Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

werde wohl noch nicht abgefertiget seyn. Eini-
ge Tage nachher wird der Erschlagene gefun-
den. Der Sohn ist indessen ganz getrost --
geht in die Schenke -- säuft und spielt nach
Herzenslust. Endlich kömmt es bey dem
Schnupftuche heraus, das der Vater mitgenom-
men hatte. Das sieht die Schwester, und fragt:
wie er dazu gekommen wäre? Da verstummt
er -- wird eingezogen, und gestehet die er-
schreckliche That.

Wie es ihm gieng, könnt ihr leicht denken.
Er wurde von unten auf gerädert, und sein
Leib aufs Rad geflochten. Vorher hat er noch
gestanden, daß ihm das gar nicht aus den
Gedanken und vor den Augen wegkäme, da
sich der Vater bey dem ersten Schlage noch
einmal so kläglich nach ihm umgesehen habe,
als ob er sagen wollen: Sohn! undankba-
rer, unmenschlicher Sohn! kannst du das an
deinem eigenen Vater thun?

Nun,

werde wohl noch nicht abgefertiget ſeyn. Eini-
ge Tage nachher wird der Erſchlagene gefun-
den. Der Sohn iſt indeſſen ganz getroſt —
geht in die Schenke — ſaͤuft und ſpielt nach
Herzensluſt. Endlich koͤmmt es bey dem
Schnupftuche heraus, das der Vater mitgenom-
men hatte. Das ſieht die Schweſter, und fragt:
wie er dazu gekommen waͤre? Da verſtummt
er — wird eingezogen, und geſtehet die er-
ſchreckliche That.

Wie es ihm gieng, koͤnnt ihr leicht denken.
Er wurde von unten auf geraͤdert, und ſein
Leib aufs Rad geflochten. Vorher hat er noch
geſtanden, daß ihm das gar nicht aus den
Gedanken und vor den Augen wegkaͤme, da
ſich der Vater bey dem erſten Schlage noch
einmal ſo klaͤglich nach ihm umgeſehen habe,
als ob er ſagen wollen: Sohn! undankba-
rer, unmenſchlicher Sohn! kannſt du das an
deinem eigenen Vater thun?

Nun,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="120"/>
werde wohl noch nicht abgefertiget &#x017F;eyn. Eini-<lb/>
ge Tage nachher wird der Er&#x017F;chlagene gefun-<lb/>
den. Der Sohn i&#x017F;t inde&#x017F;&#x017F;en ganz getro&#x017F;t &#x2014;<lb/>
geht in die Schenke &#x2014; &#x017F;a&#x0364;uft und &#x017F;pielt nach<lb/>
Herzenslu&#x017F;t. Endlich ko&#x0364;mmt es bey dem<lb/>
Schnupftuche heraus, das der Vater mitgenom-<lb/>
men hatte. Das &#x017F;ieht die Schwe&#x017F;ter, und fragt:<lb/>
wie er dazu gekommen wa&#x0364;re? Da ver&#x017F;tummt<lb/>
er &#x2014; wird eingezogen, und ge&#x017F;tehet die er-<lb/>
&#x017F;chreckliche That.</p><lb/>
        <p>Wie es ihm gieng, ko&#x0364;nnt ihr leicht denken.<lb/>
Er wurde von unten auf gera&#x0364;dert, und &#x017F;ein<lb/>
Leib aufs Rad geflochten. Vorher hat er noch<lb/>
ge&#x017F;tanden, daß ihm das gar nicht aus den<lb/>
Gedanken und vor den Augen wegka&#x0364;me, da<lb/>
&#x017F;ich der Vater bey dem er&#x017F;ten Schlage noch<lb/>
einmal &#x017F;o kla&#x0364;glich nach ihm umge&#x017F;ehen habe,<lb/>
als ob er &#x017F;agen wollen: Sohn! undankba-<lb/>
rer, unmen&#x017F;chlicher Sohn! kann&#x017F;t du das an<lb/>
deinem eigenen Vater thun?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Nun,</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0142] werde wohl noch nicht abgefertiget ſeyn. Eini- ge Tage nachher wird der Erſchlagene gefun- den. Der Sohn iſt indeſſen ganz getroſt — geht in die Schenke — ſaͤuft und ſpielt nach Herzensluſt. Endlich koͤmmt es bey dem Schnupftuche heraus, das der Vater mitgenom- men hatte. Das ſieht die Schweſter, und fragt: wie er dazu gekommen waͤre? Da verſtummt er — wird eingezogen, und geſtehet die er- ſchreckliche That. Wie es ihm gieng, koͤnnt ihr leicht denken. Er wurde von unten auf geraͤdert, und ſein Leib aufs Rad geflochten. Vorher hat er noch geſtanden, daß ihm das gar nicht aus den Gedanken und vor den Augen wegkaͤme, da ſich der Vater bey dem erſten Schlage noch einmal ſo klaͤglich nach ihm umgeſehen habe, als ob er ſagen wollen: Sohn! undankba- rer, unmenſchlicher Sohn! kannſt du das an deinem eigenen Vater thun? Nun,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/142
Zitationshilfe: Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 2. Leipzig, 1783, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib02_1783/142>, abgerufen am 25.04.2024.