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Goethe, Johann Wolfgang von: Die neue Melusine. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sollen zur Freude, zur Nachgiebigkeit stimmen. Im Gegentheil wurde ich nur noch tückischer, als man eine Laute brachte und meine Schöne ihren Gesang zur Bewunderung aller Uebrigen begleitete. Unglücklicherweise erbat man sich eine allgemeine Stille. Also auch schwatzen sollte ich nicht mehr, und die Töne thaten mir in den Zähnen weh. War es nun ein Wunder, daß endlich der kleinste Funke die Mine zündete?

Eben hatte die Sängerin ein Lied unter dem größten Beifall geendigt, als sie nach mir, und wahrlich recht liebevoll, herüber sah. Leider drangen die Blicke nicht bei mir ein. Sie bemerkte, daß ich einen Becher Wein hinunter schlang und einen neu anfüllte. Mit dem rechten Zeigefinger winkte sie mir lieblich drohend. Bedenken Sie, daß es Wein ist! sagte sie, nicht lauter, als daß ich es hören konnte. -- Wasser ist für die Nixen! rief ich aus. -- Meine Damen, sagte sie zu meinen Nachbarinnen, kränzen Sie den Becher mit aller Anmuth, daß er nicht zu oft leer werde. -- Sie werden sich doch nicht meistern lassen! zischelte mir die Eine ins Ohr! -- Was will der Zwerg? rief ich aus, mich heftiger geberdend, wodurch ich den Becher umstieß. -- Hier ist viel verschüttet! rief die Wunderschöne, that einen Griff in die Saiten, als wolle sie die Aufmerksamkeit der Gesellschft aus dieser Störung wieder auf sich heranziehen. Es gelang ihr wirklich, um so mehr, als sie aufstand, aber nur als wenn sie sich das Spiel bequemer machen wollte, und zu präludiren fortfuhr.

sollen zur Freude, zur Nachgiebigkeit stimmen. Im Gegentheil wurde ich nur noch tückischer, als man eine Laute brachte und meine Schöne ihren Gesang zur Bewunderung aller Uebrigen begleitete. Unglücklicherweise erbat man sich eine allgemeine Stille. Also auch schwatzen sollte ich nicht mehr, und die Töne thaten mir in den Zähnen weh. War es nun ein Wunder, daß endlich der kleinste Funke die Mine zündete?

Eben hatte die Sängerin ein Lied unter dem größten Beifall geendigt, als sie nach mir, und wahrlich recht liebevoll, herüber sah. Leider drangen die Blicke nicht bei mir ein. Sie bemerkte, daß ich einen Becher Wein hinunter schlang und einen neu anfüllte. Mit dem rechten Zeigefinger winkte sie mir lieblich drohend. Bedenken Sie, daß es Wein ist! sagte sie, nicht lauter, als daß ich es hören konnte. — Wasser ist für die Nixen! rief ich aus. — Meine Damen, sagte sie zu meinen Nachbarinnen, kränzen Sie den Becher mit aller Anmuth, daß er nicht zu oft leer werde. — Sie werden sich doch nicht meistern lassen! zischelte mir die Eine ins Ohr! — Was will der Zwerg? rief ich aus, mich heftiger geberdend, wodurch ich den Becher umstieß. — Hier ist viel verschüttet! rief die Wunderschöne, that einen Griff in die Saiten, als wolle sie die Aufmerksamkeit der Gesellschft aus dieser Störung wieder auf sich heranziehen. Es gelang ihr wirklich, um so mehr, als sie aufstand, aber nur als wenn sie sich das Spiel bequemer machen wollte, und zu präludiren fortfuhr.

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[0029] sollen zur Freude, zur Nachgiebigkeit stimmen. Im Gegentheil wurde ich nur noch tückischer, als man eine Laute brachte und meine Schöne ihren Gesang zur Bewunderung aller Uebrigen begleitete. Unglücklicherweise erbat man sich eine allgemeine Stille. Also auch schwatzen sollte ich nicht mehr, und die Töne thaten mir in den Zähnen weh. War es nun ein Wunder, daß endlich der kleinste Funke die Mine zündete? Eben hatte die Sängerin ein Lied unter dem größten Beifall geendigt, als sie nach mir, und wahrlich recht liebevoll, herüber sah. Leider drangen die Blicke nicht bei mir ein. Sie bemerkte, daß ich einen Becher Wein hinunter schlang und einen neu anfüllte. Mit dem rechten Zeigefinger winkte sie mir lieblich drohend. Bedenken Sie, daß es Wein ist! sagte sie, nicht lauter, als daß ich es hören konnte. — Wasser ist für die Nixen! rief ich aus. — Meine Damen, sagte sie zu meinen Nachbarinnen, kränzen Sie den Becher mit aller Anmuth, daß er nicht zu oft leer werde. — Sie werden sich doch nicht meistern lassen! zischelte mir die Eine ins Ohr! — Was will der Zwerg? rief ich aus, mich heftiger geberdend, wodurch ich den Becher umstieß. — Hier ist viel verschüttet! rief die Wunderschöne, that einen Griff in die Saiten, als wolle sie die Aufmerksamkeit der Gesellschft aus dieser Störung wieder auf sich heranziehen. Es gelang ihr wirklich, um so mehr, als sie aufstand, aber nur als wenn sie sich das Spiel bequemer machen wollte, und zu präludiren fortfuhr.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:38:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:38:58Z)

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die neue Melusine. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_melusine_1910/29>, abgerufen am 19.04.2024.