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[Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52.

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necken im Waldvögelein; Jungferntücke in Mannsbild, und mein Vater hat gesagt; böser Schalk in den Brombeeren versteckt. Und vor Liebchens Fenster wälzt sich der Zug, und bringt Serenaden und Ständchen: Liegst du schon in sanfter Ruh; Wie schön blüht uns der Mayen; Schlaf nur ein geliebtes Leben; Ach Schatz willst du schlafen gehen; Auf dieser Welt hab ich keine Freud; S'ist mir auch kein Nacht zu finster. Unerhörte Liebe wird abgeführt; im Korbe wird der Abschied ihm gegeben; Spottlieder verfolgen die Beschenkten; der vorlaute Ritter wird auf den breiten Stein gebettet; Konrad der Schreiber im Korbe wird ausgezischt; spöttisch wird der Prahler im Weltende abgefangen; das naive Kammermädchen construirt den Studiosus; trefflich schulgerecht; die Polizey auch hebt den nachtwandelnden Schäfer auf. Wer aber das Glück hat, führt die Braut nach Haus, es ertönt der Brautreigen, die Gespielen weinen, lachend in weinendem Muthe tröstet das Lied die traurig prächtige Braut; im Rosmarin siegt die Trauer; im Hochzeitlied Kayser Leopolds aber wird die Freude rauschende Lust. Jn hellen Haufen kommen die zierlichen Cupidolieder angezogen; in dem allerliebsten Dialog zwischen dem Amor und der Maye wird der Streit des Philanthropismus und Humanismus ausgefochten; weibliche Selbstständigkeit pocht wohl auf ihre Freyheit, aber von dem guten Kerl bezwungen, gibt sie sich bald den Fesseln hin, und nachdem der Hymenäus ausgesungen, folgt die Gratulation in aller Form im Familiengemählde; der Ehestand bietet sein Joch; Hoffnung zum Kindersegen macht die Bürde zum Kurzweil; in der schnellen Entwicklung aber stehen Hauskrieg und Schläge in den Aehren.

Was auf diese Weise Liebe gefügt, das trennt wieder feindlich der Zwist, und häusliche Fehde schlägt uns die Brücke, über die wir zum großen Welthader gelangen. Da schallen uns dann die Kriegsgesänge aus dem Felde entgegen, der

necken im Waldvoͤgelein; Jungferntuͤcke in Mannsbild, und mein Vater hat gesagt; boͤser Schalk in den Brombeeren versteckt. Und vor Liebchens Fenster waͤlzt sich der Zug, und bringt Serenaden und Staͤndchen: Liegst du schon in sanfter Ruh; Wie schoͤn bluͤht uns der Mayen; Schlaf nur ein geliebtes Leben; Ach Schatz willst du schlafen gehen; Auf dieser Welt hab ich keine Freud; S'ist mir auch kein Nacht zu finster. Unerhoͤrte Liebe wird abgefuͤhrt; im Korbe wird der Abschied ihm gegeben; Spottlieder verfolgen die Beschenkten; der vorlaute Ritter wird auf den breiten Stein gebettet; Konrad der Schreiber im Korbe wird ausgezischt; spoͤttisch wird der Prahler im Weltende abgefangen; das naive Kammermaͤdchen construirt den Studiosus; trefflich schulgerecht; die Polizey auch hebt den nachtwandelnden Schaͤfer auf. Wer aber das Gluͤck hat, fuͤhrt die Braut nach Haus, es ertoͤnt der Brautreigen, die Gespielen weinen, lachend in weinendem Muthe troͤstet das Lied die traurig praͤchtige Braut; im Rosmarin siegt die Trauer; im Hochzeitlied Kayser Leopolds aber wird die Freude rauschende Lust. Jn hellen Haufen kommen die zierlichen Cupidolieder angezogen; in dem allerliebsten Dialog zwischen dem Amor und der Maye wird der Streit des Philanthropismus und Humanismus ausgefochten; weibliche Selbststaͤndigkeit pocht wohl auf ihre Freyheit, aber von dem guten Kerl bezwungen, gibt sie sich bald den Fesseln hin, und nachdem der Hymenaͤus ausgesungen, folgt die Gratulation in aller Form im Familiengemaͤhlde; der Ehestand bietet sein Joch; Hoffnung zum Kindersegen macht die Buͤrde zum Kurzweil; in der schnellen Entwicklung aber stehen Hauskrieg und Schlaͤge in den Aehren.

Was auf diese Weise Liebe gefuͤgt, das trennt wieder feindlich der Zwist, und haͤusliche Fehde schlaͤgt uns die Bruͤcke, uͤber die wir zum großen Welthader gelangen. Da schallen uns dann die Kriegsgesaͤnge aus dem Felde entgegen, der

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[32/0020] necken im Waldvoͤgelein; Jungferntuͤcke in Mannsbild, und mein Vater hat gesagt; boͤser Schalk in den Brombeeren versteckt. Und vor Liebchens Fenster waͤlzt sich der Zug, und bringt Serenaden und Staͤndchen: Liegst du schon in sanfter Ruh; Wie schoͤn bluͤht uns der Mayen; Schlaf nur ein geliebtes Leben; Ach Schatz willst du schlafen gehen; Auf dieser Welt hab ich keine Freud; S'ist mir auch kein Nacht zu finster. Unerhoͤrte Liebe wird abgefuͤhrt; im Korbe wird der Abschied ihm gegeben; Spottlieder verfolgen die Beschenkten; der vorlaute Ritter wird auf den breiten Stein gebettet; Konrad der Schreiber im Korbe wird ausgezischt; spoͤttisch wird der Prahler im Weltende abgefangen; das naive Kammermaͤdchen construirt den Studiosus; trefflich schulgerecht; die Polizey auch hebt den nachtwandelnden Schaͤfer auf. Wer aber das Gluͤck hat, fuͤhrt die Braut nach Haus, es ertoͤnt der Brautreigen, die Gespielen weinen, lachend in weinendem Muthe troͤstet das Lied die traurig praͤchtige Braut; im Rosmarin siegt die Trauer; im Hochzeitlied Kayser Leopolds aber wird die Freude rauschende Lust. Jn hellen Haufen kommen die zierlichen Cupidolieder angezogen; in dem allerliebsten Dialog zwischen dem Amor und der Maye wird der Streit des Philanthropismus und Humanismus ausgefochten; weibliche Selbststaͤndigkeit pocht wohl auf ihre Freyheit, aber von dem guten Kerl bezwungen, gibt sie sich bald den Fesseln hin, und nachdem der Hymenaͤus ausgesungen, folgt die Gratulation in aller Form im Familiengemaͤhlde; der Ehestand bietet sein Joch; Hoffnung zum Kindersegen macht die Buͤrde zum Kurzweil; in der schnellen Entwicklung aber stehen Hauskrieg und Schlaͤge in den Aehren. Was auf diese Weise Liebe gefuͤgt, das trennt wieder feindlich der Zwist, und haͤusliche Fehde schlaͤgt uns die Bruͤcke, uͤber die wir zum großen Welthader gelangen. Da schallen uns dann die Kriegsgesaͤnge aus dem Felde entgegen, der

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Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription. (2018-02-08T18:42:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: [Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_wunderhorn_1809/20>, abgerufen am 24.04.2024.