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Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.

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Ein Schauspiel.
Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg;
Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet.
Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück!
Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen,
Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar
Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt!
So hält mich Thoas hier, ein edler Mann,
In ernsten, heil'gen Sklavenbanden fest.
O wie beschämt gesteh' ich, daß ich dir
Mit stillem Widerwillen diene, Göttinn,
Dir meiner Retterinn! Mein Leben sollte
Zu freyem Dienste dir gewidmet seyn.
Auch hab' ich stets auf dich gehofft und hoffe
Noch jetzt auf dich Diana, die du mich,
Des größten Königes verstoßne Tochter,
In deinen heil'gen, sanften Arm genommen.
Ja, Tochter Zevs, wenn du den hohen Mann,
Den du, die Tochter fodernd, ängstigtest;
Wenn du den göttergleichen Agamemnon,
Der dir sein Liebstes zum Altare brachte,
Von Troja's umgewandten Mauern rühmlich
Nach seinem Vaterland zurückbegleitet,
Die Gattinn ihm, Elektren und den Sohn,
Ein Schauſpiel.
Ihn freuet der Beſitz; ihn krönt der Sieg;
Ein ehrenvoller Tod iſt ihm bereitet.
Wie eng-gebunden iſt des Weibes Glück!
Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen,
Iſt Pflicht und Troſt; wie elend, wenn ſie gar
Ein feindlich Schickſal in die Ferne treibt!
So hält mich Thoas hier, ein edler Mann,
In ernſten, heil’gen Sklavenbanden feſt.
O wie beſchämt geſteh’ ich, daß ich dir
Mit ſtillem Widerwillen diene, Göttinn,
Dir meiner Retterinn! Mein Leben ſollte
Zu freyem Dienſte dir gewidmet ſeyn.
Auch hab’ ich ſtets auf dich gehofft und hoffe
Noch jetzt auf dich Diana, die du mich,
Des größten Königes verſtoßne Tochter,
In deinen heil’gen, ſanften Arm genommen.
Ja, Tochter Zevs, wenn du den hohen Mann,
Den du, die Tochter fodernd, ängſtigteſt;
Wenn du den göttergleichen Agamemnon,
Der dir ſein Liebſtes zum Altare brachte,
Von Troja’s umgewandten Mauern rühmlich
Nach ſeinem Vaterland zurückbegleitet,
Die Gattinn ihm, Elektren und den Sohn,
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[5/0014] Ein Schauſpiel. Ihn freuet der Beſitz; ihn krönt der Sieg; Ein ehrenvoller Tod iſt ihm bereitet. Wie eng-gebunden iſt des Weibes Glück! Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen, Iſt Pflicht und Troſt; wie elend, wenn ſie gar Ein feindlich Schickſal in die Ferne treibt! So hält mich Thoas hier, ein edler Mann, In ernſten, heil’gen Sklavenbanden feſt. O wie beſchämt geſteh’ ich, daß ich dir Mit ſtillem Widerwillen diene, Göttinn, Dir meiner Retterinn! Mein Leben ſollte Zu freyem Dienſte dir gewidmet ſeyn. Auch hab’ ich ſtets auf dich gehofft und hoffe Noch jetzt auf dich Diana, die du mich, Des größten Königes verſtoßne Tochter, In deinen heil’gen, ſanften Arm genommen. Ja, Tochter Zevs, wenn du den hohen Mann, Den du, die Tochter fodernd, ängſtigteſt; Wenn du den göttergleichen Agamemnon, Der dir ſein Liebſtes zum Altare brachte, Von Troja’s umgewandten Mauern rühmlich Nach ſeinem Vaterland zurückbegleitet, Die Gattinn ihm, Elektren und den Sohn,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/14>, abgerufen am 29.03.2024.