Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite



ten sich hinab begeben, um ein Pfeifchen in Ruhe
zu rauchen, und die übrige Gesellschaft schlug es
nicht aus, als die Wirthinn auf den klugen Ein-
fall kam, uns ein Zimmer anzuweisen, das Läden
und Vorhänge hätte. Kaum waren wir da ange-
langt, als Lotte beschäftigt war, einen Kreis von
Stühlen zu stellen, die Gesellschaft zu sezzen, und
den Vortrag zu einem Spiele zu thun.

Jch sahe manchen, der in Hoffnung auf ein
saftiges Pfand sein Mäulchen spizte, und seine Glie-
der rekte. Wir spielen Zählens, sagte sie, nun gebt
Acht! Jch gehe im Kreise herum von der Rech-
ten zur Linken, und so zählt ihr auch rings herum
jeder die Zahl die an ihn kommt, und das muß
gehn wie ein Lauffeuer, und wer stokt, oder sich
irrt, kriegt eine Ohrfeige, und so bis tausend. Nun
war das lustig anzusehen. Sie gieng mit ausge-
strektem Arme im Kreise herum, Eins! fieng der er-
ste an, der Nachbar zwey! drey! der folgende und
so fort; dann fieng sie an geschwinder zu gehn,
immer geschwinder. Da versahs einer, Patsch ei-
ne Ohrfeige, und über das Gelächter der folgende
auch Patsch! Und immer geschwinder. Jch selbst

kriegte



ten ſich hinab begeben, um ein Pfeifchen in Ruhe
zu rauchen, und die uͤbrige Geſellſchaft ſchlug es
nicht aus, als die Wirthinn auf den klugen Ein-
fall kam, uns ein Zimmer anzuweiſen, das Laͤden
und Vorhaͤnge haͤtte. Kaum waren wir da ange-
langt, als Lotte beſchaͤftigt war, einen Kreis von
Stuͤhlen zu ſtellen, die Geſellſchaft zu ſezzen, und
den Vortrag zu einem Spiele zu thun.

Jch ſahe manchen, der in Hoffnung auf ein
ſaftiges Pfand ſein Maͤulchen ſpizte, und ſeine Glie-
der rekte. Wir ſpielen Zaͤhlens, ſagte ſie, nun gebt
Acht! Jch gehe im Kreiſe herum von der Rech-
ten zur Linken, und ſo zaͤhlt ihr auch rings herum
jeder die Zahl die an ihn kommt, und das muß
gehn wie ein Lauffeuer, und wer ſtokt, oder ſich
irrt, kriegt eine Ohrfeige, und ſo bis tauſend. Nun
war das luſtig anzuſehen. Sie gieng mit ausge-
ſtrektem Arme im Kreiſe herum, Eins! fieng der er-
ſte an, der Nachbar zwey! drey! der folgende und
ſo fort; dann fieng ſie an geſchwinder zu gehn,
immer geſchwinder. Da verſahs einer, Patſch ei-
ne Ohrfeige, und uͤber das Gelaͤchter der folgende
auch Patſch! Und immer geſchwinder. Jch ſelbſt

kriegte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="diaryEntry">
        <p><pb facs="#f0042" n="42"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ten &#x017F;ich hinab begeben, um ein Pfeifchen in Ruhe<lb/>
zu rauchen, und die u&#x0364;brige Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft &#x017F;chlug es<lb/>
nicht aus, als die Wirthinn auf den klugen Ein-<lb/>
fall kam, uns ein Zimmer anzuwei&#x017F;en, das La&#x0364;den<lb/>
und Vorha&#x0364;nge ha&#x0364;tte. Kaum waren wir da ange-<lb/>
langt, als Lotte be&#x017F;cha&#x0364;ftigt war, einen Kreis von<lb/>
Stu&#x0364;hlen zu &#x017F;tellen, die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft zu &#x017F;ezzen, und<lb/>
den Vortrag zu einem Spiele zu thun.</p><lb/>
        <p>Jch &#x017F;ahe manchen, der in Hoffnung auf ein<lb/>
&#x017F;aftiges Pfand &#x017F;ein Ma&#x0364;ulchen &#x017F;pizte, und &#x017F;eine Glie-<lb/>
der rekte. Wir &#x017F;pielen Za&#x0364;hlens, &#x017F;agte &#x017F;ie, nun gebt<lb/>
Acht! Jch gehe im Krei&#x017F;e herum von der Rech-<lb/>
ten zur Linken, und &#x017F;o za&#x0364;hlt ihr auch rings herum<lb/>
jeder die Zahl die an ihn kommt, und das muß<lb/>
gehn wie ein Lauffeuer, und wer &#x017F;tokt, oder &#x017F;ich<lb/>
irrt, kriegt eine Ohrfeige, und &#x017F;o bis tau&#x017F;end. Nun<lb/>
war das lu&#x017F;tig anzu&#x017F;ehen. Sie gieng mit ausge-<lb/>
&#x017F;trektem Arme im Krei&#x017F;e herum, Eins! fieng der er-<lb/>
&#x017F;te an, der Nachbar zwey! drey! der folgende und<lb/>
&#x017F;o fort; dann fieng &#x017F;ie an ge&#x017F;chwinder zu gehn,<lb/>
immer ge&#x017F;chwinder. Da ver&#x017F;ahs einer, Pat&#x017F;ch ei-<lb/>
ne Ohrfeige, und u&#x0364;ber das Gela&#x0364;chter der folgende<lb/>
auch Pat&#x017F;ch! Und immer ge&#x017F;chwinder. Jch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kriegte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0042] ten ſich hinab begeben, um ein Pfeifchen in Ruhe zu rauchen, und die uͤbrige Geſellſchaft ſchlug es nicht aus, als die Wirthinn auf den klugen Ein- fall kam, uns ein Zimmer anzuweiſen, das Laͤden und Vorhaͤnge haͤtte. Kaum waren wir da ange- langt, als Lotte beſchaͤftigt war, einen Kreis von Stuͤhlen zu ſtellen, die Geſellſchaft zu ſezzen, und den Vortrag zu einem Spiele zu thun. Jch ſahe manchen, der in Hoffnung auf ein ſaftiges Pfand ſein Maͤulchen ſpizte, und ſeine Glie- der rekte. Wir ſpielen Zaͤhlens, ſagte ſie, nun gebt Acht! Jch gehe im Kreiſe herum von der Rech- ten zur Linken, und ſo zaͤhlt ihr auch rings herum jeder die Zahl die an ihn kommt, und das muß gehn wie ein Lauffeuer, und wer ſtokt, oder ſich irrt, kriegt eine Ohrfeige, und ſo bis tauſend. Nun war das luſtig anzuſehen. Sie gieng mit ausge- ſtrektem Arme im Kreiſe herum, Eins! fieng der er- ſte an, der Nachbar zwey! drey! der folgende und ſo fort; dann fieng ſie an geſchwinder zu gehn, immer geſchwinder. Da verſahs einer, Patſch ei- ne Ohrfeige, und uͤber das Gelaͤchter der folgende auch Patſch! Und immer geſchwinder. Jch ſelbſt kriegte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/42
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/42>, abgerufen am 28.03.2024.