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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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ein erster Bruch feyerlicher Versprechungen erfolgt,
schien alles Andere sich von selbst zu verstehen; das
Vertrauen war verloren, die Meinung, die bisher sich
arglos hingegeben, trat nun geharnischt zur Wehre;
und seit diesem Augenblicke hat sich in diesen Provin¬
zen jener Widerstand, und jene Opposition erhoben,
die alle spätere Gutwilligkeit nicht wieder beschwichti¬
gen mochte. Man hatte zur aller unglücklichsten Stunde
vergessen, was die Römischen Consuln in der Sache
der Ariciner und Ardeaten, deren Landmark das Volk
sich zueignen wollen, demselben zu Gemüth geführt:
famae quidem ac sidei damna majora esse, quam quae
aestimari possent.

Im übrigen Nord-Teutschland hatte die Lage
der Dinge auf nicht viel tröstlichere Resultate und
Aussichten sich gestellt. Oben in der Cimbrischen Halb¬
insel in Holstein und Lauenburg, war schon seit 1816
jene Commission, aus den Prälaten, der Ritterschaft,
den Städten und Aemtern gezogen, vereinigt, um die
Vorschläge zur Verfassung die vom Hofe ausgegangen,
zu berathen; eine Berathung, die bey aller löblichen
Bereitwilligkeit der obern Stände, noch bis zu dieser
Stunde nicht zu dem erwarteten Ziel geführt. Indem
der Hof das billige Gesuch um Ausdehnung der neu
zu entwerfenden Verfassung auch auf Schleswig ver¬
weigerte, hatte auch er an Tag gelegt, daß er
nicht ein Kleines mehr zu leisten gesonnen sey, als
die Verbindlichkeit der Traktaten ihm unausweichlich
zu thun auferlegt; und indem er den künftigen Stän¬
den nur eine berathende Stimme einräumen wollte,

ein erſter Bruch feyerlicher Verſprechungen erfolgt,
ſchien alles Andere ſich von ſelbſt zu verſtehen; das
Vertrauen war verloren, die Meinung, die bisher ſich
arglos hingegeben, trat nun geharniſcht zur Wehre;
und ſeit dieſem Augenblicke hat ſich in dieſen Provin¬
zen jener Widerſtand, und jene Oppoſition erhoben,
die alle ſpätere Gutwilligkeit nicht wieder beſchwichti¬
gen mochte. Man hatte zur aller unglücklichſten Stunde
vergeſſen, was die Römiſchen Conſuln in der Sache
der Ariciner und Ardeaten, deren Landmark das Volk
ſich zueignen wollen, demſelben zu Gemüth geführt:
famæ quidem ac ſidei damna majora esse, quam quæ
æstimari possent.

Im übrigen Nord-Teutſchland hatte die Lage
der Dinge auf nicht viel tröſtlichere Reſultate und
Ausſichten ſich geſtellt. Oben in der Cimbriſchen Halb¬
inſel in Holſtein und Lauenburg, war ſchon ſeit 1816
jene Commiſſion, aus den Prälaten, der Ritterſchaft,
den Städten und Aemtern gezogen, vereinigt, um die
Vorſchläge zur Verfaſſung die vom Hofe ausgegangen,
zu berathen; eine Berathung, die bey aller löblichen
Bereitwilligkeit der obern Stände, noch bis zu dieſer
Stunde nicht zu dem erwarteten Ziel geführt. Indem
der Hof das billige Geſuch um Ausdehnung der neu
zu entwerfenden Verfaſſung auch auf Schleswig ver¬
weigerte, hatte auch er an Tag gelegt, daß er
nicht ein Kleines mehr zu leiſten geſonnen ſey, als
die Verbindlichkeit der Traktaten ihm unausweichlich
zu thun auferlegt; und indem er den künftigen Stän¬
den nur eine berathende Stimme einräumen wollte‚

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[38/0046] ein erſter Bruch feyerlicher Verſprechungen erfolgt, ſchien alles Andere ſich von ſelbſt zu verſtehen; das Vertrauen war verloren, die Meinung, die bisher ſich arglos hingegeben, trat nun geharniſcht zur Wehre; und ſeit dieſem Augenblicke hat ſich in dieſen Provin¬ zen jener Widerſtand, und jene Oppoſition erhoben, die alle ſpätere Gutwilligkeit nicht wieder beſchwichti¬ gen mochte. Man hatte zur aller unglücklichſten Stunde vergeſſen, was die Römiſchen Conſuln in der Sache der Ariciner und Ardeaten, deren Landmark das Volk ſich zueignen wollen, demſelben zu Gemüth geführt: famæ quidem ac ſidei damna majora esse, quam quæ æstimari possent. Im übrigen Nord-Teutſchland hatte die Lage der Dinge auf nicht viel tröſtlichere Reſultate und Ausſichten ſich geſtellt. Oben in der Cimbriſchen Halb¬ inſel in Holſtein und Lauenburg, war ſchon ſeit 1816 jene Commiſſion, aus den Prälaten, der Ritterſchaft, den Städten und Aemtern gezogen, vereinigt, um die Vorſchläge zur Verfaſſung die vom Hofe ausgegangen, zu berathen; eine Berathung, die bey aller löblichen Bereitwilligkeit der obern Stände, noch bis zu dieſer Stunde nicht zu dem erwarteten Ziel geführt. Indem der Hof das billige Geſuch um Ausdehnung der neu zu entwerfenden Verfaſſung auch auf Schleswig ver¬ weigerte, hatte auch er an Tag gelegt, daß er nicht ein Kleines mehr zu leiſten geſonnen ſey, als die Verbindlichkeit der Traktaten ihm unausweichlich zu thun auferlegt; und indem er den künftigen Stän¬ den nur eine berathende Stimme einräumen wollte‚

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/46>, abgerufen am 24.04.2024.