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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

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rung des Zustands, eine innre unbehagliche Un-
gedult, die mich überall hin verfolgen wird?




Es ist wahr, wenn meine Krankheit zu heilen
wäre, so würden diese Menschen es thun.
Heut ist mein Geburtstag, und in aller Frühe em-
pfang ich ein Päkgen von Alberten. Mir fällt
bey'm Eröfnen sogleich eine der blaßrothen Schlei-
fen in die Augen, die Lotte vorhatte, als ich sie
kennen lernte, und um die ich sie seither etlichemal
gebeten hatte. Es waren zwey Büchelgen in duo-
dez dabey, der kleine Wetsteinische Homer, ein
Büchelgen, nach dem ich so oft verlangt, um mich
auf dem Spaziergange mit dem Ernestischen nicht
zu schleppen. Sieh! so kommen sie meinen Wün-
schen zuvor, so suchen sie all die kleinen Gefällig-
keiten der Freundschaft auf, die tausendmal wer-

ther



rung des Zuſtands, eine innre unbehagliche Un-
gedult, die mich uͤberall hin verfolgen wird?




Es iſt wahr, wenn meine Krankheit zu heilen
waͤre, ſo wuͤrden dieſe Menſchen es thun.
Heut iſt mein Geburtstag, und in aller Fruͤhe em-
pfang ich ein Paͤkgen von Alberten. Mir faͤllt
bey’m Eroͤfnen ſogleich eine der blaßrothen Schlei-
fen in die Augen, die Lotte vorhatte, als ich ſie
kennen lernte, und um die ich ſie ſeither etlichemal
gebeten hatte. Es waren zwey Buͤchelgen in duo-
dez dabey, der kleine Wetſteiniſche Homer, ein
Buͤchelgen, nach dem ich ſo oft verlangt, um mich
auf dem Spaziergange mit dem Erneſtiſchen nicht
zu ſchleppen. Sieh! ſo kommen ſie meinen Wuͤn-
ſchen zuvor, ſo ſuchen ſie all die kleinen Gefaͤllig-
keiten der Freundſchaft auf, die tauſendmal wer-

ther
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[98/0098] rung des Zuſtands, eine innre unbehagliche Un- gedult, die mich uͤberall hin verfolgen wird? am 28. Aug. Es iſt wahr, wenn meine Krankheit zu heilen waͤre, ſo wuͤrden dieſe Menſchen es thun. Heut iſt mein Geburtstag, und in aller Fruͤhe em- pfang ich ein Paͤkgen von Alberten. Mir faͤllt bey’m Eroͤfnen ſogleich eine der blaßrothen Schlei- fen in die Augen, die Lotte vorhatte, als ich ſie kennen lernte, und um die ich ſie ſeither etlichemal gebeten hatte. Es waren zwey Buͤchelgen in duo- dez dabey, der kleine Wetſteiniſche Homer, ein Buͤchelgen, nach dem ich ſo oft verlangt, um mich auf dem Spaziergange mit dem Erneſtiſchen nicht zu ſchleppen. Sieh! ſo kommen ſie meinen Wuͤn- ſchen zuvor, ſo ſuchen ſie all die kleinen Gefaͤllig- keiten der Freundſchaft auf, die tauſendmal wer- ther

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/98>, abgerufen am 19.04.2024.