welche hauptsächlich das Unerwartete in Harnisch gebracht hatte, daß sie endlich zum Bescheid kam, man wolle sehen, in einigen Tagen könne er den Bescheid holen. Herr Stößli ließ sich das gefallen, doch bat er dringlich, daß man sein Geheimniß bewahren möchte. Der Mensch hatte sehr Angst, es könnte ihm Etwas dazwischen kommen, und der Frau Spendvögtin traute er am allerwenigsten, er wußte wohl, warum, sollte sie doch die Haupterbin sein. Er war daher schon am folgenden Tage wieder da, fand die Tante geneigter und manierlicher, denn sie hatte nichts Böses von ihm vernommen. Er sei arbeitsam, hieß es, weniger ausschweifend als Andere, werde seinen Weg

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[0038] und habe so viel Hoffnung, wenn Luisens zweite Mutter mit nicht abgeneigt ist, daß auch Jungfer Luise mich nicht verstoßen wird. — Warum nicht gar heirathen! fuhr Tante aus, und erst noch sterben wollen, das würde mir eine saubere Hausfrau geben, welche siebenmal in den Keller geht, und wenn sie unten ist, nicht mehr weiß, was sie holen solle. Ja wolle, heirathen! — Tante, sagte Luise, erst gestern sagtest du, es hätte mir auffallend gebessert. — Frau Spendvögtin, sagte Herr Stößli, der Verdacht witterte, Ihr werdet mich doch nicht an Leib und Seele unglücklich machen wollen? Uebrigens, wenn ich nicht irre, ist Jungfer Luise majorenn. — Ihr seid ein dummer Mensch! Meint Ihr, ich wolle Einsprache machen? Ich rede ja Euretwegen. Was wollt Ihr mit so einer kranken, vergeßlichen Frau, und was soll Luise mit einem Mann, wo nicht viel Rares sein muß, weil er keine Andere bekommt, hier einschleicht wie ein Dieb in der Nacht? Wenn's erzwängt sein muß, so erzwängt's, aber ich will nicht geplagt sein, mich laßt in Ruhe. — O Frau Spendvögtin, sagte Herr Stößli, wenn ich Jungfer Luise habe, so frage ich Niemanden anderm was nach! Ich bin Manns genug, dafür zu sorgen, daß sie Niemand weiter zu plagen braucht. — Selb ist eben noch zu untersuchen, sagte Frau Spendvögtin. Da legte sich Luise zwischen die Hadernden, besänftigte die Tante, welche hauptsächlich das Unerwartete in Harnisch gebracht hatte, daß sie endlich zum Bescheid kam, man wolle sehen, in einigen Tagen könne er den Bescheid holen. Herr Stößli ließ sich das gefallen, doch bat er dringlich, daß man sein Geheimniß bewahren möchte. Der Mensch hatte sehr Angst, es könnte ihm Etwas dazwischen kommen, und der Frau Spendvögtin traute er am allerwenigsten, er wußte wohl, warum, sollte sie doch die Haupterbin sein. Er war daher schon am folgenden Tage wieder da, fand die Tante geneigter und manierlicher, denn sie hatte nichts Böses von ihm vernommen. Er sei arbeitsam, hieß es, weniger ausschweifend als Andere, werde seinen Weg

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/38>, abgerufen am 28.03.2024.